Inhalt

Das neue Schuljahr startet unspektakulär; in Balderwald läuft alles seinen gewohnten Gang. Doch dann findet Erics Freund David, der gerade ein zweiwöchiges Praktikum in der Stadtbibliothek absolviert, ein uraltes, längst verloren geglaubtes Buch. Darin wird die Legende von der magischen Silberblume erwähnt, die angeblich alle Krankheiten heilen könne. Allerdings sei sie nur äußerst schwer zu finden. Ob sie tatsächlich existiert, daran zweifeln zunächst viele in Balderwald. Doch das soll Eric und seine Freunde nicht davon abhalten, sie zu suchen  ̶  schon allein deswegen, damit sie dem fiesen Bruto und seinen gleichermaßen unangenehmen Verbündeten nicht in die Hände fällt. In dem alten Buch gibt es zwar diverse Hinweise, an welcher verborgenen Stelle des Balderwaldes die Blume wächst und zu welchem Zeitpunkt sie ihre wundertätige Wirkung besitzt, aber diese sind eher kryptisch und nur schwer zu deuten. Als Erics Mutter nach dem Verzehr eines Pilzgerichts mit magischen Feenröhrlingen so schwer erkrankt, dass die Heilmagier von ihrem baldigen Tod überzeugt sind, scheint allein die Silberblume einen allerletzten Ausweg aus dieser fatalen Situation zu versprechen. Jetzt geht es für Eric und seine Freunde nur noch darum, die Blume rechtzeitig aufzufinden, koste es, was es wolle. Daraus entwickelt sich ein dramatisches Abenteuer, bei dem es nicht nur für die Mutter um Leben und Tod geht…

Kritik

Band 3 der Serie Der Feuerrabe schließt zeitlich an die beiden vorausgegangenen Bände (Das verschollene Buch der Druiden und Die geheime Allianz der Magier) an. Die Protagonisten sind ein Jahr älter geworden, als Schauplatz dient wie zuvor der irgendwo zwischen Bremen und Oldenburg zu verortende, aber auf keiner Landkarte verzeichnete magisch-fiktive Ort Balderwald samt umgebenden Seen und Wäldern. Für Leser und Leserinnen der beiden ersten Bände ist es ein bereits vertrautes Terrain; aber auch ohne die Kenntnis der Vorgeschichte kann man sich, von nur kleinen Einschränkungen abgesehen, in die fantastischen, von reichlich magischen Wesen und Fähigkeiten der Bewohnerinnen und Bewohner bestimmten dortigen Verhältnisse einlesen.
Die erzählte Handlungsdauer entspricht erneut dem Ablauf eines Schuljahrs am Balder-Institut für Lehre, Forschung und Magie. Die Auffindung des Berichts über die Silberblume und die später einsetzende Suche nach dieser außergewöhnlichen Pflanze bilden den roten Faden der Geschichte. Mit lockerer Hand beschreibt die Autorin daneben zahlreiche kleine und große Ereignisse aus dem Leben der Teenagerinnen und Teenager, die eigentlich wenig ungewöhnlich erscheinen und durchaus nicht in jedem Fall magische Dimensionen beinhalten. Dies macht gewiss auch den Reiz der Feuerrabe-Bücher aus, dass sich junge Leserinnen und Leser somit gut mit den altersgemäßen Sorgen, Freuden und Problemen der Protagonisten identifizieren können.
Doch es gibt eben auch die fantastische Seite, etwa das sehr ausführlich beschriebene Schabaka-Turnier, eine Art überdimensioniertes Schachspiel mit lebenden Figuren, die dabei ihre magischen Fähigkeiten einsetzen müssen. Es ist das alljährliche Großereignis an der Schule, bei dem die Mannschaften mit allergrößtem Ehrgeiz um den Sieg kämpfen.
Und geradezu selbstverständlich kommen auch die sich langsam anbahnenden
Liebesbeziehungen der 16-jährigen Figuren zur Erwähnung.
Ein immer wieder deutlich akzentuierter Aspekt des Romans ist das unterschiedliche Verhältnis der Balderwalder Bevölkerung zu den Feuermagiern, die als Geflüchtete unter zumeist erbärmlichen Bedingungen am Rande des Ortes leben müssen. Vera Reh nutzt nicht selten das typische Vokabular real existierender rechtsradikal-rassistischer Gruppierungen in Deutschland; sie bezieht sich dabei auch auf Ereignisse der jüngsten Vergangenheit (etwa der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten u.ä.), die sie in kaum veränderter, somit unmittelbar erkennbarer Form in den Roman einfließen lässt, um damit Hintergründe und Strukturen einer derartigen Denkweise zu verdeutlichen und zugleich unmissverständlich Position gegen eine derartige Haltung zu beziehen. So werden die Anhänger rechtsradikalen Gedankenguts sehr treffend folgendermaßen charakterisiert:

