Inhalt

Die Eltern des zwölfjährigen Felix haben sich scheiden lassen, Felix ist mit seiner Mutter in die Stadt gezogen. Die neue Schule ist eigentlich ganz ok. Nur der Matheunterricht bereitet Felix Probleme, und nicht nur ihm.

Schwungvoll wurde die Tür aufgerissen und sie betrat den Raum. Augenblicklich herrschte Ruhe. Kein Lehrer schaffte das, nur Frau Schmitt-Gössenwein. Vor dieser Frau hatten einfach alle Angst (S. 21).

Frau Schmitt-Gössenwein hatte die unangenehme Angewohnheit, urplötzlich hinter einem aufzutauchen, das Heft wegzureißen, es sich ganz nah an die Augen zu halten, um dann höhnisch aufzulachen. Nie erfuhr man, was nun falsch war oder ob sich ihr Spott nur auf die krakelige Schrift bezog (S. 23).

Am letzten Tag vor den Ferien bekommt die sechste Klasse die Mathearbeit zurück – und Felix wird mit einer 6 bedacht, obwohl er immerhin drei Aufgaben richtig gerechnet hat. Seine Versuche, doch noch eine 5 zu erhalten, scheitern. Stattdessen muss er auch noch die Tafel putzen. "'Alte Hexe', murmelte [er]. 'Böse alte Hexe.'" (S. 26) Doch ausgerechnet das hört Frau Schmitt-Gössenwein und droht Felix mit Tadel, Direktor und Schulverweis. Felix will sich das gar nicht anhören:

Während sie weiterkeifte, ließ ich sie einfach kleiner werden. Jetzt ging sie mir nur noch bis zur Schulter, dann bis zum Bauch. Dabei hielt sie sich an meinem Ärmel fest und schimpfte wie ein Rohrspatz. Nun reichten ihre Füße nicht mehr auf den Boden. Wie eine Klette hing sie an mir dran, dabei schrumpfte sie weiter. Jetzt war’s genug. Ich blinzelte ein paarmal in der Erwartung, sie würde nun wieder ihre alte Gestalt annehmen. Aber das geschah nicht (S. 27).

Vor Schreck steckt Felix seine Mathelehrerin in seine Jackentasche und nimmt sie mit nach Hause, wo er sie in den Käfig seines toten Hamsters steckt, damit sie nicht einfach verschwinden oder seiner Mutter über den Weg laufen kann. Seine Versuche, die Mathelehrerin wieder in ihre Normalgröße zu verwandeln, scheitern zunächst.

Im Hamsterkäfig steht noch ein kleines Schloss, in dem sich nun Frau Schmitt-Gössenwein häuslich einrichtet – und es immer noch schafft, Felix zu terrorisieren. Bei der Suche nach einem Gegenmittel entdeckt Felix aber auch neue Seiten an der Mathelehrerin: Sie flucht ungeniert, klettert in Felix' Ritterburg, die auf seinem Schrank steht, und düst in seinem ferngesteuertem Bugatti durch das Kinderzimmer:

Ich stand auf, ging zum Regal und holte meinen Bugatti herunter. Ein roter Bugatti Typ 55, ein Traum von einem Auto. Natürlich nur das Modell. Aber ferngesteuert. Schmitti ging zu dem Wagen, öffnete die Tür, setzte sich hinein und sagte: 'Na, dann mal los!" Ich nahm die Fernsteuerung und ließ das Auto langsam geradeaus fahren. 'Geht’s vielleicht etwas schneller?' (S. 67).

Und Felix lässt sie schneller durch das Kinderzimmer brausen – und anschließend in seinem gebastelten Ballon durch Zimmer schweben: "Ich entdeckte völlig neue Seiten an meiner Mathematiklehrerin. Wer hätte gedacht, dass sie so abenteuerlustig war?" (S. 69).

Doch trotz aller neuen Seiten, Frau Schmitt-Gössenwein muss ja ihre normale Größe wiederbekommen, damit sie nach den Ferien wieder unterrichten kann. Auf der Suche nach Hilfe erfährt Felix unerwartet Hilfe von seiner Klassenkameradin Ella und stößt auf das Geheimnis der magischen Verwandlung: Bevor er die verhasste Mathelehrerin hat schrumpfen lassen, hat er eine verzauberte Katze gestreichelt (vgl. S. 19f.), die sich als verwunschene und ebenso verhasste Latein-, Griechisch- und Geschichtslehrerin Hulda Stechbarth entpuppt (vgl. S. 185ff.). Auf dem Turm der Schule erfährt Felix, dass einer ihrer Schüler sie vor über hundert Jahren verflucht und ihr die Gestalt einer schwarzen Katze zugedacht hat, bis ein anderer Schüler seine Lehrerin ebenso hasst. Erst dann werde Hulda Stechbarth erlöst.

Die Geschichte löst sich auf: Felix wird vom Hausmeister vom Turm gerettet, gleichzeitig aber vom Gefühl überwältigt, zu fallen - er wird ohnmächtig. Schließlich erwacht er zu Hause bei sich im Bett: Er hat Scharlach und fast 48 Stunden geschlafen.

