Inhalt
Die Handlung des Films greift Motive und Handlungsstränge aus dem Erzählzyklus Tausendundeine Nacht auf, orientiert sich also an vielfältigen Versatzstücken der orientalischen Märchentradition. Ein Zauberer bietet dem Kalifen im Austausch gegen dessen Tochter Dinarsarde ein fliegendes Pferd. Als dessen Sohn Achmed dieses ausprobiert, bringt es ihn auf die Zauberinsel Wak Wak. Dort verliebt er sich in die Herrscherin Pari Banu, mit der er nach China weiterreist. Der Zauberer, den man nach Achmeds Verschwinden gefangen gehalten hatte, hat sich zwischenzeitlich befreit, ist Achmed gefolgt und raubt ihm Pari Banu nun, um sie an den chinesischen Kaiser zu verkaufen. Achmed aber trifft glücklicherweise auf eine mit dem Zauberer verfeindete Hexe, die ihm hilft, Pari Banu zu befreien und ihre Verheiratung mit einem Günstling des Kaisers zu verhindern. Daraufhin wird sie jedoch von Dämonen zurück nach Wak Wak verschleppt, dessen Felsentore sich nur mit Aladins Wunderlampe öffnen lassen. Der Zauberer hat allerdings dafür gesorgt, dass Aladin, der zwischenzeitlich mit Dinarsarde angebandelt hat, die Wunderlampe gar nicht mehr besitzt. Nachdem die Hexe mit ihrem Erzfeind gekämpft und die Lampe zurückgewonnen hat, tritt Achmed mit ihrer Hilfe gegen die Dämonen an, die Pari Banu als Strafe für ihr Verschwinden hinrichten wollen. Am Ende obsiegt das Gute und die beiden Paare Achmed und Pari Banu sowie Aladin und die inzwischen im Palast von Wak Wak aufgetauchte Dinarsarde kehren zum Kalifen zurück.
Kritik
Die Handlung ist rasant und bietet das übliche Hin und Her orientalischer Märchen. Eine tiefere Botschaft oder Allegorie ist nicht angelegt, stattdessen macht die visuelle Umsetzung den besonderen Reiz des Films aus. Reiniger hat auch andere Filme im Verfahren der Silhouetten-Animation erstellt, Die Abenteuer des Prinzen Achmed ist aber neben seiner filmhistorischen Stellung ein besonders gelungenes Beispiel. Für ein heutiges Publikum ist diese Animationstechnik durchaus ungewohnt. Eben hierin liegt einerseits der ästhetische Reiz des Films, zum anderen kann das Verfahren bei der Länge von 65 Minuten bei herkömmlicher Abspielgeschwindigkeit für ungeübte Augen ermüdend sein. Es ist ein Film, auf den man sich als heutiger Zuschauer einlassen muss, der einen dafür mit besonderen ästhetischen Erfahrungen belohnt.
Ist der Film in Deutschland allenfalls noch einem kleinen Kreis an Cinephilen bekannt, wird er in Frankreich beispielsweise bis heute regelmäßig auf Trickfilmfestivals gezeigt. Daher überrascht es nicht, dass sich in der französischen Comic-Verfilmung Persepolis (Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud 2007) Anspielungen auf den Scherenschnittstil von Die Abenteuer des Prinzen Achmed entdecken lassen. Digital nachgeahmt wird dieser Stil in einer Szene von Harry Potter and the Deathly Hallows – Part 1 (David Yates 2010), dem siebten Harry-Potter-Film. Hier dient er der Verbildlichung eines von Hermione vorgetragenen Binnenmärchens.
In beiden Fällen wird durch den intramedialen Bezug auch intermedial auf Tausendundeine Nacht verwiesen. In Persepolis dient der Verweis auf den ursprünglich dem persischen Raum entstammenden Erzählzyklus dazu, die iranische kulturelle Tradition aufzurufen; in Harry Potter unterstreicht der Bezug, dass es sich bei der von Hermione vorgelesenen Geschichte ebenso wie bei den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht um ein Märchen handelt. Damit wird der Realitätsstatus des Geschilderten anfänglich in Frage gestellt, ein Spiel mit Unschlüssigkeit, das auch Rowling in der Romanvorlage spielt. Wenig überraschend stellen sich die im Märchen eingeführten titelgebenden Heiligtümer des Todes im Nachhinein als real heraus und sind von eminenter Bedeutung für den Fortgang der Handlung. Doch der Verweis auf Tausendundeine Nacht gelingt eben über die Auseinandersetzung mit dem spezifischen Animationsstil von Die Abenteuer des Prinzen Achmed. So vergewissert sich gerade der Animationsfilm Persepolis durch den Bezug auf einen klassischen Vorgänger seiner eigenen Medialität. Bei Hermiones Märchen wird die Unschlüssigkeit hinsichtlich des Realitätsgehalts durch die Abweichung vom Realfilm verstärkt.
Während die Erinnerung an den Film also im Ausland partiell noch andauert, wäre diesem filmgeschichtlichen Kleinod auch in seinem Entstehungsland dringend mehr Beachtung zu wünschen. Kinder werden den Film kaum von sich aus interessant finden, es dürfte aber lohnenswert sein, ihnen diesen vergessenen Schatz – beispielsweise in pädagogischen Kontexten – wieder nahezubringen.
Fazit
Die Abenteuer des Prinzen Achmed ist ein aufwändig hergestellter Augenschmaus, der mit seiner ungewohnten Ästhetik herausfordert und besticht. Gelegentlich noch in anderen Filmen anzitiert, darf er doch als eher in Vergessenheit geraten gelten, sollte aber dringend wiederentdeckt werden. Die Restauration des Films zum hundertsten Geburtstag Lotte Reinigers 1999 macht diese Wiederentdeckung möglich. Der Bundesverband Jugend und Film e.V. empfiehlt ihn für Kinder ab 6 Jahren.
Lotte Reiniger auf KinderundJugendmedien.de
- Name: Reiniger, Lotte
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