Inhalt

Der Kinder- und Jugendroman Unter Null Grad – Countdown im Eis (2022), der von Ele Fountain geschrieben und aus dem Englischen von Beate Schäfer in die deutsche Fassung übersetzt wurde, ist während des Corona-Lockdowns entstanden. Es handelt sich hier um eine Geschichte, die von dem Überlebenskampf zweier Jugendlicher in der Arktis erzählt und sich darüber hinaus mit den Folgen des Klimawandels für Mensch, Tier und Umwelt auseinandersetzt.

Yutu wohnt mit seiner Großmutter in einer traditionellen Hütte am Rande eines Dorfes in der arktischen Tundra. Er erkennt, dass das Leben in der Arktis wegen des Klimawandels keine langfristige Zukunft mehr hat und träumt von einem Leben in der Großstadt. Doch zuerst will er seiner Großmutter beweisen, dass er gut allein zurechtkommt. Da ihm die alten Traditionen wichtig sind, beschließt er alleine auf Robbenjagd zu gehen. Während der Jagd bricht Yutu im Eis ein und kann sich gerade noch so in eine Holzhütte retten, in der er stark unterkühlt zusammenbricht.

Bee, eigentlich Beatrice, ist schon wieder in eine neue Stadt gezogen. Ihr Vater ist ein gefragter Geologe und arbeitet für einen Ölkonzern. Aufgrund seines Berufes bleibt die Familie meist nicht länger als ein Jahr in einer Stadt. Dieses Mal gestaltet sich der Schulwechsel für Bee besonders und sie hat mit Mobbing zu kämpfen. Doch ein Lichtblick ist in Sicht, denn Bees Vater nimmt sie mit auf einen Erkundungstrip in die Arktis. Kaum sind Bee und ihr Vater am Zielort angekommen, überschlagen sich die Ereignisse und Bee muss flüchten. Sie findet Unterschlupf in einer Holzhütte, in der sie auf einen stark unterkühlten Jungen trifft.

Die beiden freunden sich an und beschließen, sich gegenseitig zu helfen. Auf dem gefährlichen Weg durch die Arktis kämpfen sie ums Überleben. Während sie versuchen, in die Zivilisation zurückzukehren, um Bees Vater sowie die Heimat von Yutu zu retten, rutschen sie von einem Abenteuer ins Nächste und die Jagd nach der Wahrheit beginnt.

Kritik

Das Besondere an Unter Null Grad – Countdown im Eis ist die Erzählweise der Geschichte. Am Anfang des Romans werden die beiden Hauptcharaktere Bee und Yutu in einem episodenartigen Perspektivwechsel, abwechselnd, Kapitel für Kapitel eingeführt, bis sie schließlich aufeinandertreffen und sich die Handlungsstränge vereinen. Ab diesem Punkt wird ihre Geschichte aus gemeinsamer Sicht weitererzählt – bis sich ihre Wege wieder trennen. Dann übernimmt bis zum Ende die Erzählperspektive von Bee. Der gesamte Roman wird aus der Ich- Perspektive erzählt, ist intern fokalisiert und die erzählte Welt ist autodiegetisch. Das bedeutet, dass der Erzähler beziehungsweise die Erzählerin jeweils der Protagonist oder die Protagonistin der Geschichte ist und das Geschehen unmittelbar erlebt. Dadurch erfahren die Leser*innen nur die Dinge, die die Protagonist*innen auch wissen.

Durch das multiperspektivische Erzählen taucht man tief in die Gedankenwelt der beiden Protagonist*innen ein. Man lernt ihre persönlichen Geschichten kennen und bekommt ihre Handlungsmotivation verdeutlicht. Dies macht die Geschichte sehr dynamisch, spannend und abwechslungsreich.

Durch die Gegenüberstellung der Welten, in denen Bee und Yutu leben, bietet das Buch zwei authentische Protagonist*innen mit Identifikationscharakter. Bee hat an ihrer neuen Schule mit Mobbingerfahrungen zu kämpfen. Ihr wird hinterhergesummt, es wird Honig über ihre Bücher im Spind geschüttet (vgl. S. 57) und sie wird auf der Toilette körperlich angegangen und bedroht (vgl. S 89 f.). Während sie nach außen eine starke Persönlichkeit vorgibt, verarbeitet sie innerlich das Erlebte, welches sie emotional verletzt. Dies wird durch ihre Tagebucheinträge, die Gespräche mit ihrer Katze sowie die Bauchschmerzen, die sie in der Arktis durch den Gedanken an ihre Schule verspürt, deutlich (vgl. S. 145). Früher hatte Bee eine beste Freundin, zu der sie aber aufgrund der unzähligen Umzüge den Kontakt verloren hat. Nun bleibt ihr als einzig wahre Freundin nur noch ihre Katze Hester. Kinder und Jugendliche haben vielleicht bereits ähnliche Erfahrungen in Bezug auf einen ständigen Ortswechsel und Mobbing machen müssen und können sich somit mit Bee identifizieren.

Die Lebenswelten von Yutu und Bee stehen im starken Kontrast zueinander und verdeutlichen, wie unterschiedlich die Figuren leben und aufgewachsen sind. Yutu ist sehr fleißig und wird von seinen Freund*innen als Streber bezeichnet. Er lebt, seit er denken kann, in seinem Dorf und hat im Gegensatz zu Bee viele Freund*innen. Yutu strebt einen guten Schulabschluss an und möchte in eine große Stadt ziehen, um dort zu studieren und die Welt zu entdecken.

