Inhalt

Das Buch ist in zwölf Kapitel aufgeteilt, die manchmal nur eine halbe Seite, ein andermal mehrere Seiten lang sind. Fast alle Kapitel tragen eine eigene Überschrift, die darüber informiert, worum es jeweils gehen wird. Kapitel II heißt nur so und gibt eine ganz knappe Zusammenfassung der deutschen Geschichte in der Zeit der Weltkriege vom Beginn des 20. Jahrhunderts, als noch ein Kaiser herrschte. Deutschland hieß damals Deutsches Reich und war wesentlich größer als heute. Auf den Kaiser folgte die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik genannt wurde. Der Text beschreibt, wie eine Demokratie funktioniert, in der alle mitbestimmen. Im Mittelpunkt des Buchs steht aber die Zeit danach, das Dritte Reich, mit dem die Demokratie 1933 beendet wird.

Diese Bezeichnung und andere wichtige Begriffe werden zwischen den Kapiteln geklärt.

Im anschließenden Kapitel erfahren wir, "wie aus Adolf Hitler Adolf Hitler wurde". Es geht um den Jungen Adolf – und auf welche Weise er zum nationalsozialistischen Anführer wurde, der Deutschland von 1933 an regierte und als Ergebnis seiner hasserfüllten Politik einen neuen Weltkrieg begann, der in einer beispiellosen Katastrophe endete.

Das vierte Kapitel informiert über "Hitlers helfende Hände", also die Kumpanen des Diktators, seine Partei NSDAP und seinen Herrschaftsapparat. Danach wird die "Welt in den Augen der Nationalsozialisten" geschildert. Ihnen ging es darum, ihre Gegner zu vernichten. Darunter verstanden sie nicht nur Leute, die politisch anderer Meinung waren, sondern auch Behinderte und Kranke. Der Schwerpunkt in diesem fünften Kapitel ruht auf dem gegen Jüdinnen und Juden gerichteten dem Antisemitismus. Der Vernichtungswille schlug sich nieder in der Ausgrenzung, Vertreibung und massenhaften Ermordung von Teilen der deutschen Bevölkerung, die seit 1933 einer immer brutaleren Verfolgung ausgesetzt waren.

Das sechste Kapitel heißt "Kinder und Schule". Unter dem Diktator Hitler wurde die schulische Bildung dem Nationalsozialismus untergeordnet. Eine regelrechte Abrichtung "zum Arier und Soldaten" erfolgte, wie das folgende Kapitel zeigt, besonders außerhalb der Schule in den Kinder- und Jugendorganisationen der Hitler-Jugend, in der schließlich alle Heranwachsenden Mitglied werden mussten.

Diese und andere Kriegsvorbereitungen mündeten in den Zweiten Weltkrieg mit seinen fast 60 Millionen Todesopfern. 1945, als die militärische Niederlage unausweichlich war, hatten Hitler und seine Anhänger auch die Selbstzerstörung des Deutschen Reiches herbeigeführt. Adolf Hitler brachte sich um.

Die andere "schreckliche Seite des Hitler-Staates" (S. 54) war, wie im neunten Kapitel deutlich wird, die Existenz der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Sie entstanden in Deutschland, fanden ihre furchtbarste Ausprägung aber im von den Deutschen eroberten Nachbarland Polen, im Lager Auschwitz.

Das zehnte Kapitel beschreibt einige "Orte der Erinnerung", vom Holocaust-Museum in Washington über das Anne-Frank-Haus in Amsterdam bis zu den Stolpersteinen, die auf Gehwegen an einzelne Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

Das vorletzte elfte Kapitel ist noch einmal Aussagen von jüdischen Verfolgten vorbehalten – Batsheva Dagan aus Israel und Esther Bejarano aus Hamburg. Die jetzt 95-jährige mahnt, die jungen Deutschen, sie müssten "alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah" (S. 62).

Kritik

Gut gelungen erscheint, dass die Leserinnen und Leser bei ihrem Rückblick auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts buchstäblich an die Hand genommen werden: von dem zehnjährigen Luka, der sich uns im ersten Kapitel vorstellt. Luka, ein Großstadtjunge, der das Internet als Nachrichtenquelle zu nutzen versteht, nimmt uns mit bei seiner Suche nach historischen Informationen.

Ausgangspunkt ist ein Erlebnis Lukas während einer Busfahrt. Dabei hörte er Leute auf Ausländer schimpfen, und einer sagte, man bräuchte wieder einen Adolf Hitler, um mit diesem Problem aufzuräumen. Luka fühlte sich dadurch unangenehm berührt, denn er mag seine Freundin Bao und seinen Freund Mohamad.

Was er im Bus hörte, bringt Luka dazu, selber Nachforschungen anzustellen.  Die Leserinnen und Leser lädt er ein, ihn dabei zu begleiten. Was er herausgefunden hat, schildert er uns in seinen Worten und so, wie er es versteht. So weiß Luka, dass von den Schülerinnen und Schülern in seiner Klasse als einziger Mohamad aus Syrien Krieg und Todesangst am eigenen Leib erlebt hat.

Luka beurteilt das, was er bei seinen Nachforschungen in Erfahrung bringt, aus seinem kindlichen Blickwinkel – nach einem Maßstab, auf dem Freundschaft, Gerechtigkeit und Fairness ganz oben stehen. Große Bedeutung hat für ihn das Miteinander, das er mit seinen Freunden erlebt – ob sie oder ihre Eltern nun in diesem Land geboren worden oder erst später hierhergekommen sind. Solch ein toleranter Umgang miteinander ist aber, wie Luka schon selber weiß, nur möglich, wenn die Menschen in ihrem Zusammenleben einander respektvoll begegnen. Und er versteht nun, dass dies für Kinder vor über 80 Jahren keineswegs selbstverständlich war.

Schülerinnen und Schüler werden sich auch dadurch angesprochen fühlen, dass Kindheit, Jugend, Schule und Unterricht mehrmals behandelt werden – also der öffentliche Bereich, der den Leserinnen und Lesern aus ihrer eigenen Erfahrung am nächsten steht. Diese Vertrautheit mit der Thematik ermöglicht es ihnen, einen einfachen Zugang zu dem historischen Zeitgeschehen zu finden.

Luka schließt seine Nachforschungen im letzten Kapitel nachvollziehbar mit dem, was er für sich selbst daraus gelernt hat. So können wir ebenso wie er überhaupt nicht verstehen, wie man heute noch glauben kann, dass jemand wie Hitler "unser Leben verbessern könnte" (S. 64).

Die Autorinnen erklären Begriffe, die vielleicht nicht allseits bekannt sind, den jungen Leserinnen und Lesern mit einfachen Worten. Zugleich haben sie sich auf das in ihren Augen Wesentliche beschränkt, um Kinder nicht zu überfordern. Erst für die etwas Älteren müsste dann weiter ausgeholt werden, sodass sich auf schwierigere Begriffe wie Lebensraum, Blut und Boden sowie Kommunismus nicht mehr so einfach verzichten ließe.

Beim Korrekturlesen hat man leider übersehen, dass Lukas (chinesische) Freundin Bao später als Boah erscheint (64). 

Fazit

Das Buch ist durchaus zu empfehlen für Kinder ab zehn Jahren, wozu auch das strapazierfähige, in wechselnden Farbtönen gehaltene Papier und die vielen eingestreuten Illustrationen von Ulrike Kömpe beitragen. Von dem rothaarigen, offenen, neugierigen und stets sympathisch wirkenden Fünftklässler Luka lässt man sich gerne auf seine Zeitreise mitnehmen, die Antworten gibt auf die Frage nach den Taten von Adolf Hitler.

Als allererster Einstieg in ein Grundverständnis des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte ist das Buch geeignet. Die Autorinnen holen die Kinder dort ab, wo sie sich befinden, ohne die etwa Zehnjährigen übermäßig zu beanspruchen. Sie verstehen am Ende, dass damals jüdische und andere Deutsche von Nazis verfolgt und ermordet wurden. Heute nehmen sie wahr, dass eine lautstarke Minderheit gegen Menschen hetzt, die als Geflüchtete und Migranten hier leben. In der nationalistischen Propaganda werden sie als Bedrohung für unser Land hingestellt. Doch sind nicht sie es, die unsere Lebensweise infrage stellen, sondern die Nationalisten selber.

Titel: Warum Jungs heute nicht mehr Adolf heißen. Was ich schon immer über die Nazi-Zeit wissen wollte
Autor/-in:
  • Name: Hördler, Nicole
  • Name: Jacobeit, Sigrid
Illustrator/-in:
  • Name: Kömpe, Ulrike
Erscheinungsort: Berlin
Erscheinungsjahr: 2020
Verlag: Metropol Verlag
ISBN-13: 978-3-86331-505-4
Seitenzahl: 68
Preis: 12,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
Hördler, Nicole und Jacobeit, Sigrid: Warum Jungs heute nicht mehr Adolf heißen. Was ich schon immer über die Nazi-Zeit wissen wollte