Inhalt
Ich wünschte ist ein Kinderbuch, das von Hoffnungen, Ängsten, Sehnsüchten und Wünschen unterschiedlichster Menschen erzählt.
Inspiriert durch alte Familienfotos und die Renaissancemalerei, portraitiert die holländische Illustratorin Ingrid Godon Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Allen gemeinsam ist ein überproportionaler Kopf mit weit auseinanderstehenden Augen, die den Betrachter ernst anblicken.
Durch diese 33 Kreidezeichnungen angeregt, verfasst der niederländische Autor Toon Tellegen kurze Texte, die fast alle mit der Wendung "Ich wünschte" beginnen und seine Version der in den Portraits vermuteten Gedanken darstellen. So wünscht sich die junge Violetta zu wissen, was das Leben ist. Momentan erscheint ihr dies als ein endloses Kornfeld, in dem sie sich zu orientieren versucht. Die erwachsene Susanne hingegen schildert ihre Angst vor dem Tod, um sich letztendlich darüber bewusst zu werden, dass sich jeder vor etwas fürchten muss. Ängste vergleicht sie mit der Notwendigkeit von Atmen, Essen und Trinken. Andere wiederum sehnen sich beispielsweise nach Zugehörigkeit, Zufriedenheit mit sich selbst und nach der Erfahrung von Glück.
Kritik
Dieses Kinderbuch wirkt im ersten Moment wie ein antikes Fotoalbum einer Familie, die den Betrachter mit starrem Blick mustert. Godons Portraits wirken besonders, da die ernste Mimik, die sich durch das ganze Buch zieht, für Zeichnungen aus Kinderbüchern untypisch ist. Hinter dieser Fassade offenbaren sich jedoch typische Gefühle, wie sie jeder von uns kennt. Denn wer denkt nicht über den Sinn des Lebens nach?
Solche tiefgründigen Fragen wirft Tellegen in seinen philosophischen Texten auf und schafft damit eine melancholische Atmosphäre. Es sind Geschichten, die ans Herz gehen, da sich Kinder und Erwachsene gleichermaßen darin wiederfinden. Spätestens beim Weglegen dieses Buches ertappt man sich dabei, über seine eigenen Wünsche nachzudenken. Und genau diese Wirkung macht Tellegens Texte so essentiell. Die Portraits alleine könnten ohne die dazugehörigen Gedanken nicht bestehen und würden durch ihre unverbundene Aneinanderreihung an Aussage verfehlen. Bei ausschließlicher Betrachtung der Zeichnungen, würden Gefühle wie Traurigkeit, Hilflosigkeit und Verzweiflung überwiegen. Diese betrübte Stimmung verwandelt sich durch erhellende Wünsche in Nachdenklichkeit bis hin zur Selbstreflexion. Dieser Effekt wird verstärkt durch eine metaphorische Sprachverwendung, welche die abstrakten Gefühle näher veranschaulicht und an Prosa erinnert.
Insgesamt besticht das Buch durch eine aufwendige und wertvolle Gestaltung. Der semitransparente Umschlag ist genauso empfindlich wie die darin enthaltenen Themen, die an die echten Gefühle des Lebens appellieren. Im Buch werden diese Empfindungen von zwei schwarzen Seiten umgeben. Sie wirken wie ein dunkler Vorhang, welcher der Schwermut aller abgebildeten Menschen Nachdruck verleiht. Eben diese Schwere wird abgemildert durch zuversichtliche und hoffnungsvolle Wünsche, die jedem noch so ernsten und aschfahlen Gesicht einen Glanz in die Augen zaubern.
Fazit
Im Jahr 2013 wurde dieses Buch für den deutschen Kinder- und Jugendliteraturpreis nominiert. Zusammen mit der erstklassigen Verarbeitung ist der überdurchschnittlich hohe Preis von 29,90 € durchaus gerechtfertigt. Ich wünschte wird für Kinder ab sechs Jahren empfohlen. Diese Altersbeschränkung sollte allerdings nicht als bindend betrachtet werden, da das Buch auch für Erwachsene lesenswert ist. Die Text-Bild-Kohärenz wirft Leerstellen auf, die Erwachsene mit Kindern in Gesprächen aufgreifen und zu Wort kommen lassen sollten. Simples Vorlesen würde die wertvollen Gedanken der Kinder unberücksichtigt lassen. Durch den gegebenen Freiraum an Fantasie und eigener Interpretation eignet sich dieses Buch für dialogisches Vorlesen sowie Philosophieren mit Kindern.
- Name: Tellegen, Toon
- Name: Birgit Erdmann
- Name: Ingrid Godon