Inhalt

Nachdem sich Tilman von Brands unterrichtspraktisch fundierte Bände wie Deutsch unterrichten oder Deutschunterricht in heterogenen Lerngruppen (gemeinsam mit Florian Brandl) als Standardwerke in Begleitseminaren zum Schulpraktikum Deutsch und in den Studienseminaren etabliert haben, widmet er sich nun mit dem Band Ganzschriften im Deutschunterricht der mittelfristigen Unterrichtsplanung. Im Vergleich mit den anderen Büchern handelt es sich mit einem Umfang von 109 Seiten um ein eher schmales Bändchen, das sich in zwei basale Kapitel unterteilt. Im ersten Abschnitt, der mit "Grundlegendes" betitelt ist, klärt von Brand den (ja durchaus erklärungsbedürftigen) Begriff der Ganzschriften und fokussiert diesen auf seine ausgewählten "Textgestalten": Romane, Novellen, Dramen und Graphic Novels. Im Anschluss findet sich eine Einführung in verschiedene Textformen: Textausgaben, Kontexte, Adaptionen und Lern- und Unterrichtshilfen sowie eine Reflexion zu Vorgaben, Kriterien und Planungsvarianten zur Textauswahl. Das Grundlagen-Kapitel rundet sich ab durch eine Vorstellung von je einem konkreten Beispiel für die "Textgestalten": Kabale und Liebe (Friedrich Schiller), Michael Kohlhaas (Heinrich von Kleist), Such dir was aus, aber beeil dich! (Nadia Budde) und Rico, Oskar und die Tieferschatten (Andreas Steinhöfel). Die Kinder- und Jugendliteratur kommt also nicht zu kurz! Das zweite Großkapitel fokussiert die unterrichtlich relevanten Planungsschritte, unterteilt in Vorüberlegungen, Phasierung und (Lern-)Zielsetzungen.

Kritik

Wie immer hält Tilman von Brand das, was er verspricht: Er liefert ganz konkrete Planungshilfen für den Deutschunterricht, die passgenau auf die Bedürfnisse von Studierenden, Referendarinnen, Referendaren und auch Lehrerinnen und Lehrer, die auf der Suche nach Impulsen bei der Lektürearbeit sind, abgestimmt sind. Sie finden in seinen Büchern außerordentlich nützliche Hilfestellungen für die Planung und Vorbereitung von Deutschunterricht, womit die Bücher sich ebenso als Bereicherung für Seminarleiterinnen und Seminarleiter in beiden Phasen der Lehrerausbildung erweisen. Von Brand gibt Antworten auf die berühmt-berüchtigte Frage von Studierenden: "Was soll ich damit (gemeint sind die fachdidaktischen Inhalte) jetzt in der Schule und im Unterricht machen?" – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob es nun sinnvoll ist, mit dem problematischen Terminus "Ganzschriften" zu arbeiten, sei dahingestellt, suggeriert er doch implizit, lyrische Texte oder Kurzgeschichten seien nur halbe Schriften. Auf diese Problematik geht von Brand durchaus ein, indem er den Begriff als genuin didaktischen bestimmt und definiert:

"Ganzschriften sind zunächst einzelne vollständige Texte, die als Einzeldruck vorliegen und deren Rezeption wenigstens mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Denn mit dem Begriff der Ganzschrift ist auch ein didaktischer Anspruch erhoben" (S. 9)

Ganz überzeugend sind der Begriff "Ganzschrift" und die hier vorgelegte Definition dennoch nicht. Denn fast liest diese sich, als sei es ausgeschlossen, dass man für die Lektüre von Kurzgeschichten oder Balladen auch mehrere Stunden brauchen kann. Aber gut: Kurzgeschichten und Gedichte liegen in der Regel nicht als Einzeldrucke vor.

Dieser Vorbehalt schmälert aber nicht den praktischen Mehrwert der gesamten Publikation. Positiv hervorzuheben ist vor allem die Auswahl der Beispieltexte, an den die einzelnen Schritte zur mittelfristigen Unterrichtsplanung konkret gemacht werden. Es gelingt dem Bändchen, aktuelle literaturdidaktische Diskussionslinien kurz und "knackig" auf die Ebene des Unterrichts herunter zu brechen. So verzichtet beispielsweise der Abschnitt zu den vereinfachten Lektüren, um nur ein Beispiel zu nennen, auf Ausführungen zu dem aktuell sehr rege geführten fachdidaktischen Diskurs zum Thema, sondern weist lediglich auf deren Existenz hin. Besonders hilfreich für die Unterrichtsplanung sind die Lernprogressionen und Stoffverteilungspläne im zweiten Abschnitt des Bändchens, die so konkret werden, dass sie (fiktive) Zeiten angeben, sogar Feiertage werden hier berücksichtigt: Mehr Praxisnähe geht kaum! Vor diesem Hintergrund ist dann auch die Verwendung des Begriffs "Ganzschrift" wieder plausibel und konsequent, denn auch er ist ja direkt dem Unterrichtsalltag entnommen.

Fazit

Wer eine Unterrichtseinheit zu Rico, Oskar und die Tieferschatten (oder einem der anderen Beispieltexte plant) dem sei Tilman von Brands Ganzschriften im Deutschunterricht unbedingt empfohlen. Vertiefende literaturdidaktische Analysen bleiben aus, sind aber auch nicht intendiert. Summa summarum: Eine sehr schöne Unterrichtshilfe für den Literaturunterricht der Sekundarstufen. Man möchte fast hinzufügen: ganz typisch von Brand.

Titel: Ganzschriften im Deutschunterricht. Mittelfristige Unterrichtsplanung zu Romanen, Novellen, Dramen und Graphic Novels
Autor/-in:
  • Name: von Brand, Tilman
Erscheinungsort: Hannover
Erscheinungsjahr: 2020
Verlag: Klett Kallmeyer
ISBN-13: 978-3-7727-1380-4
Seitenzahl: 112
Preis: 18,95 €
von Brand, Tilman: Ganzschriften im Deutschunterricht