Inhalt
Mina, Annie und Paul werden über Nacht zu Waisen. Nachdem ihre Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sind, stehen die Kinder vor der Entscheidung: Ziehen sie zu einer unbekannten Oma ins Kuhkaff an die Ostsee oder gehen sie lieber ins Heim?
Die Wahl ist schnell getroffen: Die fremde Oma scheint ganz nett zu sein und ins Kinderheim wollen die drei auf keinen Fall. Mutig und entschlossen, es mit der neuen Oma zu versuchen, lassen die Geschwister ihr altes Leben hinter sich und beginnen ein neues am Meer. In dem gemütlichen Haus mit Garten gefällt es ihnen sogar richtig gut. Omas verständnisvolle Art, Kätzchen Lilli und neue Freundschaften schenken Hoffnung auf einen Weg zurück in ein Leben, das sich irgendwann wieder normal anfühlen könnte. Doch gerade als sie sich so richtig einleben passiert es – und das Gesterbe geht wieder los.
Kritik
Birgit Schössow kombiniert in ihrem psychologischen Kinderroman die Themen Trauer und Verlust mit warmherzigem Humor, der die kindliche Sicht auf die Welt ins Zentrum stellt.
Die Handlung wird von Paul, dem Protagonisten, aus der Ich-Perspektive erzählt und bleibt durchgehend intern fokalisiert. Durch die kindliche Erzählperspektive, Pauls ungefilterte Emotionalität und der ehrlichen Darstellung seiner Ängste, eröffnet der Text einen niederschwelligen Zugang zur Handlung und ermöglicht eine tiefere Identifikation der Rezipient*innen mit den Figuren. Paul, Annie und Mina werden lebendig und authentisch beschrieben. Ihre individuellen Charakterzüge sind sorgfältig ausgearbeitet und die Dynamik zwischen den Geschwistern wird einfühlsam dargestellt. Obwohl die Geschehnisse aus Pauls Sicht geschildert werden, wird deutlich, dass jeder auf eigene Art und Weise mit dem Thema Verlust umgeht. Mina, die jüngste der drei, reagiert zunächst mit Verdrängung, kann und will die Trauer nicht zulassen und zeigt gegenüber völlig fremden Erwachsenen ein auffällig bindungssuchendes Verhalten. Annie bleibt dagegen überraschend klar und gefasst, handelt stets rational und übernimmt oft die Führung, wenn es um schwierige Entscheidungen geht. Den größten Einblick bekommen die Leser*innen in Pauls Gefühlswelt. Er geht sehr offen mit seiner Trauer um – schildert seine Emotionen nicht nur, sondern reflektiert sie auch. So erzählt er beispielsweise:
Und irgendwie saß ich auch neben mir. "Irgendwie" ist so ein Wort, das ich ständig benutze […] Aber oft drückt irgendwie meine Stimmung oder das, was ich sagen will, prima aus. Alles, was ich nicht richtig beschreiben kann. (S.27)
Durch die aufeinanderfolgenden Schicksalsschläge durchlaufen die Geschwister eine deutliche Charakterentwicklung. Nachdem die Kinder, vom plötzlichen Schock und tiefer Trauer überwältigt, direkt nach dem Tod ihrer Eltern vor einer nie gekannten Leere stehen, zeigt sich zum Ende der Geschichte, wie selbstständig, mutig und entschlossen die drei geworden sind. Ebenfalls sehr gelungen ist die Entwicklung der Beziehung zu der anfangs völlig fremden Oma Ruth und der Wandel von großer Skepsis hin zu Zuneigung und Vertrauen. Die Handlung verläuft einsträngig und obwohl allein durch den Titel schon deutlich wird, wohin die Geschichte führt, ist das Ende überraschend und bietet eine Mischung aus anhaltender Trauer und neuer Hoffnung, ohne zu viel Kitsch.
Die Illustrationen in Oma verbuddeln sind ein wesentlicher Bestandteil des Romans. Die von Birgit Schössow ganzseitig gestalteten Bilder leiten die einzelnen Kapitel ein und erweitern den Text um eine visuelle Ebene, die die emotionale Dimension des Romans unterstreicht. In ihrer Doppelfunktion als Autorin und Illustratorin gelingt es Birgit Schössow, mit einer sensiblen Bildsprache sowohl die komischen als auch die melancholischen Momente der Geschichte einzufangen. Die Sprache ist leicht zugänglich und auch die humoristischen Passagen orientieren sich an der adressierten Altersgruppe: "Da kannte ich ja unseren ollen Nachbarn Tittel mit seinem herumkackenden Hund Axel schon länger." (S.73)
So entsteht ein erzählerisch wie psychologisch stimmiges Werk, das auf berührende und tröstliche Weise Verlust und Neubeginn miteinander vereint.
Fazit
Oma verbuddeln nimmt ernst, was Kinder beschäftigt, bietet emotionale Orientierung und ist sprachlich wie visuell altersgerecht gestaltet. Birgit Schössow bietet Kindern einen sensiblen Zugang zu Themen wie Tod und Trauer und fördert mit ihrem Romandebüt das Verständnis für familiäre Bindungen. Insgesamt zeichnet sich der Kinderroman durch eine stimmige Balance zwischen traurigen, berührenden und humorvollen Momenten aus. Das Buch eignet sich für Kinder ab 10 Jahren, ein Alter in dem Themen wie Verlust, Identität und zwischenmenschlichen Beziehungen schon bewusst wahrgenommen und verarbeitet werden können. Oma verbuddeln lässt Raum für eigene Gedanken und Gefühle, schenkt Trost und Hoffnung auf einen Neuanfang nach schweren Zeiten und bringt Leser*innen immer wieder zum Schmunzeln.
- Name: Birgit Schössow
- Name: Birgit Schössow
