Inhalt

Schüler*innen einer elften Klassen entschieden sich dafür, an einem Umweltprojekt teilzunehmen, woraus die Idee der Entwicklung einer App entstanden ist. Diese steht in Verbindung mit den Social-Media-Kanälen der Schüler*innen und zeigt durch ein kleines Icon öffentlich an, wie nachhaltig oder nicht nachhaltig sie leben. So wird ersichtlich, ob sich ihre klimarelevanten Ressourcen im grünen Status aufhalten oder sie ihre zur Verfügung stehenden Ressourcen überschreiten und sich im roten Status befinden. Das Projekt findet enorme Zustimmung und verbreitet sich schnell, sodass Fair Play zunehmend an Mitspieler*innen gewinnt.

Erzählt wird aus der Sicht von vier Schüler*innen, die gleichzeitig die Entwicklung und Leitung der App übernehmen, das Projekt vorantreiben und sich die Fair Play Four nennen. Das sind Kera, die den Vorschlag der App macht und Leonard, der als Nerd die App programmiert, aber durch technische Raffinesse das Projekt auch zu seinen Gunsten nutzt. Auch die Influencerin Elodie, die bisher mit Lifestyle-, Beauty- und Modebeiträgen unterhalten hat, lässt sich auf das Experiment ein und gewährt ihren Abonnenten*innen nun Einblicke in das Projekt. Sie gehört mit Max, der im Laufe des Projekts für Aufruhr sorgt und dessen Versetzung gleichzeitig von der Beteiligung am Projekt abhängt, zu den Fair Play Four. Aus einem eigentlichen Schulprojekt entwickelt sich in kürzester Zeit eine aufbrausende Gruppendynamik. Einige Mitglieder können ihren grünen Status nicht halten und es entstehen soziale Spannungen, Konflikte, Freundschaften und neue Beziehungen zerbrechen. Im Laufe des Romans entstehen so immer tiefere Einblicke in das Leben der Protagonisten*innen. Das Projekt droht außer Kontrolle zu geraten, sodass sich aus einem zu Beginn noch spielerischen Sozialexperiment ein unfaires Spiel entwickelt, welches das Miteinander auf die Probe stellt – doch was durch das Experiment nun alles auf dem Spiel steht, erkennen die Fair Play Four zu spät.

Kritik

Recht schnell lassen sich einige Parallelen zum Jugendroman Die Welle von Morton Rhue erkennen, dessen Themenschwerpunkt ebenfalls Machtspiele und kontrollierende Instanzen beinhaltet, die ein (Schul-)Experiment zum Eskalieren bringen. Der Roman schafft durch Bezüge zu Social-Media, Apps und weiteren technischen Raffinessen eine Verknüpfung zum medialen Lebensalltag von Jugendlichen. Ebenfalls werden weitere Themen wie die Liebe, Eifersucht, der Wunsch nach Anerkennung, Mobbing sowie die Herauskristallisierung sozialer Klassen aufgegriffen, welche sich durch neu entstehende Beziehungen und Konfliktkonstellationen zwischen den Fair Play Four äußern. Auch die Positionierung Jugendlicher in der Gesellschaft wird durch ein interessantes Wechselspiel dargestellt, indem eine dramatische Entwicklung des Status in der Klasse sowie die Beziehung zu anderen Mitmenschen wie Eltern oder Politiker*innen erzählt wird. So stellt die Autorin in ihrem Roman zum Beispiel einen ‚angehimmelten‘ Schüler vor, der durch das Experiment in kürzester Zeit zum Außenseiter wird sowie einen bisher als Nerd und Außenseiter abgestempelten Schüler, der plötzlich durch technische Raffinesse überzeugt und im Mittelpunkt steht. Dadurch wird ebenfalls das Thema des Gruppenzwangs konträr zur Wahrung des eigenen Gesichts mit aufgegriffen, denn wie ein Protagonist klar äußert, diktiert "das unscheinbare kleine Viereck am profile pic […] jetzt, wessen Beliebtheit steigt oder sinkt" (S. 53), was verdeutlicht, wie viel Bedeutung dem Experiment zugeschrieben wird.

