Inhalt

Im Mittelpunkt der bislang zwei Staffeln à sechs Folgen umfassenden Serie Biohackers steht die ambitionierte Mia Akerlund (Luna Wedler), die in der Universitätsstadt Freiburg ihr Medizinstudium aufnimmt und dafür in eine Wohngemeinschaft einzieht. Diese besteht aus drei weiteren ehrgeizigen Studierenden, die zu Hause ihre ganz eigenen, legalen kleinen Forschungsprojekte verfolgen. So verändert die redselige Chen-Lu (Jing Xiang) mit Hilfe des CRISPR-Verfahrens das Erbgut von Pflanzen, um diese zum Leuchten zu bringen. Diese Erfindung könnte in naher Zukunft rentable Energiesparmaßnahmen ermöglichen, sofern man beispielweise die konventionelle Straßenbeleuchtung durch nachtleuchtende Pflanzen ersetzt. Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer) experimentiert am eigenen Leib mit Implantaten und unterhält seine Mitbewohnerinnen regelmäßig mit neuesten Erfindungen aus dem Bereich der Hirnforschung. Lotta (Caro Cult) stammt aus einem wohlbetuchten Elternhaus, insbesondere ihr Vater unterstützt mit großzügigen finanziellen Mitteln innovative Forschungsprojekte. Es dauert nicht lange, bis sich Mia mit ihren neuen Mitbewohnern anfreundet, die genauso wie sie dem studentischen Freiburger Nachtleben gegenüber nicht abgeneigt sind.

Abb. 1: Lunas WG in Partylaune: Neben dem anstrengenden Studium und den eigenen Forschungsexperimenten bleibt Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer, links), Lotta (Caro Cult, mitte), Chen Lu (Jing Xiang, rechts) und Mia (Luna Wedler, nicht abgebildet) noch genügend Zeit, sich ins nächtliche Partyleben zu stürzen. Foto © NetflixAbb. 1: Lunas WG in Partylaune: Neben dem anstrengenden Studium und den eigenen Forschungsexperimenten bleibt Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer, links), Lotta (Caro Cult, mitte), Chen Lu (Jing Xiang, rechts) und Mia (Luna Wedler, nicht abgebildet) noch genügend Zeit, sich ins nächtliche Partyleben zu stürzen. © Netflix

Was weder das Serienpublikum noch die Figuren zu diesem Zeitpunkt wissen, ist die Tatsache, dass Mia eigentlich Emma Engelns heißt und die einzige Überlebende des illegalen Forschungsprojektes Homo Deus der Biologieprofessorin Dr. Tanja Lorenz ist. Der visionären Wissenschaftlerin ist es nämlich gelungen, das Erbgut der von ihr behandelten Embryonen mittels Genmanipulation derart zu verändern, dass Erbkrankheiten gar nicht erst auftreten: „Nie wieder kranke Kinder“ lautet ihr Credo.

Abb. 2: Geschafft! Mia/Emma (Luna Wedler, Hintergrund rechts)) hat mit ihren bahnbrechenden Leistungen überzeugt und ist in den Mitarbeiterstab von Professorin Dr. Tanja Lorenz (Jessica Schwarz) aufgenommen wurden. © NetflixAbb. 2: Geschafft! Mia/Emma (Luna Wedler, Hintergrund rechts)) hat mit ihren bahnbrechenden Leistungen überzeugt und ist in den Mitarbeiterstab von Professorin Dr. Tanja Lorenz (Jessica Schwarz) aufgenommen wurden. © Netflix

Doch gemäß Embryonenschutzgesetz sind derartige Genmanipulationen an menschlichen Embryonen verboten. Da Mias bzw. Emmas Zwillingsbruder Ben im Kindesalter an den Folgen der illegalen Therapie verstorben ist – dieses Martyrium wird den Zuschauerinnen und Zuschauern mittels Flashbacks von Mia dargeboten – sinnt die junge Frau auf Rache. Sie möchte die kriminellen Machenschaften der skrupellosen Professorin an die Öffentlichkeit bringen, benötigt dazu aber noch aussagekräftiges Beweismaterial. Dazu schreibt sie sich in Lorenz’ Biologiekurs ein, freundet sich mit deren wissenschaftlichem Assistenten Jasper an und macht die Ausnahmewissenschaftlerin mit beeindruckenden Laborresultaten auf sich aufmerksam. Es gelingt ihr, in Lorenz’ inneren Circle aufzusteigen und Datenmaterial für die illegalen Versuche im Rahmen des Homo Deus-Projekts zu sichern.

