Inhalt

Yadriel will als Transmann seiner mexikanischen Familie beweisen, dass er – ebenso wie alle anderen Familienmitglieder – ein guter brujo sein und Santa Muerte dienen kann, indem er die Seelen der Verstorbenen in das Reich der Toten begleitet. Als ihm seine Familie das Ritual jedoch verwehrt, vollzieht er es mit Hilfe seiner Cousine und Freundin Maritza allein. Was zunächst erfolgreich beginnt, endet desaströs: Er beschwört mit Julian einen Geist, der sich gar nicht so leicht in das Reich der Toten leiten lassen, sondern zunächst herausfinden will, wer ihn umgebracht hat. 

Als auch noch Yadriels Cousin Miguel ermordet wird, sieht sich Yadriel mit zwei unerklärlichen Todesfällen konfrontiert. Während er und Maritza zunächst Julian helfen herauszufinden, wer ihn ermordet hat, und während sich Yadriel und Julian ineinander verlieben, kristallisiert sich zunehmend heraus, dass dessen Tod und der Mord an Miguel zusammenhängen. Am Día de Muertos spitzt sich die Lage zu und Yadriel wird mit einem Mörder überrascht, den er nicht erwartet hätte…

Kritik

Aiden Thomas` Debüt ist in mehrerlei Hinsicht komplex. Das ganze Setting ist angesiedelt in einer mexikanischen Gemeinschaft in Los Angeles, die sich auf den Día de Muertos vorbereitet, den Tag der Toten, ein Fest, bei dem in der Nacht vom 31. Oktober bis zum 2. November den Verstorbenen gedacht und diese gefeiert werden. Die Vermittlung dieser Kultur gelingt dem Autor auf überzeugende Weise, immerhin liegen seine Wurzeln hier, so dass er seinen Leser*innen nachvollziehbar und glaubhaft Kulturspezifika nahebringen kann, die sich detailreich präsentieren und von traditionellen Gerichten über spezifische Dekorationen bis hin zum Schmücken des Friedhofes reichen, wenn die Toten für zwei Tage zurückerwartet werden – was sich im gewählten Fantasy-Genre durchaus realisieren lässt. Zugleich ist Aiden Thomas noch auf eine andere Weise mit seinem Roman verbunden: Auch er ist – wie sein Protagonist – „trans“ und „Latinx“, wie auf seiner Homepage zu lesen ist[1], und kann so mit Yadriel einen überzeugenden Transprotagonisten konzipieren, in den nicht nur eigene Erfahrungen einfließen, sondern der dementsprechend auch als Identifikationsfigur für Leser*innen fungieren kann. Auch die anderen Figuren überzeugen, wobei Thomas mit Klischees spielt und diese bewusst konterkariert. So prallt die nicht ernst gemeinte, aber dennoch als Bodyshaming zu interpretierende Kritik von Yadriel an Maritzas Kurven locker bei ihr ab: 

„Dein Hintern ist zu groß“, neckte Yadriel sie. „Vielleicht solltest du die pastelitos mal weglassen.“ Er grinste.

„Und diese Kurven verlieren?“, fragte Maritza und strich sich grinsend über Taille und Hüften. „Danke, aber lieber würde ich sterben.“ (S. 11)

Es sind Äußerungen und Textstellen wie diese, die sowohl das Selbstbewusstsein der Protagonist*innen zeigen als auch in der Lage sind, den Leser*innen die Einzigartigkeit eines jeden zu vermitteln und zudem zu zeigen, dass Bodyshaming unnötig und fehl am Platz ist. Die Akzeptanz, die sich die Protagonist*innen entgegenbringen, umschließt schlussendlich auch Yadriels Familie, die ihm zu Beginn noch das Ritual ein brujo zu werden, verweigert haben und sich nun öffentlich bei ihm entschuldigen. Was kitschig anmutet, mag für viele Leser*innen in ähnlichen Situationen jedoch durchaus eine Hilfestellung sein, um die eigene Identität nicht (länger) in Frage zu stellen, sondern ganz selbstbewusst den eigenen Weg zu gehen.

