Inhalt

Der Ich-Erzähler Omar "mag es gar nicht, wenn sich Dinge verändern. Es wäre so viel besser, wenn alles immer genauso bliebe, wie es ist" – genau wie sein alter gemütlicher Schlafanzug (S. 23). Stattdessen ist er mit seiner Familie umgezogen, Umzüge sind "super mega nervig hoch 100" (S. 25, Hervorhebung im Original), da seine Mutter, eine Wissenschaftlerin – sein Vater ist nebenbei bemerkt auch Wissenschaftler, ihren Traumjob gefunden hat: "Träumten Erwachsene etwa total langweilig über Jobs?" (S. 24) Zwar finden er, seine große Schwester Maryam und sein kleiner Bruder Esa das neue Haus "supermegacool" (S. 27), wäre da nur nicht ihre Nachbarin, die "schreckliche Mrs Rogers" (S. 83), die die muslimische Familie kritisch und feindselig beäugt. Außerdem bereitet ihm die Aussicht auf die neue Schule Bauchschmerzen: Was, wenn er keine neuen Freunde findet? Was, wenn die neue Lehrerin sich als "ALIEN ZOMBIE" entpuppt (S. 29, Hervorhebung im Original)? Auch wenn sich diese Ängste schnell als unbegründet herausstellen, ist da noch sein Mitschüler Daniel, der Omar offensichtlich nicht leiden kann und ihm droht: "Geh zurück in dein Land, bevor wir euch alle rausschmeißen." (S. 97) Es scheint, als sollte Omar mit seiner Vermutung Recht behalten: "ICH SCHEINE ÄRGER ANZUZIEHEN WIE EIN MAGNET." (S. 166, Hervorhebung im Original). Gut, dass Omar lernt, in schwierigen Situationen über sich hinauswachsen und ein Held zu sein – was ihm voll und ganz gelingt (vgl. S. 178).   

Kritik

"I wrote these books because I think books are a good way to create intercultural empathy trough stories and perhaps a little bit of humor", so die Autorin Zanib Mian in einem Videostatement über ihre Schreibintention bezüglich der Planet Omar-Reihe (Zanib Mian, 2020). Sie erläutert weiter, dass es ihr als pakistanischstämmiger Muslima wichtig sei, zum interkulturellen Verständnis beizutragen, da dies die Grundlage für die Entwicklung für Empathie sei (ebd.). Und das ist ihr unzweifelhaft gelungen. Dass von Verlagsseite explizit darauf hingewiesen wird, dass "Autorin und Illustratorin […] selbst muslimischen Hintergrund" haben (Loewe-Verlag), spricht dafür, dass die Themen Migration und das Angehören einer religiösen Minderheit zentrale Motive in Planet Omar sind. Dies spiegelt sich auch in Antonia Bauers Bemerkung auf Spiegel Online wider, der durchaus zuzustimmen ist: "Es ist eines der ersten Bücher mit einem muslimischen Superhelden – das wurde auch Zeit." (Bauer, 2020)

Allerdings kann diese Einschätzung noch erweitert werden, da es der Autorin gelungen ist, mit Omar einen sympathischen und liebenswerten Protagonisten zu erschaffen, der kleinen und großen Leserinnen und Leser ungeachtet des kulturellen und religiösen Hintergrundes ein großes Identifikationspotential bietet, was auch an der Widmung deutlich wird: "Dieses Buch ist allen Kindern gewidmet, die schon einmal das Gefühl hatten, anders zu sein wäre etwas Schlechtes." (S. 3) Augenscheinlich ist Omar noch dabei herauszufinden "was kulturell zum 'Eigenen' gehört" und was nicht (Lukas 2020, S. 146). Er ist daher noch dabei, das Spannungsfeld zwischen den eigenen kulturellen und religiösen Bräuchen und dem Unverständnis, dem er und seine Familie seitens der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft begegnet, auszuloten. So fragt er sich beispielsweise, als er von seiner Mutter daran erinnert wird, seine Duas (Bittgebete) zu sprechen "ob andere Leute die lautlosen Lippenbewegungen sehen und glauben, Muslime würden jemanden heimlich verzaubern oder Selbstgespräche führen?" (S. 73) Der antimuslimischen Ablehnung begegnet er einerseits mit einer Mischung aus kindlichem Unverständnis und Humor, etwa als er sich mit seiner großen Schwester Esa darüber amüsiert, dass "Nicht-Muslime bestimmt glauben würden, Musliminnen hätten ihr Kopftuch DEN GANZEN TAG auf. […] Sie denken bestimmt, dass Mama damit schläft und damit duscht und damit ihr Frühstück isst", was dazu führt, dass die beiden sich „siebeneinhalb Minuten lang kaputt“ lachen und Omar schließlich „vor Lachen“ sein Essen "über den ganzen Tisch" spuckt (S. 164f., Hervorhebung im Original).  Andererseits lösen die Ressentiments, vor allem von Mrs Rogers berechtigte Wut bei ihm aus, etwa als er sie am Telefon sagen hört "die Moslems rösten wieder stinkende Zwiebeln", was er folgendermaßen kommentiert:

