Inhalt
Wir, Familie, Freundschaft, Gemeinschaft, Liebe: Das sind die fünf Themenkreise, zu denen die Kinderphilosophin Eva Stollreiter die Gedanken neun- bis elfjähriger Kinder gesammelt und zu dem Band Wir. Kinder philosophieren über unser Miteinander arrangiert hat.
Entstanden sind diese kinderphilosophischen Reflexionen über das Miteinander im Rahmen von sechs Gruppengesprächen im Jahr 2019 und 2020, organisiert vom Berliner Verein „Die kleinen Denker. Philosophieren mit Kindern e.V.“, dem Stollreiter vorsteht.
Die Autorin hat die dort geführten Gespräche protokolliert und die kindlichen Gedanken zu diskursiven Arrangements ausgebaut (vgl. Abb. 1). Jedes Kapitel schließt mit einer Art Zusammenfassung, die auf einer Seite noch einmal die wichtigsten Gedanken resümiert (siehe Abb. 2). So kreist das Kapitel „Wir. Das Ich, das Wir, die Welt“ vor allem sprachphilosophisch um die Implikationen des Worts („Es gibt mehrere Arten von Wir.“; „Tote Dinge können kein Wir bilden“; „Jeder von uns besteht aus vielen Teilen. Ist jeder von uns ein Wir?“), während das Kapitel „Liebe. Im Herzen und anderswo“ Formen der Liebe nachspürt, nach Bedingungen für die Entstehung und die Aufrechterhaltung von Liebe fragt und nach Orten der Liebe sucht.
Ästhetisch verknüpft werden die Gedanken von den digitalen Tuschezeichnungen Katrin Stangls, die überwiegend Menschen in zu den jeweiligen Gedanken passenden Konstellationen zeichnet. Die flächigen, saturierten Farben in Retrooptik färben auch die ansprechende Aufmachung des Hardcoverbands (Layout, Satz und Umschlaggestaltung von Anja Neuefeind).
Kritik
Kinderphilosophie zählt zu den sich im deutschsprachigen Raum kontinuierlich entwickelnden und professionalisierenden Gesprächsformaten mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter. So gibt es in fast allen Metropolregionen Vereine und Institutionen, die sich dem Philosophieren mit Kindern verschrieben haben; die Arbeiten von Kinderphilosophen und Kinderphilosophinnen wie Ekkehard Martens, Kristina Calvert oder Matthew Lipman werden im schulischen wie außerschulischen Rahmen rezipiert und umgesetzt. Zu dieser Entwicklung passt, dass auch die deutschsprachigen Verlage eigene kinderphilosophische Reihen wie Platon & Co. (diaphanes) aufsetzen oder einzelne kinderphilosophische Bände publizieren.
Mit Wir. Kinder philosophieren über unser Miteinander veröffentlicht der Duden Verlag einen Band, der aus Gesprächen mit Kindern entstanden ist und sich somit zumindest vom Anspruch her auf Augenhöhe mit den eigentlichen Adressaten und Adressatinnen kinderphilosophischer Ansätze bewegt. Da die Gespräche von Eva Stollreiter für die Veröffentlichung bearbeitet, arrangiert und auch kommentiert wurden, handelt es sich aber natürlich nicht um einen Band, der kindliche Gedanken ungefiltert protokolliert. Er interessiert sich auch nicht so sehr dafür, wie sich die Gedanken der Kinder im Laufe der Diskussionen entwickelt haben, denn aus den Kapiteln lässt sich kein chronologischer Verlauf rekonstruieren. Das ist aber auch gar nicht das Ziel des Bands, der schließlich keine wissenschaftliche Publikation ist, sondern sich an ein allgemein interessiertes Publikum richtet. Dafür bietet Wir eine faszinierende Zusammenstellung von kinderphilosophischen Überlegungen zu Fragen und Facetten des Miteinanders.
Den Band zeichnet aus, dass er auf verschiedene Weisen genutzt werden kann: Er lässt sich linear ‚durchlesen‘, um – ob nun im Rahmen einsamer Lektüresituationen oder in einem Vorlesesetting – philosophische Überlegungen zu Gemeinschaft und Miteinander zu sammeln, man kann den Band aber auch nonlinear rezipieren und z. B. mit anderen über einzelne Gedankensplitter reflektieren. So oder so bietet Wir. Kinder philosophieren über unser Miteinander dank der warmen Illustrationen von Katrin Stangl ein ästhetisch ansprechendes Leseerlebnis.
Fazit
Der vielseitig einsetzbare Gesprächsband Wir. Kinder philosophieren über unser Miteinander ist besonders für philosophisch interessierte Lesende ab acht Jahren interessant, wobei er seine dialektischen Stärken passenderweise wohl vor allem im Rahmen gemeinschaftlicher Leseerfahrungen entfalten dürfte, ob im schulischen oder außerschulischen Kontext. Wer genauer nachlesen möchte, wie sich kindliche Überlegungen zu philosophischen Themen im Laufe von Gesprächsrunden entwickeln, sei auf die wissenschaftlichen Arbeiten etwa von Katrin Alt oder Barbara Brüning verwiesen.
- Name: Stollreiter, Eva
- Name: Stangl, Katrin
