Inhalt

In dem 2021 am Jungen Ensemble Stuttgart (JES) uraufgeführten Theaterstück wird mit den Figuren Oma Monika und ihrem Enkel Balthasar das schwierige Thema Demenz behandelt. Balthasar, der eigentlich nur stundenweise zu Besuch ist, während seine Eltern arbeiten, muss nun auch einmal über Nacht bleiben, weil seine Eltern „auf Arbeitsreise“ (Gather 2021, S. 6) sind.

Balthasar und seine Oma haben ein inniges Verhältnis, backen Kuchen und lösen gemeinsam Kreuzworträtsel. Balthasar erkennt und erlebt dabei immer stärker, dass Monika Dinge vergisst, Worte nicht mehr weiß und zunehmend Aussetzer hat, während der sie sich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnert. Beide finden Wege, damit umzugehen: Sie singen, Balthasar spricht mit ihr und fragt nach – nach ihrer Lebensgeschichte, ihrem früheren Beruf und wie sich seine Großeltern kennengelernt haben. Als die Lage sich zuspitzt und Oma Monika ihren Enkel, den sie nicht mehr erkennt, aus der Küche hinauswirft, überlegt Balthasar zum ersten Mal, ob er seinen Eltern – die durchaus mitbekommen haben, dass Monikas Gesundheitszustand immer schlechter wird – kontaktieren soll. Gerade, als er sich dafür entschieden hat, sie anzurufen, kehren Oma Monikas Erinnerungen zurück. Balthasar folgt ihrem Wunsch, wieder "[g]anz normal" (Gather 2021, S. 22) mit ihr zu reden und die beiden begeben sich auf eine gedankliche Reise in die Vergangenheit, verlieren sich in anderen Rollen und fokussieren sich auf das, was wirklich zählt: Die Liebe zwischen Oma und Enkel, die sich in der gemeinsamen Gegenwart zeigt und überzeitlich bestehen bleibt, egal was kommt.

Kritik

Das Theaterstück greift eines der Themen, die viele Menschen früher oder später mit älteren Angehörigen erleben, auf humorvolle, einfühlsame und kindgerechte Weise auf. Balthasar und Oma Monika nehmen die zunehmende Vergesslichkeit Monikas zwar wahr, finden aber auf kunstvolle Weise Umgang damit: So wird gleich zu Beginn mit Wortverdrehungen wie dem, dass Balthasars Eltern nicht Freude an ihrer Arbeit haben, sondern "ihr Spaß so viel Arbeit macht" (Gather 2021, S. 5) gespielt. Balthasars Bemerkung, dass man "das auch [so] sagen" könne (ebd.) sowie Handlungen wie z.B. diejenige, dass Oma den Kuchenteig "föhnt" (ebd.), machen deutlich, dass beide durchaus bemerken, dass mit Monika etwas nicht stimmt. Die genaue Benennung der Demenz, von der Oma Monika betroffen ist, bleibt hierbei jedoch aus (vgl. Jahnke 2021).

Die Sprache, die sich als zentrales Element im Theaterstück erweist und an vielen Stellen auch vom Gesang der beiden untermalt wird, ist jedoch nicht nur Sprachspiel, sondern auch handlungstragend: So kann die Kreuzworträtsel-Leidenschaft der beiden mit der stetigen Suche nach den passenden Worten – der achtjährige Balthasar kennt naturgemäß noch nicht alle Worte, Oma Monika hat manches bereits vergessen – als Symbol für das Krankheitssymptom des wiederholten Vergessens und Wieder-Erinnerns verstanden werden. Dies wird zentral, als Monika ihren Enkel aus der Küche wirft, weil sie ihn nicht mehr erkennt. Daraufhin überlegt Balthasar, ob er seine Eltern kontaktieren soll. Er zupft dafür Blütenblätter von einer Mohnblume (das zu Beginn des Theaterstücks gesuchte Wort) ab. Als er mit dem Abzupfen des letzten Blütenblatts beschließt, seine Eltern anzurufen, hört er durch die Tür, wie Oma die Reste der zuvor von Balthasar in der Küche gepflückten Mohnblume entdeckt. Die Mohnblume ist das gesuchte und nun gefundene Wort und bringt die Wendung der Handlung hin in Richtung des glücklichen Ausgangs des Theaterstücks. Monika kommt wieder in die Gegenwart zurück, erinnert sich und wird sich der Umstände bewusst. So finden beide wieder zueinander.

