Inhalt
Die Kindergeschichte Der fantastische Mr. Fox von Roald Dahl diente als Literaturvorlage für Wes Andersons Filmadaption von 2009. Als Drehbuchautor und Regisseur gab er dem Film einen speziellen Stil, den man in fast all seinen Filmen wiedererkennt.
Die Geschichte handelt von dem Fuchs Mr. Fox, der sein Familienglück in einem Baumhaus sucht, mit Blick auf die drei Farmhäuser der Bauern Boggis, Bunce und Bean. Vor der Geburt seines Sohnes Ash ist er oft zusammen mit seiner Frau Gänse stehlen gegangen, doch nahm Mrs. Fox ihm schließlich das Versprechen ab, dies in Zukunft zu unterlassen. Gelangweilt von seinem Leben als Kolumnist bei einer Zeitung und gewöhnlicher Familienvater erfasst ihn plötzlich das Verlangen, ein letztes Mal auf Jagd zu gehen. Zusammen mit dem Opossum Kylie plant Mr. Fox seinen letzten Coup und weiht seinen talentierten Neffen Kristofferson ein. Und das, obwohl sein Sohn Ash ihm seine Hilfe angeboten hatte.
Die Jagd nach Gänsen und Apfelwein endet, als die Bauern den Spieß umdrehen und die Jagd auf Mr. Fox eröffnen. Die Folgewirkung ist, dass der gesamte Naturraum umgegraben wird und nicht nur Mr. Fox' Familie, sondern auch alle anderen Tiere in der Umgebung in Gefahr sind und in die Kanalisation flüchten müssen. Hinzu kommt, dass Ash seinem Vater sein Geschick unter Beweis stellen möchte, indem er mit Kristofferson den vom Bauern Beans abgeschossenen Fuchsschwanz seines Vaters zurück erlangen will. Kristofferson wird bei dieser Aktion gefangen genommen, sodass es zu einem Showdown zwischen Tieren und Menschen kommt, bei dem den Tieren die Flucht in die Kanalisation gelingt.
Müde von der Jagd nach dem Kleinvieh resignieren die Bauern und warten darauf, dass die Tiere – vom Hunger getrieben – wieder aus dem Kanal heraus kommen. Mr. Fox allerdings, findet einen anderen Ausgang und gleichzeitig Zugang zur Lösung ihrer Hungersnot: einen Kanaldeckel in einem internationalen Supermarkt mit dem Namen Boggis, Bunce and Bean.
Kritik
Die Protagonisten
Familie Fox ist eine arme, aber glückliche Familie. Nichtsdestotrotz strebt Mr. Fox nach einem Leben außerhalb der Fuchshöhle, was stark an das Ideal des American Dream erinnert. Mit allen Mitteln möchte der Held des Films sein Ziel erreichen. Seine kriminelle Ader und seine 'fantastischen' Fähigkeiten scheinen ihm der einfachste Weg dafür zu sein. Aufgrund dessen widersetzt er sich dieser Vorbildfunktion ein letztes Mal und lässt dabei die Wirklichkeit außer Acht. Getrieben von seinem Wunsch nach Gänse- und Apfelweinvorräten, ignoriert er die Gefahr für ihn und seine Umwelt.
Sein abenteuerlicher, eigenwilliger, genialer aber auch naiver Charakter, kann tatsächlich als 'fantastisch' beschrieben werden. Solche Charaktere sind auch in Krimikomödien wie Ocean's Eleven (Soderbergh, 2001) und Keine halben Sachen (Lynn, 2000) zu finden: Die Protagonisten versuchen, ein normales Leben mit ihrer Familie zu führen, werden jedoch immer wieder von ihrer kriminellen Vergangenheit eingeholt. Durch ihr nicht aufhörendes Begehren nach Risiko fällt es ihnen schwer, gleichzeitig die Rolle als verantwortungsbewusste Aufsichtsperson einzuhalten.
Mr. Fox hat folglich auch keinerlei Bedenken, als er seinen Neffen Kristofferson mit auf die Beutejagd nimmt. In seinen Augen ist Kristofferson ein "Naturtalent" (TC 00:11:16), was seinen Sohn Ash verärgert, denn dessen Talente scheint Mr. Fox nicht zu erkennen. Doch im Laufe des Films entwickelt sich auch Ash zum 'mutigen Helden': Beim Showdown auf Mr. Beans Farm beweist er sein Talent als "Athlet" (TC 01:10:34). Daraufhin erhält Ash endlich die Anerkennung seines Vaters, die er zu Anfang des Films vergeblich zu erreichen versucht hatte. Die Veränderung der Vater-Sohn-Beziehung, verbessert gleichzeitig die Freundschaft zwischen Ash und Kristofferson. Denn erst jetzt nimmt Ash seinen Vetter nicht mehr als Konkurrenten wahr.