Ich weiß, dass es bei der Zubereitung von Biari stark riecht, aber jetzt IM ERNST, es ist so lecker. Das ist es wert! Aber so, wie Mrs Rogers uns behandelte, konnte ich nicht fassen, dass Mama nett zu ihr war. (S. 84, Hervorhebung im Original)               

Durch seinen Mitschüler Daniel wird er mit explizitem Rassismus konfrontiert, als dieser ihm sagt:

Ich weiß das Schlimmste über dich. DU BIST MOSLEM. Ich habe deine Mutter gesehen. Sie sieht wie eine Hexe in Schwarz aus. Geh zurück in dein Land, bevor wir euch alle rausschmeißen. (S. 97, Hervorhebung im Original)

Omar reagiert hierauf verstört und hilflos und weiß nicht, wem er sich anvertrauen kann. Als er schließlich seinen etwas älteren Cousin darüber befragt, erzählt dieser ihm, dass Daniel recht habe: "Alle Muslime würden aus dem Land geworfen werden und einen DRITTEN WELTKRIEG würde es wahrscheinlich auch geben." (S. 110, Hervorhebung im Original) Selbstverständlich ist dies für Omar alles andere als beruhigend, vor allem die Aussicht seine Heimat England verlassen und in Pakistan leben zu müssen:

Mir war schlecht, ich mochte nicht an einem fremden Ort leben. Die fünf Schokoriegel, die wir heimlich mit ins Bett genommen und gegessen hatten, wollten unbedingt wieder hochkommen. (S. 111)

Durch die warmherzige und hilfsbereite Art von Omars Familie und Omars Heldentat als er zusammen mit Daniel während dem Klassenausflug verloren geht, überdenken Mrs Rogers und Daniel schlussendlich ihre Vorurteile und es entstehen Freundschaften. Hierin liegt, wenn man so will, die einzige Schwachstelle des Romans: Die Vertreterinnen und Vertreter der Mehrheitsgesellschaft werden erst durch positive Beispiele extrinsisch dazu motiviert, ihre Ressentiments abzulegen, was im Umkehrschluss die Botschaft vermitteln kann, dass die Marginalisierten nur durch ihren Einsatz und Anstrengung von der Mehrheit akzeptiert werden und nicht einfach für das, was sie sind.        

Fazit

Spätestens seit Jeff Kinneys Romanreihe Gregs Tagebuch scheinen Comic-Romane, von Verlagsseite auch als "Scribble-Romane" beworben, auf dem Kinderbuchmarkt en vogue zu sein. Aufgrund der Tagebuch-Erzählform ist der Vergleich zwischen den Reihen Planet Omar und Gregs Tagebuch natürlich naheliegend: Während in Gregs Tagebuch, die Figuren auf praktisch jeder Textseite auch bildlich in Erscheinung treten, sind Nasaya Mafaridiks Illustrationen in Planet Omar 1 - Nichts als Ärger im Vergleich eher kaligrafischer Art, indem oftmals lediglich Schlüsselworte oder -sätze grafisch hervorgehoben werden. Durch die Mischung aus unterhaltsamen Alltagsabenteuern, fantasievollen Beschreibungen und einem sympathischen Helden, in Kombination mit 'ernsten' gesellschaftspolitischen Themen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie, die auf kindgerechte Weise dargestellt werden, ist Planet Omar 1 für Kinder ab 8 Jahren sehr empfehlenswert – und man ist gespannt auf die nächsten Teile der Reihe.      

Literatur

Titel: Planet Omar - Nichts als Ärger
Autor/-in:
  • Name: Mian, Zanib
Originalsprache: Englisch
Originaltitel: Accidental trouble magnet
Übersetzung:
  • Name: Ann Lecker
Illustrator/-in:
  • Name: Nasaya Mafaridik
Erscheinungsort: Bindlach
Erscheinungsjahr: 2020
Verlag: Loewe
ISBN-13: 978-3-7432-0769-1
Seitenzahl: 224
Preis: 9,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 8 Jahre
Mian, Zanib: Planet Omar 1 – Nichts als Ärger