Die Wechsel zwischen Oma Monikas Ausfällen und den Momenten, in denen sie klar ist, greifen auch eine grundlegende Frage auf: Was ist schon 'normal', wo ist die Grenze zur Krankheit? Die Übergänge zwischen Normalität und Demenz sind fließend, wie das Stück zeigt – es ist nicht immer klar, wo man eine Grenze setzen muss. Gerade für die Angehörigen ist es schwer, hier Einschätzungen vorzunehmen: Dies wird sowohl an Balthasar deutlich, der unentschlossen ist, ob Oma Monika mit seinem Herauswurf aus der Küche einen Schritt zu weit gegangen ist, als auch daran, dass seine Eltern ebenfalls bemerken, dass mit Oma Monika etwas nicht stimmt und in diesem Zuge erste Überlegungen bezüglich einer Heimunterbringung (vgl. Gather 2021, S. 11) anstellen.

Gather OMA Inszenierung JES 2021Abb. 2 Junges Ensemble Stuttgart (JES) OMA Monika - was war? mit Sebastian Kempf und Brigitte Dethier, Foto: Alex Wunsch

Die Szene nach dem Streit in der Küche, in der die beiden sich umarmen, kann darüber hinaus als Exempel für die grundlegende Botschaft, die dem Stück innewohnt, gewertet werden: Es geht nicht nur um die Krankheit, das Vergessen, das bei Monika immer stärker hervortritt, sondern vor allem um die Gemeinschaft und die Liebe zwischen Oma und Enkel. Balthasar, der schon zu Beginn des Theaterstücks betont, dass er immer so lange bei Oma bleibt, bis seine Eltern "keinen Spaß mehr an ihrer Arbeit" haben (Gather 2021, S. 5), weiß zwar, dass seine Eltern nicht aus der Welt sind, dass er sie immer kontaktieren kann, wenn es ein Problem gibt. Das erweist sich für Balthasar jedoch nicht als notwendig, denn Monika und er "haben […] nämlich richtig viel zu tun" (ebd.).

Er freut sich ob seiner Oma und weiß auch, dass er damit in einer privilegierten Lage ist, denn "[a]ndere wären ganz allein / [a]ber ich nicht" (ebd.). Das Wir-Gefühl tritt auch in den vielen Momenten zu Tage, in denen Balthasar Oma Monika dabei mit Nachfragen und Wort-Eingaben hilft, sich zu erinnern, nachsichtig ist und ruhig bleibt, wenn Monika zum Teil genervt von seinen Fragen ist und barsch reagiert. Das gemeinsame Singen, die z.T. tiefgründigen Gespräche über das Menschsein, das 'Noch-Da-Sein' und den Tod zeigen die Innigkeit der Verbindung und greifen behutsam und auch für jüngere Kinder verständlich die großen Themen des Lebens auf. In einer Szene holt Balthasar für seine Oma einen frischen Pullover, den er ihr anziehen möchte. An der Nachfrage Monikas, wie sie "denn beide da reinpassen" sollen (Gather 2021, S. 18), erkennt man auch die Nähe, die in den schwierigen Situationen weiter bestehen bleibt, wenngleich die zumeist kaum hervortretende Verzweiflung Balthasars, der hier kurzzeitig laut wird, deutlich erkennbar ist. Zum Ende wird mit den gesungenen Passagen Balthasars: "Das da ist Oma Monika / Und der hier bin ich / Oma ist schon immer da / Zumindest für mich // Und auch wenn niemand wissen kann / Wo und wie und was und wann / Monika schon alles war // Monika ist alles / Egal was sie noch wird / Sie bleibt für immer / Für immer alles / Für immer alles", (Gather 2021, S. 26) auch die Brücke zum Anfang geschlagen, wo Balthasar erzählend in das Theaterstück einführt und betont: „Eigentlich war alles wie immer. Ich war bei Monika. Bei Oma Monika. Wie jeden Nachmittag“ (Gather 2021, S. 5). So wird die tiefe, immerwährende Verbindung der beiden umrahmt und besiegelt.