Auch das Hinterfragen der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Interessen erzählt der Roman beispielsweise anhand der Protagonistin Elodie und stellt den sonst von Jugendlichen häufig positiv angesehenen Beruf des Influencers kritisch in Frage, wodurch ein interessanter Bezug zur aktuellen Jugendkultur und allgemein zum Prozess des Heranwachsens, der auch krisenhafte Dimensionen beinhalten kann (vgl. Stemmann 2020, S. 172), geschaffen wird. Somit erscheint die Jugend auch in dieser "[..] literarischen Inszenierung […] als Zeit des Wandels, des Aufbruchs und des Umbruchs" (ebd., S. 172). Durch die Polyperspektive auf mehrere Figuren entsteht ein vielseitiger Zugang zum Experiment sowie eine detaillierte Vorstellung der einzelnen Figuren, deren Sichtweisen und vor allem deren Entwicklung.

Auch die zum Teil gewählte Umgangssprache in Form von Jugendsprache, denglischen Ausdrücken sowie Anglizismen, wie "drei Leute haben den Beitrag geliket, darunter Maja und ihr boyfriend" (S. 51) sorgen bei der Zielgruppe des Romans für ein schnelles Hineinversetzen in die jeweiligen Figuren. Außerdem arbeitet Kerstin Gulden mit intermedialen Referenzen, sodass zum einen Bezüge zur Marvel-Filmreihe oder Harry Potter hergestellt werden, zum anderen aber auch im Layout ein direkter Bezug zu Social-Media-Plattformen wie Instagram stattfindet. So werden zu Beginn eines Kapitels aus der Perspektive von Elodie stets die Übersicht ihrer Social Media Plattform als wiederkehrendes Element ins Layout integriert und alle Kommunikationen und Dialoge, die in der digitalen Welt stattfinden, gesondert hervorgehoben. Damit ahmt auch das Layout des eigentlichen Buches mediale Gegenwart nach.

Typografische Variationen sorgen für eine Auflockerung der klassischen Textgestaltung und unterstreichen zusätzlich die bildliche Vorstellung bestimmter Situationen. Schade hingegen ist, dass die Umschlaggestaltung den Lesenden die Chance nimmt, sich die Protagonisten*innen in der Fantasie auszumalen und sich so ganz eigene Fair-Player zu schaffen. So erinnert der Umschlag an eine Ausgabe, die nach einer Verfilmung eines Romans erscheint, da in dem Fall häufig die Schauspieler*innen auf dem Cover abgebildet sind. In einigen Situationen scheint die Ausarbeitung der technischen Details zusätzlich etwas ungenau, sodass es zum Beispiel nicht sehr realistisch wirkt, dass die App aufs Genaueste automatisch das gesamte Leben der Schüler*innen trackt, oder sich durch einzelne Klicks gesamte Systeme hacken lassen. So hört die App beispielsweise beim Essen zu und erkennt automatisch, was gegessen wurde: "Sag mal, woher weiß die App, was du gegessen hast?" – "Wahrscheinlich hat sie es gehört, als du eben von dem Stück Avocado an meinem […] Mundwinkel gesprochen hast" (S. 97). Das scheint etwas absurd und utopisch.

Fazit

Mit ihrem Debütroman Fair Play hat Kerstin Gulden durch das Aufgreifen der Klimakrise sowie das Überdenken des eigenen Handelns ein bedeutsames und aktuelles Thema ausgewählt und entsprechend für die jugendliche Zielgruppe auf spannende Weise aufbereitet. Durch eine direkte Verbindung mit den Themen Apps, Social-Media, Technik, aber auch allgemein in Jugendromanen stets wiederkehrenden Themen wie der Liebe, Beziehungen, Konflikte und Freundschaften hat sie eine interessante Kombination von Themen geschaffen, die auch nachträglich zum Nachdenken anregen. Fair Play wurde mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2021 ausgezeichnet und richtet sich an Leser*innen ab 14 Jahren.

Titel: Fair Play – Spiel mit, sonst verlierst du alles!
Autor/-in:
  • Name: Kerstin Gulden
Erscheinungsort: Hamburg
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: rowohlt rotfuchs
ISBN-13: 978-3-499-00628-9
Seitenzahl: 336
Preis: 18,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
Gulden, Kerstin: Fair Play – Spiel mit, sonst verlierst du alles!