Auch auf der Handlungsebene überzeugt Thomas` Roman, obgleich sich hier mehrere Handlungsstränge vereinen, die sich an Figuren binden lassen. An die Familie sind zum einen die Vorbereitungen für den Tag der Toten geknüpft. Hier wird Yadriel immer wieder in Aufgaben eingebunden und es ist vor allem seine abuelita, die ihn immer wieder in kulturelle Traditionen integriert. Zum anderen sind an die Familie auch die Konflikte geknüpft, die Yadriel in der Ausübung seiner geschlechtlichen Identität beeinträchtigen. Seine Großmutter sieht in ihm immer noch das kleine Mädchen, sein Vater kann nur zu einem gewissen Teil anerkennen, dass Yadriel sich als Mann fühlt, während es schließlich sein Onkel ist, der als Außenseiter in der Familie Yadriel so akzeptiert, wie er ist – und in ihm schließlich einen Verbündeten für seine Verbrechen sieht, da er sich schlussendlich als (Fast-)Mörder von Julian und auch Miguel entpuppt. Durch diese Abstufungen der LGBTQ+-Akzeptanz gelingt es dem Autor, generationsgebundene Vor- und Einstellungen und Vorbehalte zu vermitteln, gegen die Yadriel erfolgreich aufbegehrt, in dem er Fakten schafft und seinen eigenen Weg geht, auch wenn dies ohne die Unterstützung der Familie, dafür aber mit der Unterstützung von Santa Muerte geschieht, die ihm den göttlichen Segen gibt und ihn damit zu einem brujo macht.

An Yadriels Onkel ist wiederum die Verkettung der Verbrechen geknüpft. Mittels eines komplizierten Rituals möchte er die Macht über den Familienclan erhalten, die sein Bruder, Yadriels Vater, innehat. Er tötet dazu vier Menschen, darunter Julian und auch Miguel, der den Mord an Julian beobachtet hat. Dass am Ende des Romans alle vier überleben bzw. von den Toten wiedererweckt werden können, ist Yadriel zu verdanken, der durch seine Kräfte als brujo in der Lage ist, die Toten zurückzuholen. Somit gelingt schließlich auch das Happy End zwischen ihm und Julian, denn an Yadriel ist – qua seiner Konzeption als Transmann – die Romanze zu Julian geknüpft, der sich im Laufe des Romans kurz und knapp selbst als homosexuell outet. Während Yadriel sehr zurückhaltend über sein ‚Transsein‘ spricht und auf negative Reaktionen von Julian wartet, reagiert letzterer unerwartet: 

Yadriel war froh, dass Julian sein Gesicht nicht sehen konnte. Seine Wangen brannten. 

„Weil ich trans bin.“

Julian stellte die Füße auf den Boden und hielt abrupt an, wobei er leicht auf dem Stuhl schwankte. „Oh.“ Er schwieg einen Moment. Blinzelte. „Ohhh.“

Schließlich fing Yadriel den Schlafsack, schloss die Hand um das glatte Material und zog ihn heraus. Er drückte ihn sich vor die Brust und drehte sich zu Julian um, wartete auf irgendeine Art von Verurteilung. Lachen vielleicht.

Stattdessen verzog Julian verärgert den Mund. „Das ist echt ätzend, Mann.“

Seine Worte waren geradeheraus. Direkt auf den Punkt. Täuschten nichts vor. (S. 102)

Auch durch diese Äußerungen drückt Thomas Akzeptanz und Respekt aus, zwei wichtige Aspekte, die den gesamten Roman durchziehen. 

Fazit

Aiden Thomas ist mit Yadriel & Julian. Cemetery Boys – der Untertitel verweist auf den Handlungsort, an dem ein Teil der Handlung spielt, die hier nicht nur ihren Anfang, sondern auch ihr glückliches Ende findet – ein Roman gelungen, der auf allen Ebenen überzeugt. Klischees wird begegnet mit realitätsnahen Sorgen, denen sich Menschen der LGBTQ+-Community täglich stellen müssen, so dass hier starke Identifikationsmöglichkeiten für die Leserschaft ab 14 Jahren geboten werden, die zudem noch mit einer anderen Kultur konfrontiert werden, in die sie eintauchen können.

 

[1] https://www.aiden-thomas.com/aiden; letzter Zugriff: 24.11.2023.

Titel: Yadriel & Julian. Cemetery Boys.
Autor/-in:
  • Name: Thomas, Aiden
Übersetzung:
  • Name: Stefanie Frida Lemke
Erscheinungsort: Hamburg
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: Dragonfly
ISBN-13: 978-3-7488-0181-8
Seitenzahl: 400
Preis: 18,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
Thomas, Aiden: Yadriel & Julian. Cemetery Boys