Inhalt

Die Welt ist untergegangen. Ein Sturm brachte einen Säureregen, der zerstörerische Folgen für die gesamte Welt hatte. Die 17-jährige Liz verliert ihre Familie an den Sturm, aber sie selbst überlebt. Weil sie zu Hause nicht bleiben kann, geht sie an den Ort, der ihr als Erstes einfällt: der Buchladen, in dem sie bis zum Tag des Sturms gearbeitet hatte.

Dort ist Liz zwar allein, lebt aber geradezu luxuriös mit einer funktionierenden Wasserleitung, Vorräten und durch Tauschgeschäfte. Denn die Nachfrage nach Büchern besteht weiterhin und so tauscht Liz Bücher gegen nützliche Dinge wie Essen oder Batterien. Eines Tages bricht Maeve, ein Mädchen in Liz‘ Alter, in den Buchladen ein. Die Protagonistin bewaffnet sich mit einer Schmuckausgabe von Anna Karenina, um die Einbrecherin zu vertreiben. Doch die beiden Mädchen handeln einen Deal aus. Maeve darf im Buchladen bleiben, um ihr kaputtes Zelt zu reparieren. Als Gegenleistung muss sie Liz helfen, ihren Buchladen und ihre kleine Bleibe zu optimieren. Denn Gerüchte über einen erneuten Sturm reißen nicht ab und die beiden wollen sich auf die nächste Katastrophe vorbereiten. Über ihre Zweckgemeinschaft hinaus entwickeln sie über die Zeit Gefühle füreinander. Gemeinsam wollen sie den nächsten Sturm überstehen. Als sie von einer skrupellosen Gruppe Überlebender beobachtet werden, gerät ihr geregeltes Leben zusätzlich aus den Fugen. Liz und Maeve müssen schwierige Entscheidungen treffen und Dinge tun, die sie lieber nicht täten. Vor allem aber müssen sie überleben.

Kritik

Mit The Last Bookstore on Earth legt die 19-jährige Autorin Lily Braun-Arnold einen sehr ansprechenden Endzeit-Roman vor. Denn statt eines weiteren heldenhaften Vaters mit neunmalklugem Kind im Schlepptau, wie man sie häufig von klassischen (Zombie-)Apokalypsen und Endzeitfilmen gewohnt ist, stehen hier zwei weibliche Teenagerinnen im Mittelpunkt. Und die sind weder heldenhaft noch neunmalklug und deshalb umso sympathischer.

Braun-Arnold, selbst Fan von Endzeitszenarien und Sci-Fi-Themen, überzeugt mit dem narrativen Balanceakt zwischen dem Ernst der klimatischen Katastrophe und dem Alltag der Jugendlichen. Durch den Einsatz zweier sehr unterschiedlichen Hauptfiguren finden sicher viele Lesende eine Identifikationsfigur. Während Liz im Angesicht der Katastrophe eher resigniert und Pläne schmiedet, ohne sie je umzusetzen, versucht Maeve sofort zu handeln. Sie ist handwerklich begabt, praktisch, lösungsorientiert und motiviert, Probleme anzugehen. Ihr gelingt natürlich nicht immer alles wie geplant, aber sie bleibt nicht tatenlos wie Liz.

Abgesehen von der Figurenkonstellation ist es vor allem die Raumkonstruktion des Buchladens, die die Atmosphäre des Romans prägt. Liz’ Buchladen ist alles, was sie kennt, alles, was sie noch hat, "auch, wenn er auseinanderfällt. Auch, wenn das Dach ein Loch hat, die Tür quietscht und die Dielen verrotten" (S.8). Und Liz lässt den Laden so. Der Staub sammelt sich überall. Auf dem Tresen und den Regalen, die Spinnweben kleben in den Ecken. Natürlich ist Liz auch emotional an den Buchladen selbst gebunden, aber es sind vor allem die Bücher, die ihr Halt geben. "Ich habe im letzten Jahr zweihundertachtundneunzig Bücher gelesen. Jedes Mal, wenn ich merke, dass ich mich in Selbstmitleid oder anderen depressiven Gefühlen suhle, greife ich nach einem Buch." (S. 13.) So empfinden es auch Liz Kunden und kommen nach dem Sturm weiterhin in ihren Buchladen. Sie bedanken sich für "diese kleine Ablenkung an einem tristen Tag" (S. 12).

