Im System der Förderung der dramatischen Kinder- und Jugendliteratur spielen die öffentlich ausgeschriebenen Preise für Autorinnen und Autoren eine große Rolle. Das Spektrum dieser Auszeichnungen in Deutschland ist vielfältig. Die Förderrichtlinien der auslobenden Einrichtungen unterscheiden sich, die Ausschreibungen stellen unterschiedliche Anforderungen an die sich bewerbenden Autorinnen und Autoren und ihre Stücke und auch die Preissummen differieren erheblich. Auf eine lange Tradition (seit 1961) kann der Brüder Grimm Preis (heute Berliner StückePreis für junges Publikum) der Berliner Senatsverwaltung zurückblicken, höchst dotiert (jeweils 10.000 €) und mit größtem Prestige versehen sind die vom Bundesjugendministerium vergebenen Deutsche Kindertheaterpreis sowie Deutsche Jugendtheaterpreis. Einzig an Autorinnen wendet sich der Kathrin-Türks Preis in Dinslaken und im Rahmen von Theatertagen wird der Mülheimer KinderStückePreis vergeben.

2005 startete das Berliner GRIPS Theater auf diesem Gebiet eine zukunftsträchtige Initiative. Die GASAG, Energieversorger für Berlin, war auf der Suche nach einem neuen Betätigungsfeld für ihr kulturelles Sponsoring und ging auf das GRIPS Theater zu. Am dortigen Theater hatte man sich zeitgleich Gedanken gemacht, den literarischen Nachwuchs für das Kindertheater zu fördern. Gemeinsam entwickelten nun beide Einrichtungen ein neues Konzept für eine praxisorientierte und theaternahe Autorenförderung. Der Berliner Kindertheaterpreis wurde aus der Taufe gehoben, als ein biennal ausgeschriebener Wettbewerb für Autorinnen und Autoren der dramatischen Kinderliteratur.

Im Zentrum dieses Preises steht der künstlerische Prozess. Auf Vorschlag von Fachorganisationen des Kinder- und Jugendtheaters wurden alle zwei Jahre fünf Autorinnen und Autoren eingeladen. Nicht mit fertigen Stücken bewarben sich die Schreibenden, sondern mit ihren Konzepten für ein neues, noch zu entwickelndes Stück. In Workshops, an denen alle Abteilungen des GRIPS Theaters über ein Jahr gemeinsam mit den Autorinnen arbeiteten, werden die Konzepte, dann aber auch die sich im Entstehen befindenden Stücke diskutiert.

Das Konzept des Berliner Kindertheaterpreises beruht auf Gegenseitigkeit: die Autorinnen und Autoren erhalten intensive Einblicke in die Theaterpraxis, die Theaterleute wiederrum erfahren in den Workshops von den Gedanken- und Phantasiewelten der Dramatiker. Zum Abschluss des fast zweijährigen Prozesses steht die Uraufführung eines der prämierten Stücke. Der Preis, der seit 2005 auf zehn Ausschreibungen und neun Uraufführungen zurückblicken kann, wurde von den Veranstaltern laufend modifiziert. Was anfangs als ein Nachwuchspreis für "Menschen unter 40 Jahren" ausgeschrieben wurde, öffnete sich hin zu einem Preis für alle, für die das Schreiben für Kindertheater neu war. So konnten renommierte Autorinnen und Autoren der Erwachsenen- und Kinderliteratur gewonnen werden, z.B. Tamara Bach, Kirsten Fuchs, Anke Stelling oder Jan Friedrich, sich erstmals literarisch mit dem Kindertheater zu beschäftigen.

Die Nachhaltigkeit dieses Preises erweist sich auf mehreren Ebenen: Autorinnen der erzählenden Kinderliteratur fanden über den Berliner Kindertheaterpreis zum dramatischen Schreiben (z.B. Kirsten Fuchs), Stücke, die durch den Preis zur Uraufführung kamen, wurden nachinszeniert, zu Festivals eingeladen und prämiert. Ohne Zweifel hat der Berliner Kindertheaterpreis sein Ziel, nämlich anspruchsvolle Stücke für junge Publikum zu kreieren, erreicht.

Mit einem Festakt wurde am 7. Mai 2025 das 20-jährige Jubiläum des Preises im Berliner GRIPS Theater gefeiert. Im Mittelpunkt dieses Abends standen szenische Darbietungen von eigens für den "runden Geburtstag" geschriebenen Texten. Das GRIPS Theater hatte fünf ehemalige Nominierte des Berliner Kindertheaterpreises eingeladen, Minidramen unter dem Thema "Wie wollen wir in Zukunft leben?" zu schreiben. Mit dabei waren:

  • Tamara Bach mit Scht!.
  • Reihaneh Youzbashi Dizaji mit Shoot the Moon
  • Andreas Jungwirth mit Im Nebel
  • Vera Schindler mit Wortwespen
  • Benjamin Tienti mit Stuttgarts Rolle in der esoterischen Futurologie


Mit großer Spielfreude und einer phantasievollen Regie des Kollektivs Hansjana präsentierte das GRIPS-Ensemble Auszüge aus den fünf Stücken. So entstand eine Preisverleihung, in der nicht das Rednerpult die Bühne beherrschte, sondern die Kreativität der Autorinnen und Autoren und der Bühnenprofis. Dass es dem GRIPS-Theater gelang, die erst wenige Stunden zuvor zur Kultursenatorin berufene Sarah Wedl-Wilson zur Teilnahme am Festakt zu gewinnen, hob die Bedeutung des Berliner Kindertheaterpreises nochmals besonders hervor. Die designierte Senatorin hatte sichtlich Spaß an der Veranstaltung und improvisierte geschickt mit ihrem vorbereiteten Redemanuskript. So erlebte das geladene Publikum einen heiteren aber nicht minder nachdenklichen und zukunftsorientierten Abend.