Inhalt

"Der Februar hat alles verändert. Genau genommen war es nur eine Woche, die alles verändert hat" (S. 5) Mit diesen Worten beginnt der Prolog des 94-seitigen Kinderbuchs Fred und ich (2023), das eine Woche aus Annis Lebens schildert. Anni lebt bei ihrer Mutter, die einen Friseursalon betreibt. Am Montag trifft sie beim Besuch einer Bäckerei erstmals auf Fred, der ihr später zum See folgt, in welchem sie gerne eisbadet. Der See ist ihr Zufluchtsort, seitdem ihr Onkel Franz bei einem Autounfall verstorben ist. Zunächst reagiert Anni eher skeptisch und bezeichnet Fred als "sowas von bescheuert" (S. 14), aber es schwingt auch Neugier für Fred mit.

Am nächsten Tag treffen Anni und Fred sich erneut am See. Dieses Mal geht Fred mit ihr Eisbaden und Anni sieht, dass er Boxershorts trägt und Brüste hat. Daraufhin fragt sie "'Wie heißt du?' ‚Fred.' ‚Von Frederike?'" (S. 30-31) Dabei sieht sie Fred dessen Unbehagen an, weshalb sie bei ihrer Rückkehr in die Schule im Informatikunterricht zu recherchieren beginnt und dabei erstmals auf das Wort trans stößt. Zuhause angekommen, recherchiert sie weiter und stellt fest:

Da ist so vieles, das neu für mich ist. Zum Beispiel, dass es Fragen gibt, die ich Fred – falls meine Vermutung stimmt – nicht stellen sollte. Weil sie doof sind, übergriffig oder verletzend. Wie sein Geburtsname lautet, zum Beispiel. Auf welche Toilette er geht. Ob ich mal ein altes Foto von ihm sehen kann. Ob er sich operieren lassen will. Ich mache mir eine Gedankennotiz, um mir alles zu merken. Denn eines ist klar: Ich will Fred weder verletzen noch übergriffig sein. (S. 35)

Auch in den folgenden Tagen treffen sich die beiden am See. Annis Vermutung, dass Fred trans*männlich sei, wird von ihm bestätigt und er erzählt ihr über seine Erfahrungen, die mit der Transition in Verbindung stehen. Diese kann sie durch Freds Erzählungen seiner Erfahrungen in der Schule sowie durch ein Gespräch mit dessen Tante Mona nachvollziehen. Anni reflektiert die Interaktion mit Mona wie folgt: "Ich will nicht zuhören, wie sie mir alles Mögliche erzählt über ein Mädchen, das ich nicht kenne. Ich weiß noch nicht viel, aber ich weiß: Das, was gerade passiert, ist falsch." (S. 68) Nachdem beide über ihre Gefühle reden und sich zunehmend annähern, entwickelt Anni erste Gefühle für Fred, die sie ihm dann später auch gesteht.

Nach einer spektakulären Aktion auf dem Eis, liegt Fred krank im Bett und eröffnet Anni, dass er am Ende der Woche zurück nach Berlin reist. Mit der Abreise und einem Ausblick in Form eines Epilogs endet die Geschichte.

Kritik

Das Buch erzählt eine lesenswerte Geschichte über Freundschaft sowie Annis erste Liebe und führt zugleich sehr einfühlsam in das Thema der Transgeschlechtlichkeit ein. Viele Textpassagen, wie auch die folgende, zeugen von einem für Kinder verständlichen und gleichzeitig (sach-)informativen Duktus des Textes:

Ich lese, dass es nicht immer so einfach ist (Frau oder Mann). Dass mehr als zwei Geschlechter existieren. Dass es etwa Menschen gibt, die beides sind. Oder mal das eine, mal das andere. Oder keins von beidem. Außerdem gibt es Menschen, denen bei der Geburt das falsche Geschlecht zugewiesen wurde. (S. 33)

Mit dieser Textstelle wird in gut lesbarer Sprache die Existenz von Geschlechtsidentitäten abseits der binären 'Norm' und deren Komplexität angedeutet.

Dabei werden im weiteren Verlauf des Romans problembehaftete Momente wie institutionelle Schwierigkeiten, aber auch potenzielle Probleme mit Erwachsenen und Peers, nicht ausgespart, auch wenn durch die Ich-Erzählerin Anni eine grundlegend positive Sichtweise im Vordergrund steht. Doch nicht nur der schulische Kontext, sondern auch die unterschiedlichen Reaktionen der Familie mit Tante Mona und der Vaterfigur werden als Beispiele eingebracht:

"Auch meinem Vater ist am Anfang öfter mein Deadname rausgerutscht. Aber er hat sich immer entschuldigt und korrigiert. Und das ist was ganz anderes, als diesen Namen absichtlich und immer wieder zu benutzen. Als Waffe." […] Der Deadname ist der abgelegte Geburtsname einer trans Person. Der Name, der von Anfang an falsch war. (S. 45f., Hervorhebung im Original)

Durch die unterschiedlich inszenierten Reaktionen und Kontexte wird ein authentisches Bild davon entworfen, was es heißen kann, sich als trans* Person zu sein und dies an die Außenwelt zu kommunizieren.

Auch Trauer und Angst werden in Fred und ich zur Sprache gebracht: Anni erzählt im Roman über den Unfalltod ihres Onkels im Auto seines Freundes und ihre daraus resultierende Angst in Autos und Busse unbekannter Fahrer*innen einzusteigen. Fred behält dies in Erinnerung und versucht ihr Sicherheit zu geben, indem er seine Tante Mona bittet, ihr Wohlbefinden und die damit einhergehende Fahrtüchtigkeit zu bestätigen, bevor beide in ihr Auto einsteigen. Daraufhin begibt sie sich seit dem Unfalltod erstmals in ein Auto und fühlt sich vergleichsweise sicher. (vgl. S. 59)

Fazit

Lena Hachs Fred und ich ist ein sehr empfehlenswerter Roman, der sehr sensibel und authentisch in das Thema der Transgeschlechtlichkeit einführt. Empfehlenswert ist dieses Buch sowohl im Freizeitbereich als auch für die schulische und universitäre Lehre. In einem Blockseminar im Wintersemester 2024/25 war dies eins der beliebtesten Bücher unter den Studierenden. 2024 wurde das Buch in der Kategorie Jugendbuch für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, was die ausdrückliche Leseempfehlung für junge und erwachsene Leser*innen ebenfalls unterstützt. Auf der Verlagsseite wird die Lektüre ab 11 Jahren und somit am Übergang zwischen Grund- und weiterführender Schule empfohlen.

Titel: Fred und ich
Autor/-in:
  • Name: Lena Hach
Erscheinungsort: Weinheim Basel
Erscheinungsjahr: 2023
Verlag: Beltz & Gelberg
ISBN-13: 978-3-407-75719-7
Seitenzahl: 94
Preis: 12,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 11 Jahre
Hach, Lena: Fred und ich