Nach den Ferien trifft Felix auf Frau Schmitt-Gössenwein – in Normalgröße, aber mit neuer Aktentasche und etwas umgänglicher als vor den Ferien.

Kritik

Auf inhaltlicher Ebene greift das Buch viele Themenkomplexe auf, die dem Leser bekannt vorkommen werden: Zunächst wird auf der Ebene der familiären Struktur der Protagonist Felix als Scheidungskind eingeführt, der bei seiner Mutter lebt, aber an den Wochenenden bei seinem Vater wohnen kann. Die Familienverhältnisse, die hier nachgezeichnet werden, sind keine Seltenheit mehr, sondern fast alltäglich und dem Leser, wenn auch nicht vertraut, so zumindest aber bekannt. Bedingt durch die Scheidung musste Felix umziehen und in eine neue Schule gehen. Auch das ist eine Situation, in die sich ein Leser einfühlen kann. Der dritte Themenkomplex, der wahrscheinlich die größte Identifikationsmöglichkeit bietet, ist der gehasste Matheunterricht. Der Leser wird diese Situation deutlich nachfühlen können: Wem ist es nicht schon einmal so ergangen, dass er vor den Augen seiner Mitschüler verzweifelt an der Tafel hat stehen und Aufgaben hat rechnen müssen. Und schlussendlich geht es auch um Empathie und darum, dass man, wenn man einen Menschen besser kennenlernt, auch unbekannte Seiten entdecken kann.

Diese Identifikationsmöglichkeiten, die dem Leser geboten werden, lässt die Autorin auf der Ebene der Narration wirksam werden: Felix erzählt als autodiegetischer Erzähler seine Geschichte, das erzählende Ich blickt somit retrospektiv auf das erlebende Ich zurück (vgl. dazu Lahn/Meister (2008), S. 69f.). Das Geschehen, das Felix schildert, ist phantastisch: Er schrumpft die verhasste Mathelehrerin und macht damit wahrscheinlich Leserträume wahr. Innerhalb von Felix‘ real-fiktiver Welt läuft somit eine phantastische Verwandlung ab (vgl. Gansel (2010), S. 145), die damit den Einbruch des Phantastischen in Felix reale Welt markiert.

Ob Felix das Geschehen tatsächlich erlebt oder doch nur geträumt hat, bleibt der Deutung des Lesers überlassen. Zahlreiche Hinweise deuten an, dass Felix in der Tat nur träumt und das Geschehen imaginiert hat, was er zu Beginn der Handlung auch zugibt: "Ich habe keinen Beweis, nicht einen einzigen. Dabei hätte ich nur mal zur Digitalkamera […] greifen und ein Foto oder auch zwei machen müssen. Aber Fotos kann man manipulieren […]. Nein, auch ein Foto wäre kein Beweis gewesen. […] Ich habe beschlossen, alles aufzuschreiben. Tag für Tag, Stunde für Stunde. Vielleicht kann ich dann entscheiden, ob alles nur ein Traum war oder Wirklichkeit" (S. 6). Unterstützt wird das traumhafte Geschehen durch die Tatsache, dass Felix am Höhepunkt der Geschichte – er ist mit Hulda Stechbart und Frau Schmitt-Gössenwein auf dem Turm der Schule – ohnmächtig wird und in seinem Bett mit Scharlach erwacht (vgl. S. 201). Er scheint zu fantasieren. Die Handlung scheint aber auch zu schön zu sein, als das sie wahr sein könnte. Und doch kommt Felix zu dem Ergebnis, dass sein Erlebnis wahr sein muss, denn nach den Ferien "[ist] Schmitti […] umgänglicher geworden. Nicht richtig nett […]; nur weniger schrecklich" (S. 229). Es bleibt dem Leser überlassen, ob er Felix Glauben schenken und die Geschichte als wahr ansehen möchte, oder ob er die Erzählung als Phantasie ansieht.

Fazit

Sabine Ludwig ist es gelungen, ein alltägliches Problem amüsant, unterhaltsam und kurzweilig darzustellen und eine phantastische Lösung zu präsentieren, die sich wohl auch jeder Leser im Laufe seiner Schulzeit wünschen wird – oder auch schon gewünscht hat. Doch neben dem 'Matheproblem' geht es auch noch um etwas anderes, nämlich darum, dass mehr hinter einem Menschen steckt, als man von außen sehen kann. Der Leser wird mit der Geschichte nicht nur unterhalten, sondern ihm wird auch die Fähigkeit zur Empathie nahegebracht – selbst wenn es manchmal schwer fällt.

Literatur

  • Gansel, Carsten: Moderne Kinder- und Jugendliteratur. Vorschläge für einen kompetenzorientierten Unterricht. 4. Aufl. Berlin: Cornelsen, 2010.
  • Lahn, Silke/Meister, Jan Christoph: Einführung in die Erzähltextanalyse. Stuttgart/Weimar: Metzler, 2008.
Titel: Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft
Autor/-in:
  • Name: Ludwig, Sabine
Erscheinungsort: Hamburg
Erscheinungsjahr: 2012
Verlag: Oetinger-Verlag
ISBN-13: 978-3-8415-0016-8
Seitenzahl: 232
Preis: 7,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 6 Jahre
Ludwig, Sabine: Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft