Inhalt

Nun ist er da, der dritte und letzte Band der Winterhaus-Trilogie, deren ersten beiden Bände mit verschrobenen Figuren und ansprechender Raumsemantik ihre Leserinnen und Leser in eine weihnachtlich-winterliche Welt entführt haben (siehe Rezension zu Die Geheimnisse von Winterhaus). Es mag einigermaßen überraschen: Diesmal ist nicht Weihnachten, sondern Ostern, aber Schnee liegt trotzdem reichlich, denn sonst wäre Winterhaus ja nicht Winterhaus. Seit dem letzten Abenteuer, das Elizabeth im Hotel ihres Großvaters Norbridge erlebt hat, sind nur wenige Monate vergangen. Nun sind Osterferien, und die gewitzte, sprachaffine Protagonistin freut sich, ihren Freund Freddy wieder im Winterhaus begrüßen zu können. Erstaunlicherweise kommt er diesmal mit seinen Eltern, womit niemand gerechnet hatte, da Freddy stets betonte, sie würden sich nicht um ihn scheren. Doch da hat Elizabeth einen anderen Eindruck, die beiden erscheinen ihr sogar sehr nett. Selbstverständlich sind Freddy und seine Eltern nicht die einzigen Hotelgäste, unter anderem reisen auch Mr. Wellington und Mr. Rajput wieder an, die beiden Herren, die während der ersten beiden Bände die ganze Zeit in der Lobby saßen und an einem 35.000 Teile umfassenden Puzzle arbeiteten, das einen großen blauen Himmel zeigt. Nun sind sie von der Idee besessen, das Puzzle endlich bis Ostern fertigzustellen und verfallen diesbezüglich in einen wahnsinnigen Ehrgeiz. So sind das Figurenarsenal und das Setting wieder komplett, die Kulisse bereit, um das letzte Abenteuer von Elizabeth zu erzählen, das sie mit Freddy im Winterhaus erlebt. Diesmal müssen sie im Hotel drei geheimnisvolle Gegenstände suchen. Wer diese findet, hat drei Wünsche frei. Denn im Winterhaus ist bekanntlich auch immer eine Prise Zauberei und Magie im Spiel. Hinzu kommt nun noch der Referendar Hyrum, der Elizabeth unterrichtet und sich schließlich aber als weiteres Mitglied der Falls-Familie entpuppt. 

Ebenso wie sich nun das fulminante Puzzle zusammensetzt, findet Elizabeth in diesem Band die letzten Teilchen, die das Geheimnis ihrer Familie ausmachen, das sie entschlüsselt. Ein letztes Mal kehrt die böse Gracella als Geist ins Hotel zurück, aber Elizabeth trotzt ihr und ihren gleichsam magischen wie hinterhältigen Angeboten. Stattdessen hilft sie, das Puzzle zu vollenden und auch dabei ihrer Freundin Elana, die in Band 2 in eine uralte Frau verwandelt worden war, ihre Jugendlichkeit zurückzugeben. Darüber hinaus stellt sich Elizabeth entscheidenden Entwicklungsaufgaben und beschließt, der Aufforderung von Norbridge nachzukommen und eines Tages die Leitung des Hotels zu übernehmen, wovor sie sich bislang sehr gefürchtet hatte. Doch nun fühlt sie sich bereit für die große Verantwortung. Das gute Ende der Trilogie wird perfekt, als sie einen Brief von Onkel und Tante erhält, die ihr vor ihren Winterhaus-Zeiten so übel mitgespielt hatten. Auch sie haben einen Entwicklungsprozess durchlaufen und entschuldigen sich dafür, wie sie ihre Nichte jahrelang behandelt haben. So eröffnet sich für Elizabeth eine verheißungsvolle Zukunftsperspektive, denn das Ende der Trilogie ist für die Protagonistin nicht das Ende, sondern ein großer Neuanfang: Die Geheimnisse sind gelüftet, die Magie von Winterhaus aber bleibt bestehen.