Der Roman Unter Null Grad – Countdown im Eis beschäftigt sich mit der aktuellen Problematik des Klimawandels sowie seinen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Des Weiteren werden die Ureinwohner*innen Alaskas, die Inuit, ihre Sprache und Traditionen dargestellt, wobei immer wieder ein Bezug zum Klimawandel hergestellt wird. In diesem Zusammenhang wird auch die Habgier und Macht von Ölkonzernen thematisiert.

Durch den Roman von Ele Fountain wird deutlich, dass sich die Folgen des Klimawandels und das Handeln der Ölkonzerne auf Yutus Lebenswelt, die Arktis beziehen. Der Roman wird durch die Geschichte von Yutus Eltern eingeleitet, die aufgrund von unvorhersehbaren Schneestürmen ums Leben gekommen sind: „Das Band zwischen Mensch und Natur ist seit Langem beschädigt. Etwas unvorstellbar Kostbares löst sich auf.“ (S. 11; S. 253). Dieser Satz wird gleich zu Anfang verwendet und am Ende in der Geschichte durch Bee aufgegriffen. Dies unterstreicht die Thematik des Romans, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von Bee und Yutu zieht (vgl. S. 11, S. 253). Themen, die in Bezug auf den Klimawandel immer wieder aufgegriffen werden, sind das Verschwinden der Robben und Karibus, da es wärmer wird und der Permafrost anfängt, zu tauen (vgl. S. 34; S. 189; S. 252). Dadurch kommt es sogar so weit, dass Yutu und seine Großmutter ihr Dorf in der Arktis verlassen müssen. Aufgrund der einfachen Bauweise ihrer Hütte ist diese nicht standhaft genug und droht zusammenzufallen (vgl. S. 252 ff.). Hinzu kommt, dass Unter Null Grad – Countdown im Eis, wie oben benannt, die Habgier und Macht der Ölkonzerne darstellt. Durch die Ölbohrungen, die in der erzählten Geschichte in Yutus Heimat, der Arktis, durchgeführt werden sollen, würde diese als eine der letzten unberührten Landschaften auf der Erde zerstört werden. Die mögliche Ölpest, die mit den Ölbohrungen einhergeht, könnte die Tier- und Pflanzenwelt sowie die Siedlung der Inuit zerstören. In dem Kinder- und Jugendroman wird ganz klar deutlich, dass der Ölgesellschaft, für die Bees Vater tätig ist, der Profit wichtiger ist als die Natur und ihre Lebewesen (vgl. S. 43, S. 246 ff.).

Die thematischen Schwerpunkte sind auch in unserer Gegenwart relevant und regelmäßig in den Medien präsent. Beispiele hierfür sind die globale Erderwärmung, die daraus resultierenden Extremwetter, wie im Juli 2021 im Ahrtal oder auch die Gletscher- und Meereisschmelzen, wodurch es zum Anstieg des Meeresspiegels und zur Vertreibung der Tiere aus ihrem ursprünglichen Lebensraum kommt. Wie in der Geschichte, machen sich auch hier in Europa die Menschen Gedanken und Sorgen um die Zukunft ihrer Heimat an der Küste.

Die Gestaltung des Covers ist nicht passend zur Geschichte gewählt, beziehungsweise hätte es viele Motive, wie beispielsweise eine Holzhütte, Robben, Eisbären oder auch ein Schneemobil gegeben, da diese zentrale Elemente des Romans sind. Zudem hätte das Thema Klimawandel noch prägnanter und dramatischer dargestellt werden können.

Fazit

Der Roman Unter Null Grad – Countdown im Eis von Ele Fountain ein geeignetes Medium für den Unterricht, um das Thema Klimawandel zu thematisieren. Aber auch Themen wie zum Beispiel Freundschaft, Vertrauen, Mobbing, Mut und Habgier werden in dem Buch aufgegriffen. Diese lassen sich ebenfalls im Unterricht aufarbeiten und können eine zentrale Rolle spielen.

Durch die verschiedenen Schwerpunkte bietet das Buch zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten und kann daher viele Kinder und Jugendliche ansprechen.

Die vom Verlag festgelegte Altersempfehlung von 11 Jahren ist passend gewählt. Aufgrund der Thematik des Klimawandels ist ein Vorwissen und eine Reife der Schüler*innen nötig, auch um die Haupthandlung von der Nebenhandlung abzugrenzen. Kinder ab einem Alter von 10 Jahren beginnen abstrakter zu denken – dadurch können sie sich besser in eine andere Person hineinversetzen und Mitgefühl zeigen. In dem Roman ist es wichtig, die Gefühle und Gedanken der einzelnen Figuren nachvollziehen zu können. Auch das Interesse an gesellschaftlichen Themen, wie hier dem Klimawandel und das Verständnis für unterschiedliche Lebenswelten, wie bei den Figuren Bee und Yutu, wird ab einem Alter von 10 Jahren größer. In dem letzten Abschnitt des Buches wird deutlich, dass wir die Welt um uns herum anders betrachten und einfache Dinge wertschätzen sollten. Zuletzt sagt Bee, dass sich etwas unvorstellbar Kostbares auflöst, aber dass es nicht zu spät ist, etwas zu ändern – dieser Satz regt zum Nachdenken an.

Titel: Unter Null Grad – Countdown im Eis
Autor/-in:
  • Name: Ele Fountain
Originalsprache: Englisch
Originaltitel: Melt
Übersetzung:
  • Name: Beate Schäfer
Erscheinungsort: München
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: dtv
ISBN-13: 9783423764117
Seitenzahl: 256
Preis: 15,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 11 Jahre
Fountain, Ele: Unter Null Grad – Countdown im Eis