Motive
Freundschaft, Regelverstöße, Außenseitertum, Mutiger Held, und Gut vs. Böse sind Motive, die stets in Kinderfilmen ihren Ausdruck finden. Die Familie als zentrales Thema in diesem Film bietet jedoch Ansätze zur Auseinandersetzung mit sozialen Problematiken, die tiefgreifende Diskurse in aktuellen Gesellschaftsstrukturen aufzeigen.
Dass Ash von seinem Vater nicht die gewünschte Beachtung bekommt, ist ein Sachverhalt, der auch in der Peter-Pan-Variante Hook (Spielberg, 1991) aufgegriffen wird. In amerikanischen Filmen wird die Vater-Sohn-Beziehung oft thematisiert. Zwar lässt sich die zunehmende Individualisierung in den Industrienationen in allen Beziehungsgeflechten wiedererkennen, doch speziell Handlungselemente, die sich innerhalb der Familie abspielen, deuten diese Problematiken an. Von seinen eigenen Interessen getrieben, bemerkt Mr. Fox die Probleme seines Sohns nicht. Abfällig kommentiert er dessen Kleidungsstil und bezeichnet Ash als "anders" (TC 00:06:19), was Ash selbst ihm später nachtut (TC 01:07:52). Es muss zur Katastrophe kommen, damit sein Vater über die Beziehung reflektiert.
Diese Anspielungen auf Gesellschafts- und innerfamiliäre Problematiken adressieren ein erwachsenes Publikum, während die zahlreichen Motive der Kinder- und Jugendfilme die jüngeren Zuschauenden ansprechen. Die gesellschaftskritischen Sachverhalte werden jedoch nicht ironisiert oder durch komische Effekte überspielt, wie es in Animationsfilmen wie Shrek - Der tollkühne Held (Adamson, Jenson, 2001) der Fall ist, sodass sich die Frage stellt, ob Kinder und Jugendliche diese doppelsinnigen Filmszenen verstehen und wenn dies nicht der Fall sein sollte, ob sie Probleme haben, sie in die Filmhandlung einzuordnen.
Bildgestaltung
Wes Andersons Bildgestaltung hebt sich mit zahlreichen Reißschwenks und dem regelmäßigen, direkten Blick der Protagonisten in die Kamera von konventionellen, filmsprachlichen Mitteln ab. Ob Kinder im Alter von sechs Jahren schon so sehr von den Sehgewohnheiten des Hollywoodkinos geprägt sind, dass sie die Besonderheit der Bildgestaltung wahrnehmen, bleibt fraglich, jedoch werden Kinder und Jugendliche mit zunehmenden Alter und auch Erwachsene dies bemerken und möglicherweise als irritierend empfinden. Hier bleibt die Frage offen, ob Wes Andersons bildgestalterische Mittel eine Distanz zwischen Zuschauenden und Narration aufbauen.
Hinzu kommt, dass Anderson die Stop-Motion-Technik wählte, die in Kontrast zu den sonst so feinen Bewegungsabläufen in vollständig computeranimierten Filmen, keine dynamische Realitätsillusion erzeugt, wie es in Ice Age (Wedge, Saldanha, 2002) oder Shrek der Fall ist. Im Allgemeinen ist es fraglich, ob Kinder und Erwachsene dadurch weniger tief in den Filmtext eintauchen. Verständlicherweise hat dies auch seine Vorteile. In solchen Szenen wie die der Schießerei beim Showdown kann die Distanz ein Verständnis für den Unterschied von Realität und Fiktion verstärken. Die tatsächliche Brutalität der Handlung wird dadurch nicht als solche wahrgenommen.
Fazit
Die Komplexität der Filmhandlung mit Anspielungen auf die aktuellen Gesellschaftsentwicklungen wie die der Individualisierung spricht ein erwachsenes Publikum an, das mit diesen Diskursen vertraut ist. Die Handlung kann darüber hinaus auch auf einer weniger metaphorischen Ebene verstanden werden. Für Kinder im Alter von sechs Jahren wird die Problematik der menschlichen Gewalt gegenüber Tieren von Interesse sein. Die Bauern Boggis, Bunce und Bean nehmen die Funktion von Antihelden ein, weil sie den Naturraum und das Zuhause der Tiere zerstören. Dass sie durch Mr. Fox' Überfälle auf ihrer Farm wirtschaftliche Verluste erleiden, können sechsjährige Kinder erstens noch nicht verstehen und zweitens wird es im Film auch nicht herausgearbeitet.
Der fantastische Mr. Fox bietet eine Filmhandlung, die mit intertextuellen Kodierungen ein generationsübergreifendes Publikum anspricht. Die spezielle bildgestalterische Umsetzung, die sich von filmischen Konventionen unterscheidet, ließe sich noch genauer untersuchen. Vor allem wäre eine Untersuchung der Rezeption des Films in unterschiedlichen Altersgruppen von Wes Andersons bildsprachlichen Mitteln interessant.
- Name: Anderson, Wes
- Name: Anderson, Wes
- Name: Baumbach, Noah