Kritik

Die Winterhaus-Bücher sind insofern wirklich etwas Besonderes, als sie von einer Liebe zum Detail leben, die sich vor allem in den atmosphärischen Hotel-Beschreibungen zeigt, sowie den Sprachspielen, die alle drei Romane durchziehen. Da wird immerzu wild aus erfundenen Büchern zitiert, aus Kapitelüberschriften bilden sich raffinierte Annagramme und der eindeutig schönste und atmosphärisch am dichtesten semantisch aufgeladene Raum ist die Bibliothek, in der Elizabeth voller Leidenschaft der Bibliothekarin Leona hilft. Alle drei Romane lesen sich wie eine kinderliterarische Hommage an Sprache und Dichtkunst, die vor allem literarisch affinen Kindern zugänglich sein dürfte. In dieses Setting fügt sich nun passgenau die neu auftretende Figur Hyrum ein, der sich später als Cousin der Protagonistin entpuppt. Parallel zu seinem Referendariat in der Schule schreibt er an seiner "Abschlussarbeit für die Universität, und zwar über Märchen, genauer gesagt, über alte Märchen" (S. 73). Damit referiert er innerfiktional auf das, was der Text entwirft: Das Winterhaus und seine Figuren sind ein Märchenschloss, in dem intertextuelle Spuren ausgelegt werden zu allen erdenklichen Texten, die aber nur implizit markiert sind, denn die Bücher, von denen Elizabeth, Leona und Hyrum schwärmen, tragen allesamt fiktive Namen. Im Hotel verdichtet sich die Intertextualität zu einem Raum voller winterlicher Heimeligkeit und Literarturliebe, für den figuralen Neuzugang Hyrum gibt es "keinen besseren Ort auf der Welt" (S. 25):

"Die Lobby des Hotels Winterhaus war so riesig und so elegant, dass Elizabeth jedes Mal beim Hereinkommen beeindruckt war, obwohl sie mittlerweile täglich mehrmals hier durchging. Die Kandelaber, die glänzend polierten Holzpaneele, der dicke weiche Teppich mit dem Rautenmuster, die Gemälde und Elchköpfe an den Wänden, die sanfte Musik des Streichquartetts aus den Lautsprechern und das Aroma von Feuerholz, gemischt mit dem zuckersüßen Duft des weltberühmten Winterhaus-Konfekts, der 'Flurschen'. All das verzauberte Elizabeth immer wieder aufs Neue“"(ebd.)

- und mit ihr die Leserinnen und Leser, wobei eingeräumt sei, dass mit dem dritten Band eventuelle Ermüdungserscheinungen einhergehen könnten. Zwar lösen sich die im ersten Band angelegten Geheimnisse hier alle auf und führen die Abenteuer an ihr gutes Ende, und auch das Puzzle der beiden Herren wird vollendet, doch letztlich bietet der dritte Teil auch nicht mehr viel Neues. Vielmehr knüpft er konsequent an das im ersten Buch entworfene Setting an und führt die Handlungsstränge fort. Seltsamerweise bleibt offen, was aus Freddy und seinen Eltern wird, und es wird auch nicht erzählt, woran die Figurenbeziehungen in der Vergangenheit krankten. Ob hier doch noch Potenzial für eine Fortführung der märchenhaften Familiensaga liegt?

Fazit

Der dritte Band von Winterhaus hält das, was er verspricht. Er führt die Geschichte von Elizabeth im zauberhaften Hotel an ihr (gutes) Ende. Wer die ersten beiden Teile gelesen hat, sollte auch das Finale nicht versäumen. Jedoch geht die größte erzählerische Faszination vom ersten Band aus, denn hier waren Räume, Figuren und Sprachspiele neu und ungewöhnlich, in den Fortsetzungen werden diese liebevoll aufgegriffen, aber nicht erneuert. Viellesende Kinder ab 10 Jahren dürften trotzdem ihre Freude haben. Die Rätsel sind gelöst, und es schneit weiter dichte Flocken – Sommer darf es im Winterhaus niemals werden!

Titel: Die Magie von Winterhaus
Autor/-in:
  • Name: Guterson, Ben
Originalsprache: Englisch
Originaltitel: Winterhouse mysteries
Übersetzung:
  • Name: Alexandra Ernst
Illustrator/-in:
  • Name: Chloe Bristol
Erscheinungsort: Stuttgart
Erscheinungsjahr: 2020
Verlag: Freies Geistesleben
ISBN-13: 9783-7725-2893-4
Seitenzahl: 411
Preis: 20,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
Guterson, Ben: Die Magie von Winterhaus