Inhalt
Jack und seine Mutter gehören als Taschendiebe zur Londoner Halbwelt. Um in die Gauner-"Familie" seines Bezirks, die vom angsteinflößenden Mister Sharkwell geführt wird, aufgenommen zu werden, besteht Jack eine legendäre Prüfung. Er stiehlt einem geheimnisvollen Fremden einen Geldbeutel, prall gefüllt mit Gold, unidentifizierbaren Pulvern und kostbaren Gegenständen. Als Anteil sucht er sich unter anderem eine Pfeife aus, die er seiner Mutter schenken möchte. Auf dem Rückweg versucht er diese scheinbar verstopfte Pfeife zu säubern, und kommt dabei mit einem fürchterlich brennenden Pulver in Kontakt, das seine Hand feuerrot werden lässt und eins seiner Augen verändert: Jack kann von nun an Dinge sehen, die niemand sonst sieht.
Seiner Mutter kann er von der bestandenen Prüfung nicht mehr erzählen: Er findet sie ermordet vor, getötet von einem Magier. Jack schwört Rache. Wie sich herausstellt, ist ausgerechnet der puritanische Hexenjäger Nicholas Webb der Mörder von Jacks Mutter – und natürlich glaubt niemand dem Jungen, dass Webb als Gegner der alten Künste selbst Magie anwandte, um die Frau umzubringen. Mister Sharkwell verbietet Jack sogar, seinen Racheplan in die Tat umzusetzen. Jack wird ein Teil der Familie und führt als Solcher Aufträge aus, die ihn schließlich „undercover“ mit Beth, Sharkwells Enkelin, ins Haus eines weiteren Magiers führen. Jack wird schnell klar, dass dieser Magier – Udolpho – mehr anwendet als reine Taschenspielertricks. Beth sieht das allerdings anders – und als Udolpho schließlich ermordet wird, glaubt jeder, es sei Jacks Verdienst, dessen Ansehen in der Familie dadurch enorm steigt. Jack allerdings hat seine eigenen Schlüsse gezogen und erkannt, dass Nicholas Webb ein perfides Spiel mit ungewissem Ausgang spielt: Er verfolgt offenbar den Plan, alle Magier Londons zu vernichten, indem er ihnen ein Buch mit unkontrollierbaren Beschwörungen zuspielt, deren Durchführung mit einem grausamen Tod endet. Unter der verängstigten Bevölkerung entsteht so ein Klima des Misstrauens gegenüber Magiern, in dem Webb leichtes Spiel hat.
Eher notgedrungen tut Jack sich mit dem Hofzauberer Dr. Dee, dem Spion Kit Morely und dem Dämonen Imp zusammen, um Webb aufzuhalten. Es kommt zu einem Showdown, dessen Ausgang Hinweise zu Folgebänden der Reihe liefert.
Kritik
Der erste Band der Pandämonium-Reihe versetzt den Leser in ein London, das dem unserer Neuzeit nicht unähnlich ist – wären da nicht die Magier, Hexenjäger und mythischen Gestalten. Zwar glaubt Jacks Umgebung eher an Taschenspielertricks und die Macht der Täuschung als an wahre Magie, doch durch die Augen des Protagonisten sieht diese Welt völlig anders aus. Jacks verändertes Auge ermöglicht es ihm, Magie und Dämonen zu erkennen, während die Anderen dies nicht wahrnehmen können. Diese Fähigkeit, die nach außen sichtbar durch ein feuerrotes Mal an der Hand und eine Augenklappe gekennzeichnet ist, markiert ihn als Außenseiter. Viele der Menschen, mit denen Jack Umgang hat, sind von seinem Aussehen und seinen Fähigkeiten verängstigt, womit der Junge umzugehen lernen muss. Implizit wird auch die philosophische Frage aufgeworfen, inwiefern Individuen die Realität genauso wahrnehmen wie "der Rest der Welt".
Eingebettet in den Konflikt zwischen Budenzauber und der Überzeugung, "echte Magie" existiere doch, wird Jack wiederholt mit dem Tod konfrontiert. Nicht nur wird seine Mutter durch Magie von Webb getötet, auch Udolpho findet seinen Tod auf übernatürliche Art und Weise. Jacks erster Partner in der Familie und guter Freund wird gefangen und gehängt, weil Jack bei der Suche nach Webb zu unvorsichtig wird.
In Verbindung mit der Beziehung, die sich zwischen ihm und Beth entwickelt, wird zudem aus Pandämonium eine AgeNarration. Damit tritt der Roman in eine Reihe unterschiedlicher Veröffentlichungen, die die fantastische Reise ihres Protagonisten dazu nutzen, nicht nur sein Abenteuer, sondern auch sein Erwachsenwerden zu beschreiben. Der Protagonist beginnt seine Reise als Kind und beendet sie als junger Erwachsener (oder zumindest gereifter Jugendlicher), der Verantwortung für sich und sein Handeln übernehmen kann.
Die mehrfache Konfrontation Jacks mit dem Tod ihm nahestehender Menschen und die Aufnahme verschiedener Horrorelemente durch die Autoren stehen in ihrer Drastik dabei in Kontrast zu anderen Coming-of-Age-Geschichten im Bereich der Jugendfantasy. Besonders hervorstechend ist hier die Nähe der Horrorelemente zu den Beschreibungen H.P. Lovecrafts, besonders während der Zeit Jacks mit Udolpho: Unbestimmtes Grauen lauert gerade außerhalb des Sichtbaren, irgendetwas bewegt sich in den Zwischenwänden… Die genaue Natur dieses Grauens wird von den Autoren bewusst offen gelassen und bietet Platz für die Imagination des Lesers.
Die Charakterisierung Jacks kann auf ganzer Linie überzeugen: Er ist ein Protagonist, mit dem Identifikation und Mitfiebern leicht fallen. Die übrigen Charaktere allerdings bleiben relativ eindimensional: Beth ist vor allem eine Nervensäge, Sharkwell erscheint angsteinflößend, Webb wird meistens überdramatisch als großer Bösewicht in Szene gesetzt. Dr. Dee, Kit Morely und Imp treten erst relativ spät in der Handlung auf und bleiben flache Figuren, denen wenig Platz zur Entwicklung beigemessen wurde. Imp, auch wenn seine Fähigkeiten durchaus hilfreich erscheinen, tritt mit seinem merkwürdigen Dialekt und mindestens ebenso seltsamen Ideen tritt in besonders spannenden Momenten auf, um kurzfristig die düstere Stimmung aufzulockern und fungiert somit als Comic Relief.
Fazit
Pandämonium ist ein kurzweiliger Fantasyroman, der aufgrund der wiederkehrenden Todesmotivik und Horrorelemente allerdings nicht für ein jüngeres Publikum bestimmt sein dürfte. Insgesamt liest sich der Roman sehr flüssig und hält gekonnt einen Spannungsbogen aufrecht, der auch mit Ende des Bands nicht komplett gelöst ist. Wünschenswert wäre allerdings eine tiefergehende Beschäftigung mit den Charakteren aus Jacks unmittelbarem Umfeld, die einen stärkeren Einfluss auf die Entwicklung des Jungen haben und die im ersten Band flach und mehr als Statisten denn als Handlungsträger erscheinen.
- Name: Prentice, Andrew
- Name: Well, Jonathan
- Name: Ursula Höfker