"Was war?" – so lautet die Frage, die bereits im Titel gestellt wird. Die Antwort findet sich im Verlauf des Theaterstücks immer stärker durch den humorvollen Umgang mit dem Vergessen und wird von Monika nach dem Streit der beiden bewusst thematisiert. So erklärt sie: "Ist doch egal, was war. ‚Was war, was war, was war?!‘ Was war, das war! Und es war bestimmt gut. Aber was ist? Was ist jetzt? Jetzt ist jetzt. Den Rest darf man ruhig mal vergessen. Ich will nur nicht … vergessen werden." (Gather 2021, S. 22)

Oma Monika bringt damit auf den Punkt, was im Umgang mit Demenz nur zu leicht vergessen wird: Es geht auch darum, mit den Betroffenen abseits von Fürsorgeleistungen und medizinischer Betreuung – die zumindest andeutungsweise mit Balthasars Erklärung, seine Mutter wolle Monika in ein Heim stecken, Erwähnung findet – im Hier und Jetzt, in der Gegenwart zu leben. Das Vergessen wird hierbei nicht ignoriert, sondern der Fokus auf die Dinge gelegt, die wirklich zählen: Gemeinsam verbrachte Zeit, Spaß mit Worten, Kuchenbacken und das Schaffen von Erinnerungen, um, wie Oma Monika betont, "nicht … vergessen [zu] werden" (Gather 2021, S. 22).

Fazit

Das Theaterstück Oma Monika – was war? zeigt am Beispiel von Oma Monika und ihrem Enkel Balthasar auf humorvolle und einfühlsame Weise, wie der Umgang mit Menschen im Anfangsstadium der Demenz aussehen kann. Monika und Balthasar beschäftigen sich mit vielerlei Aktivitäten, die beiden Freude bereiten, und finden mithilfe der Nachfragen Balthasars gemeinsam die Erinnerungen an früher, die Oma Monika zeitweise vergisst.

Milan Gather hat zurecht mit seinem zweiten Stück mehrere Preise gewonnen – die kindgerechte Darstellung eines Themas wie der Krankheit Demenz, die im ständigen Wechsel zwischen zunehmendem Vergessen und dem Wieder-Erinnern schwankt, ist nicht nur sachgerecht, sondern auch auf interessante und lustige Weise dargestellt worden. Es wird in Ansätzen auch die Hilflosigkeit aufgegriffen, der man als Angehöriger oder Angehörige im Umgang mit Erkrankten in schwierigen Momenten gegenübersteht. Dies wird jedoch stets ins Positive gewendet: So werden zwar schlimmere Formen und weiter fortgeschrittene Stadien der Demenz nicht abgebildet, die Krankheit insgesamt wird damit aber weniger angstbehaftet und für ein junges Publikum zugänglich.

Literatur

Gather, Milan: OMA MONIKA – was war? München: Drei Masken Verlag 2021.

Gather, Milan: Über mich. In:   https://milangather.de/index.html#ueber, zuletzt abgerufen am 02.02.2025.

Jahnke, Manfred: Wenn der Enkel mit der Oma… Milan Gather: Oma Monika – was war? Kritik vom 30.11.2021,   https://www.die-deutsche-buehne.de/kritiken/wenn-der-enkel-mit-der-oma/, zuletzt abgerufen am 02.02.2025.

Abbildungen

Abb. 1 Milan Gather. Foto: Vanessa Ruckh

Abb. 2 Junges Ensemble Stuttgart (JES) OMA Monika – was war? Foto: Alex Wunsch

Titel: OMA MONIKA – was war?
Autor/-in:
  • Name: Milan Gather
Uraufführung: Junges Ensemble Stuttgart, 28.11.2021
Erscheinungsort: München
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Drei Masken Verlag
Altersempfehlung Redaktion: 8 Jahre
Gather, Milan: OMA MONIKA – was war?