"Für einfach gestrickte Menschen ist es oft das Leichteste, in Schubladen zu denken. Und am besten finden sie es, wenn andere die Schubladen auch noch beschriften und sortieren." (S. 116)

Es kann, wie im Gespräch einer leicht radebrechenden Feuermagierin mit Eric und seinen Freunden, auch schon mal ansatzweise philosophisch werden:

"'Was für Sinn soll Leben haben? Du lernst und lernst, damit du arbeiten kannst. Dann arbeitest und arbeitest du so lange, bis du bist tot. Toll. Warum die Zeit mit Lernen verschwenden, wenn nur noch mehr lernen oder Arbeit der Lohn ist?' … 'Das Leben ist das, was dazwischen ist. Der Sinn ist, zusammen eine schöne Zeit zu haben. So wie wir heute. Du kannst natürlich auch einen Sinn in deiner Arbeit finden. Wenn du anderen hilfst zum Beispiel. Wenn du Heilerin bist, dann ist dein Leben doch sinnvoll!' … 'Oder der Sinn im Leben ist, dass man Erfahrungen sammelt. Gute und schlechte. Und dass man den Sinn darin sieht, immer weiter an den Erfahrungen zu wachsen und sich immer weiterzuentwickeln. … Es sind immer deine Entscheidungen. Bei jeder Prüfung, bei jedem Tag. Dein Leben, deine Entscheidung.'" (S. 241f)

Solche durchaus tiefersinnigen Einwürfe sind gut im jeweiligen Geschehen verankert und wirken niemals aufgesetzt.
Die Dramatik, die der Lesende anfangs in der bisweilen sehr detaillierten und noch etwas langatmig anmutenden Erzählweise vermissen mag, findet sich geballt vor allem im letzten Viertel des Romans. Und hier wird es dann auch ausgesprochen fantastisch, nämlich mit einem knallbunten Bilderbogen sonderbarer Wesen mit magischen Eigenschaften, die die Silberblume bewachen.
Das Ende der Geschichte ist weitgehend abgerundet – aber es scheint ausgemacht, dass sie beizeiten weitergesponnen wird.     

Fazit

Vera Reh ist ihrer literarischen Grundidee im 3.Band Der Feuerrabe treu geblieben: Es ist erneut eine unterhaltsame, mit viel fantastischen Elementen garnierte, aber durchaus auch lehrreiche Romanfolge entstanden. Die Geschichte ist gewohnt locker erzählt; dies bietet zusammen mit dem nahezu 600-Seiten-Umfang jungen Leserinnen und Lesern ab etwa 10 Jahren die Möglichkeit, intensiv in diese fantastische Welt einzutauchen. Da sich vieles in Balderwald indes nicht über die Maßen von der Normalität nicht-magischer Jugendlicher unterscheidet, bleibt der Bezug zur Realität dennoch gewahrt.

Titel: Der Feuerrabe – Die Legende der Silberblume
Autor/-in:
  • Name: Reh, Vera
Erscheinungsjahr: 2021
ISBN-13: 979-8-589-26951-2
Seitenzahl: 560
Preis: 18,90 €
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
Reh, Vera: Der Feuerrabe – Die Legende der Silberblume