Inhalt
Morgan und Eric sind am selben Tag geboren und die besten Freunde, seit sie denken können, obwohl sie in sehr unterschiedlichen Familien aufwachsen."„Wir teilten alles miteinander" (S. 21), wie Eric seine Kindheit mit Morgan rückblickend beschreibt. Doch mit Beginn der Pubertät und Jugendzeit sind die unbeschwerten Kindheitstage gezählt. Insbesondere Morgan steht unter extremer Belastung. Seine Mutter ist früh an Krebs gestorben, er wächst nun allein bei seinem Vater auf, der das Football-Team der ansässigen Highschool leitet und dem auch die beiden Protagonisten angehören. Morgan ist ein guter Football-Spieler, doch er kann sich mit dem im Kontext des Sports zur Schau gestellten prototypischen Männlichkeits-Ideal nicht identifizieren. Mit zunehmendem Alter registriert er immer mehr, dass er eigentlich ein Mädchen ist. Morgan wird zwar seine trans Identität bewusst, doch diese löst Selbsthass und einen inneren Zwiespalt aus, der ihm beinahe alle Kraft zum Leben nimmt. Die Konflikte mit dem Vater spitzen sich zu. Zunächst steigt Morgan aus dem Football-Team aus, was den Vater unsagbar wütend macht, um bald darauf mit überbordender Aggressivität, die sich vor allem gegen sich selbst richtet, zurückzukehren und sich zu einem brutalen Spieler zu entwickeln. Das größte Problem ist, dass Morgan mit niemandem sprechen mag. Weil er sich Eric nicht anvertraut, entzweien sich die beiden Freunde immer mehr. Doch was Morgan nicht weiß, ist, dass Eric ihn schon lange als Mädchen wahrgenommen hat und sich in ebendieses Mädchen sogar verliebt hat. Doch die beiden reden nicht miteinander, zu groß sind Scham und Angst auf beiden Seiten, denn Eric fragt sich nun immer wieder, ob er homosexuell ist, nimmt aber irritiert wahr, dass er sich ausschließlich zu Morgan sexuell hingezogen fühlt, nicht aber zu anderen Jungen. Dass es am Ende auf eine befreiende Aussprache und die Aufnahme einer Liebesbeziehung zwischen Morgan und Eric hinausläuft, ahnen die Leserinnen und Leser von der ersten Seite an. Doch die innere Spannung der Buchfiguren löst sich erst zum Schluss des Romans auf, der im deutschen Untertitel suggeriert, als was er gelesen werden will: als eine Liebesgeschichte.
Kritik
Tatsächlich entsteht im Verlauf vorrangig eine innere Spannung der Protagonisten und äußere Spannung entsteht kaum, da der Roman doppelt perspektiviert ist und zwischen den Sichtweisen Morgans und Erics regelmäßig abwechselt, sodass die Leserinnen und Leser stets den Blick ins Innere beider Figuren haben. Auf diese Weise sensibilisiert der Text vor allem für die Konflikte einer transIdentität, denn hier liegt der Fokus des Romans. Dem Titel des Jugendbuchs gerecht werdend, bezieht sich die Handlung auf die Geburtstage von Morgan und Eric im Laufe der Jahre. Die Darstellung beginnt mit dem dreizehnten Geburtstag und endet mit dem achtzehnten. Was in den Jahren dazwischen geschah, erschließt sich aus reflektierenden Analepsen der Figuren. In die Erzählungen aus Morgans Sicht integrieren sich indes noch Briefe seiner verstorbenen Mutter, die sie ihm nach dem Tod hinterlassen hat: bis zum 18. Geburtstag je ein Brief, der Morgan in jedem Jahr vor allem deshalb in die Verzweiflung stößt, weil die Mutter ihn auf die Rolle des heranwachsenden Jungen festschreibt, der er nicht sein kann und nicht sein will:
Ich wünschte, ich könnte dich am Steuer sehen, wie du den Arm um deine Freundin legst. Ich möchte den erwachsenen Mann sehen, zu dem du dich entwickelt hast. Mein kleiner Junge bist du jetzt nicht mehr.
Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz.
Ich liebe dich.
Mom
Nachdem ich den Brief zu Ende gelesen habe, werfe ich mich im Flur auf den Boden, rolle mich zusammen, halte mir den schmerzenden, krampfenden Bauch und schluchze so heftig, dass ich keine Luft mehr bekomme. (S. 221)
Die Autorin Meredith Russo, die selbst trans ist und seit einigen Jahren als Frau lebt, wie der Klappentext und die Danksagung verraten, setzt vor allem auf die Darstellung der inneren Konflikte ihrer trans Figur. Sie zeigt deutlich, welche Spannungen und widerstreitenden Emotionen im Prozess der Identitätsfindung Morgans zentral sind. Insofern, als noch nicht so viele Jugendbücher zum Thema Transgender erschienen sind (in jüngster Zeit aber Mein Bruder heißt Jessica von John Boyne und George von Alex Gino), berührt sie hiermit ein wichtiges Thema. In erzählerischer Hinsicht setzt der Text aber auf altbewährte Muster eines klassischen Liebesromans: Den Leserinnen und Lesern ist von vorneherein bekannt, dass Eric Morgans Gefühle erwidert, womit sie mehr wissen als die Figuren. Das Outing ist vor allem aus der Perspektive der trans Figur betrachtet, ein riesiges Wagnis, während den Lesenden schon klar ist, was passieren wird. Durch diese Anlage kann die Lektüre mitunter auch als ermüdend und zäh empfunden werden, in Bezug auf die Gefühlsdarstellungen der trans Figur Morgan (die diesen Namen durchgehend trägt und nicht wechselt, was ein Unterschied zu den anderen genannten Jugendromanen ist) aber kann der Autorin sicher eine besondere Sensibilität zugesprochen werden.
Fazit
Birthday überzeugt vorrangig aufgrund seiner eindringlichen Schilderungen der Emotionen, einer trans Figur und kann deswegen mit dem Prädikat "empfehlenswert" belegt werden. In sprachlicher und narratologischer Hinsicht liegt hier ein klassischer Liebesroman für Jugendliche vor, der auf bewährte Schemata setzt. Für jugendliche Leserinnen und Leser ab ca. 15 Jahren, die mehr zu dem relevanten Thema "Transgender" erfahren möchten bzw. sich selbst identifizieren können, ist der Roman sicherlich lesenswert.
- Name: Russo, Meredith
- Name: Brauner, Anne
- Name: Klein, Susanne