Im Roman werden in den Gesprächen zwischen den beiden Hauptfiguren und durch Rückblenden aus Liz‘ Leben vor dem Sturm wiederholt die Zukunftsängste der Jugendlichen thematisiert. Besonders anschaulich und berührend drücken sich diese Themen in einem Gespräch zwischen Liz und Maeve aus: "Stell dir vor, wie es gewesen wäre, richtig zu leben, bevor alles den Bach runter ging. Etwas Bedeutendes zu machen". (S.99)

Durch die im Roman verwendete Ich-Perspektive erhält man einen guten Einblick in Liz’ Gefühlswelt, in ihre Gedanken, Ängste und Erinnerungen. Auch der Wechsel zwischen Gegenwart und Rückblenden gibt den Lesenden Aufschluss über Liz‘ Inneres und macht ihre Figur dadurch noch zugänglicher und glaubhafter. Neben dem Plot bietet auch die Sprache den jungen Lesenden zusätzlichen Zugang durch den Einsatz von Ironie und die vielen intertextuellen Hinweise auf die aktuelle (Pop-)Kultur. Maeve nennt Liz zum Beispiel gern scherzhaft Elizabeth Swann und bezieht sich damit auf die Filmreihe Fluch der Karibik. Maeve ist Fan von Fiona Apple und Maeve erinnert Liz optisch an Katniss Everdeen aus Die Tribute von Panem. Liz’ und Maeves absolute Lieblingsserie vor dem Sturm war The 100 (übrigens auch die Lieblingsserie der Autorin Braun-Arnold). Für die Lesenden ergibt sich hieraus die implizite Ironie, dass zwei Fans einer Endzeitserie nun selbst von der Apokalypse eingeholt werden.

Die Rückblenden zu Liz' Leben vor "dem Sturm" geben Einblick in ihre Handlungsmotive und ihre Psyche. So erfährt man zum Beispiel von Liz’ Schuldgefühlen als Überlebende und das macht ihre Ängste und ihren inneren Wandel glaubwürdig. Ergänzt werden die Einblicke in Liz´ Gefühlswelt durch kleine Ausschnitte aus dem Leben anderer Überlebender, die Liz, fast dokumentarisch, in einer Art Tagebuch sammelt. Durch diese verschiedenen erzählten Sichtweisen, bekommen die Lesenden ein besseres Gefühl für die Stimmung in der Welt nach dieser verheerenden Naturkatastrophe. Sie zeigen auch den krassen Gegensatz zu dem normalen Leben, das die Menschen vor dem Sturm lebten. Maeve liest, zum Beispiel, einen Eintrag aus Liz Buch mit den gesammelten Geschichten. Ihre Reaktion zeigt diesen Gegensatz ganz besonders. In dem Eintrag geht es um eine sehr junge, verheiratete Frau die studiert: Ihr Mann macht eine Ausbildung und sie freut sich einfach darüber, dass sie nicht im Wohnheim wohnen muss, sondern jeden Abend zu ihrem Mann nach Hause kommen und mit ihm essen kann.

Maeve kann ihren Blick lang nicht von dem Eintrag losreißen, als würde sie sich die Worte auf der Zunge zergehen lassen. Ich verstehe, warum. Wir haben es nie so weit geschafft. Wir haben es nie bis zum "normalen Leben" geschafft, das uns versprochen wurde (S. 100).

Die junge Autorin, die den Roman während des Corona-Lockdowns geschrieben hat, hat die Zukunftsängste ihrer Generation somit sehr stimmig und nachvollziehbar verarbeitet. Eine Generation, die in einer Zeit der Klimakatastrophe und Orientierungslosigkeit, politischer Unsicherheit und digitaler Überforderung aufwächst.

Besonders spannend und bewegend ist der Gegensatz von innerer Gefühlswelt und äußerem Überlebenskampf der Erzählerin. Lily Braun-Arnolds zeitgemäßer Jugendroman berührt, macht nachdenklich und gibt Hoffnung. Das Ende der Welt ist eben doch nicht das Ende. Mit den richtigen Menschen an der Seite kann man wieder Kraft schöpfen, weitermachen, sein Leben in die Hand nehmen und versuchen, wieder glücklich zu sein.

Fazit

Trotz seines apokalyptischen Settings ist The Last Bookstore on Earth dennoch ein positives Buch. Denn Herausforderungen können wir, wie Liz und Maeve es tun, mit Vertrauen, Freundschaft und Liebe begegnen. Identität, Sinn und Zugehörigkeit helfen, Krisen zu überwinden, und motivieren zum Weitermachen. Liz’ und Maeves Geschichte ist eine Mischung aus Dystopie, Coming-of-Age-Story und zarter Liebesgeschichte. Mit starken Charakteren und einem ungewöhnlichen Setting zeigt der Roman sehr emotional, wie Literatur in den schwersten Zeiten Halt geben kann und wie sich Menschen mit ihren Geschichten Hoffnung geben können. Besonders für junge Lesende ab 14 Jahren eine empfehlenswerte, moderne Climate-Fiction-Lektüre – ehrlich, empathisch und eindrucksvoll erzählt. Wer postapokalyptische Szenarien mag, wird hier definitiv fündig.



Titel: The Last Boostore on Earth
Autor/-in:
  • Name: Lily Braun-Arnold
Originalsprache: Englisch
Originaltitel: The Last Bookstore on Earth
Übersetzung:
  • Name: Mareike Weber
Erscheinungsort: Frankfurt am Main
Erscheinungsjahr: 2025
Verlag: Rotfuchs
ISBN-13: 978-3-7571-0196-1
Seitenzahl: 317
Preis: 16,90 €
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
Braun-Arnold, Lily: The Last Bookstore on Earth