Inhalt

Mikas Weihnachtsfest hat sich verändert, seit seine Mutter gestorben ist: Der Tannenbaum ist aus Plastik und zusammenklappbar wie ein Regenschirm, sein Vater hat kaum noch Zeit für ihn und überhaupt ist es seltsam ruhig, seit seine Mutter keine Freunde mehr ins Hotel einladen kann, das nun Mikas Vater alleine betreibt. Mika ist traurig und steht allein draußen vor dem Hotel, als ihm ein kleiner Hund ans Hosenbein pinkelt. Der Hund gehört zu Teddy, einem Obdachlosen, mit dem Mika Bekanntschaft macht. Die anfängliche Scheu überwindet er recht schnell und verspricht, beiden am nächsten Tag etwas zu Essen zu bringen.

Gesagt, getan: Mika stibitzt aus der Kühltruhe zwei Würstchen, die er Teddy und dem kleinen Silvester zusteckt. Aus der Begegnung entwickelt sich langsam Freundschaft, die darin mündet, dass Mika Teddy und seinen kleinen Hund heimlich im Hotelanbau übernachten lässt, damit sie es nachts warm haben und nicht in der Kälte nächtigen müssen. Was einmal funktioniert, funktioniert auch ein zweites Mal – nur, dass Teddy auf einmal außer seinem kleinen Hund auch Käthe mitbringt. Und dann steht am dritten Abend zusätzlich der Höfliche Herbert vor der Tür.

Mika kümmert sich um 'seine' Gäste, was zur Folge hat, dass er morgens und eigentlich den ganzen Tag über chronisch müde ist – und sogar in der Schule einschläft. Bis Henry und Fanny, die beiden Hotelangestellten, Wind von der Sache kriegen und schließlich auch noch Mikas Papa auf der Bildfläche erscheint…

Kritik

In ihrem Buch Hotel Wunderbar greift Jutta Nymphius eine Geschichte auf, die – wie sie selbst im Nachwort schreibt – auf Tatsachen beruht: Im Fernsehen habe sie die Geschichte des Brüsseler Hotelbesitzers Ben Ahmed gesehen, der in den Wintermonaten Obdachlose in seinem Hotel kostenlos übernachten lässt. Diese Geschichte habe sie umgewandelt – aus Ben sei Mika geworden –, der Kern sei jedoch derselbe geblieben.

Mut, Weltoffenheit, Heldentum und Menschlichkeit, all dies greift Nymphius auf und webt daraus ihre Geschichte um den Protagonisten Mika, der sich alleine fühlt und mit niemandem reden kann, da sich sein Vater nach dem Tod der Mutter immer mehr verkrochen hat und um das Hotel sorgt. Dementsprechend erschüttert ist er, als er erfahren muss, dass sich Mika Fremden anvertraut hat – Teddy, Käthe und der Höfliche Herbert wissen, dass Mikas Papa kaum noch Zeit hat; sie wissen von früheren Weihnachtsfesten, die viel schöner waren; und sie wissen von Mikas Mama; kurzum: sie wissen von vielen Dingen, die Mika bewegen – und somit mehr über Mika und seine Gefühle als er selbst. Er ist erschüttert, erkennt aber auch sein Fehlverhalten und nimmt sich Mika gar zum Vorbild, als er ganz offensiv seine neuen Gäste im Hotel vor anderen zahlenden Gästen verteidigt – und sich damit hinter Mika stellt. Es scheint, als fände er zurück zu sich und auch zu dem, was seine verstorbene Frau auszeichnete: Weltoffenheit und Gastfreundschaft.

"[…] Aber in jedem Fall", hier zwinkerte Papa Mika aufmunternd zu, "ist unsere Küche das ganze Jahr über für sie geöffnet. Auf den einen oder anderen Teller Suppe und ein paar Würstchen mehr oder weniger kommt es nun wirklich nicht an. […]" Mika nickt glücklich. Nie wieder werden seine Freunde eine eiskalte Winternacht draußen verbringen müssen! […] Papa steht auf und geht zur Tür. "Papa", ruft Mika ihm hinterher. "Ja?" Mika schluckt. "Das hätte Mama gefallen", sagt er. Papa sieht ihn schweigend an. Dann nickt er. "Ja, ich glaube, du hast recht. [sic!] Das hätte Mama gefallen." (S. 122f.)

Neben diesem zentralen Thema der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft wird zugleich der Umgang mit dem Verlust eines Menschen thematisiert. Mikas Papa zieht sich zurück, während Mika eigentlich genau jetzt in der Weihnachtszeit jemanden bräuchte, mit dem er reden kann und dem erklären kann, dass ein Plastikweihnachtsbaum für ihn nicht mehr Weihnachten ist: "Und mit dem echten Baum und den echten Tannenzweig-Girlanden sind bei Mika auch die ganzen schönen, warmen Weihnachtsgefühle verschwunden." (S. 14)

Abgerundet wird das Buch durch eine Spielanleitung für das Spiel "Hase und Jäger", das Mika im Buch immer mit seinem Papa gespielt hat und nun mit Teddy spielt – und vermutlich auch wieder mit seinem Papa spielen wird.

Fazit

Jutta Nymphius ist ein wunderbares Buch für LeserInnen ab 8 Jahren gelungen, das Gastfreundschaft, Mut, Aufmerksamkeit und Wertschätzung anderen Menschen gegenüber in den Mittelpunkt rückt und zeigt, mit welch kleinen Dingen man Großes bewirken und Menschen glücklich machen kann. Ein Buch, das nachdenklich stimmt und hoffentlich zu mehr Menschlichkeit anregt.

Titel: Hotel Wunderbar
Autor/-in:
  • Name: Nymphius, Jutta
Illustrator/-in:
  • Name: Stephan Pricken
Erscheinungsort: München
Erscheinungsjahr: 2016
Verlag: Tulipan
ISBN-13: 978-3-86429-252-1
Seitenzahl: 133
Preis: 13,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 8 Jahre
Nymphius, Jutta: Hotel Wunderbar