Inhalt

Michaels Lebenssituation ist schwer belastet. Gerade ist er mit seiner Familie in ein neues Haus gezogen und muss sich in der neuen Umgebung eingewöhnen. Seine Eltern haben kaum Zeit für ihn, denn sie bangen um das Leben seiner neugeborenen Schwester. Immer wieder müssen sie mit dem Baby ins Krankenhaus, schwanken zwischen Bangen und Hoffen – und Michael mit ihnen. Er betet, seine kleine Schwester möge am Leben bleiben. Derart bedrückt findet Michael in der Garage, die er eigentlich nicht betreten soll, ein seltsames Wesen, dem er fantastische Eigenschaften zuschreibt, obwohl es sich um einen verknöcherten, alten, kranken und stinkenden Mann handelt, der allein im Schuppen liegt. Oder ist er vielleicht doch ein Engel? Michael versorgt ihn von nun an mit Bier und chinesischem Essen vom Lieferdienst. Aber der geheimnisvolle Skellig kommt nicht wieder auf die Beine. So zieht Michael schließlich Mina ins Vertrauen. Das ist seine neue Nachbarin, die keine Schule besucht und von ihrer Mutter zu Hause unterrichtet wird, denn sie glauben, 

"Schulen hemmen die natürliche Neugier, das Schöpferische und die Intelligenz der Kinder. Das Bewusstsein muss zur Welt hin geöffnet werden, nicht in einem dunklen Klassenzimmer eingeschlossen werden" (S. 53)

Die Bekanntschaft mit Mina tut Michael gut, er töpfert mit ihr und ihrer Mutter, fühlt sich geborgen und angenommen. Nun lernt auch Mina Skellig kennen, an dem die Kinder Flügel sehen und beobachten, wie er sich von Käuzen füttern lässt. Es entstehen geheimnisvoll-magische Allianzen unter diesen besonderen, facettenreichen Figuren, die nicht eindeutig als phantastisch oder realistisch eingestuft werden können – und am Ende bleibt der magische Lebenswille und ein Zauber, der Michaels kleine Schwester wieder gesund macht. Denn auch Mina und Michael können mit Skellig fliegen, wenn sie ihn bei der Hand nehmen. Ist er ein Engel oder ist er nur ein alter, kranker Mann?

Kritik

Das Verwischen der Grenzen zwischen Phantastik und Realistik ist ein Stilmittel, das man auch aus den späteren Romanen von David Almond kennt, allen voran aus Der Junge, der mit den Piranhas schwamm und auch in Mina, von der wir hier erfahren, dass sie eine Vorläuferin in Skellig hatte. Der Verlag Freies Geistesleben hat eine kluge Entscheidung getroffen, diesen zauberhaften Kinderroman neu aufzulegen oder damit wieder zugänglich zu machen. Diesem Text wohnt ein einzigartiger Zauber inne, den eine Rezension sicher kaum abzubilden vermag. Zu viel liegt in der Poesie von Almonds Sprachkunst, die Johanna und Martin Walser kongenial ins Deutsche übertragen haben. Sie entführt ihre Leserinnen und Leser in eine poetische Welt, führt Liebe, Freundschaft und Familienzusammenhalt vor, reizt zum Lachen und zum Weinen, das doch so nah beieinander liegt. Atemlos folgt man der dichten Erzählung und ist überrollt von zahlreichen Emotionen. Die Beschreibung des Flügel-Wesens Skellig lösen beinahe Ekel aus, denn Almond scheut sich nicht, dessen Geruchsausdünstungen zu beschreiben und davon zu erzählen, wie Skellig sich von totem Fleisch ernährt, dass ihm die Käuze bringen:

"Er drückte meine Hand, als wolle er mich beruhigen. Als er mir zulächelte, roch ich seinen Atem, den Gestank von dem, was die Käuze ihm gebracht hatten. Es würgte mich. Sein Atem war der Atem eines Tiers, das vom Fleisch anderer Tiere lebt: eines Hundes, eines Fuchses, einer Amsel, eines Kauzes. Noch einmal drückte er meine Hand und lächelte.“"(S. 119)

Aber die kindlichen Figuren fühlen sich weniger abgestoßen als wohl manche Leserinnen und Leser. Rasch trägt die Poesie der Sprache die Handlung weiter in Richtung Fantastik, Magie und Liebe zum Leben und zur Natur, transportiert auch von Mina, die sich in keiner Schule einsperren lässt:

"Später Vormittag. Minas Mutter brachte uns Tee. Sie setzte sich neben uns auf die Treppe. Sie erzählte von den Küken, von den Blumen, die plötzlich aufgeblüht waren, von der Luft, die jeden Tag wärmer wurde, von der Sonne, die jeden Tag ein bisschen höher stieg und ein bisschen wärmer war." (S. 146)

Almond schreibt anschaulich und einnehmend, voller intertextueller Bezüge – ebenso wie in seinen späteren Büchern. Mina und Michael nehmen Skellig bei der Hand und begegnen der Welt voller Neugier- beinahe wie Astrid Lindgrens Ronja Räubertochter mit ihrem Frühlingsschrei. Sie fliegen wie die Engel...

Fazit

Einzigartig, poetisch, sprachgewaltig und so voller Hoffnung: Ein Dank an den Verlag Freies Geistesleben, David Almonds Debütroman, der auch ein englischer Schulklassiker ist, neu aufzulegen. Möge der Kinderroman so den Weg zu vielen Leserinnen und Lesern finden, jenen ab 11 Jahren ebenso wie denen, die schon erwachsen sind. Eine durch und durch empfehlenswerte Lektüre: Jedem Almond, so mag man (vielleicht allzu pathetisch) schließen, wohnt ein Zauber inne!

Titel: Skellig
Autor/-in:
  • Name: Almond, David
Originalsprache: Englisch
Originaltitel: Skellig
Erscheinungsort: Stuttgart
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: Freies Geistesleben
ISBN-13: 978-3-7725-3131-6
Seitenzahl: 183
Preis: 18,00
Altersempfehlung Redaktion: 11 Jahre
Almond, David: Skellig