Abb. 2: Geschafft! Mia/Emma (Luna Wedler, Hintergrund rechts)) hat mit ihren bahnbrechenden Leistungen überzeugt und ist in den Mitarbeiterstab von Professorin Dr. Tanja Lorenz (Jessica Schwarz) aufgenommen wurden. © NetflixAbb. 3: „Ihr seid die Schöpfer von morgen…“ Professorin Dr. Tanja Lorenz (Jessica Schwarz) bei dem Auftakt ihrer Vorlesung zur synthetischen Biologie in einem Hörsaal der Freiburger Universität. © Netflix

Als sie diese einem Journalisten zukommen lässt und die Wissenschaftlerin daraufhin zu Fall gebracht wird, wird Mia alias Emma entführt. Mit diesem Cliffhanger endet die erste Staffel. Zu Beginn der zweiten Staffel wacht Mia/Emma schließlich optisch verändert und mit Gedächtnislücken im Labor der Universität wieder auf und muss sich erst einmal zurechtfinden. Sie weiß nicht mehr, wem sie aus ihrem sozialen Umfeld trauen kann. Zudem leidet sie unter starken Kopfschmerzen und heftigem Nasenbluten. Zusammen mit ihren Mitbewohnern aus der WG findet sie heraus, dass an ihr unter der Schirmherrschaft eines Inverstors, nämlich Lottas Vater, der auch das Homo Deus-Projekt großzügig subventioniert hat, während der Entführung ein noch nicht zugelassenes Medikament mit letalen Nebenwirkungen getestet worden ist. Mia wird bewusst, dass sie nur noch kurze Zeit zum Leben hat. Ein nervenaufreibender Wettlauf gegen die Zeit beginnt, in dem nur die ehemalige Professorin Dr. Lorenz Mia bzw. Emma helfen kann.

Kritik

Der Natur ein Schnippchen zu schlagen, Krankheiten auszumerzen und Unsterblichkeit zu erlangen, diese Komponenten scheinen zum universellen Traum der Menschheit zu gehören. Von daher stellt das hier behandelte Thema, nämlich mit Hilfe von Genhacking zu einer optimierten bzw. an die Umwelt bestmöglich angepassten Version eines Menschen zu gelangen, nichts Neues dar. Auch in  Superhelden-Blockbustern wie Spiderman und Hulk oder in Serien wie Orphan Black, Altered Carbon und Black Mirror werden die gesellschaftlichen Konsequenzen medizinischer oder digitaler Errungenschaften in einer nahen Zukunft veranschaulicht und diskutiert. Doch die vom Streaminganbieter Netflix in Auftrag gegebene und von Christian Ditter entwickelte Serie, die aufgrund des Beginns der Corona-Pandemie erst im August 2020 ausgestrahlt werden konnte, kann zweifellos mithalten.

Biohackers wartet mit einem hollywoodreifen Cast auf. Während die Hauptrollen mit etablierten und erfolgreichen Darstellerinnen und Darstellern (z.B. Jessica Schwarz, Benno Führmann und Luna Wedler) optimal besetzt wurden, wird auch talentierten Nachwuchsschauspielerinnen und Nachwuchsschauspielern (z.B. Sebastian Jakob Doppelbauer, Adrian Julius Tillmann, Jing Xiang, Thomas Prenn und Caro Cult) genügend Raum gegeben. Diese spielen ihre Rollen derart überzeugend, dass die Sogwirkung der Serie neben dem spannenden Plot zu einem nicht unbeträchtlichen Teil ihnen zu verdanken ist. So bieten Mias/Emmas neugewonnenen Freunde mit ihrer leidenschaftlich ausgeführten Experimentierfreudigkeit im Dienste der Wissenschaft Identifikationspotenzial, auch wenn der hier dargebotene Einblick in die intelligente Ausnahme-WG überzeichnet wirken mag.

Neben universell existenziellen und ethischen Fragestellungen, z.B. „Wie weit darf man gehen, um zu überleben?“ oder „Wie viele Menschen darf man zum Wohl der Mehrheit opfern?“, spielt die Serie auch durch, wie man sich als Wissenschaftlerin in einer bisherigen Männerdomäne behaupten kann. Auch wenn Biohackers aufgrund der technischen Vorgaben des Streaminganbieters eine typische Netflix-Ästhetik aufweist, ergibt doch die grelle Farbgebung in sonst mit dunklen blau-schwarz Tönen gedrehten nächtlichen Szenen wegen der manipulierten fluoreszierenden Lebewesen und Objekte einen Sinn und wird daher auch nicht als störend empfunden. Die Emotionen der Figuren werden überwiegend mit Close Up-Einstellungen eingefangen und verringern somit die Distanz der Zuschauerinnen und Zuschauer zu dem Geschehen.

Wieviel Realität in dieser biomedizinischen Fiktion letztendlich enthalten ist, steht auf einem anderen Blatt. Tatsache ist, dass die hier angesprochenen Therapien in Ansätzen bereits durchgeführt werden (jedoch in Deutschland nicht an menschlichen Embryonen (§ 5 ESchG))) und die Produzenten während des Drehs kompetente Beratung seitens Dr. Ole Pless vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME in Hamburg erhalten haben, der „die Produktion dabei unterstützt [hat], die Geschichte mit realistischen wissenschaftlichen Fakten auszustatten“ (Life Science Nord). Warum nun aber ausgerechnet die aufstrebende Medizinstudentin Mia im Labor keine Handschuhe trägt und der Investor von Homo Deus die negativen Auswirkungen der von ihm geförderten Gentherapie für die Menschheit, nämlich Überbevölkerung, Krieg um Ressourcen etc., nach einem plötzlichen Sinneswandel als wichtiger einstuft als die Rettung von Menschenleben: das bleibt fragwürdig. Derlei Ungereimtheiten ändern aber nichts an der Grandiosität der Serie, die mit dem visionären Thema, den intelligenten Dialogen, einem tollen Independent-Soundtrack, der das (nächtliche) Studenten-Dasein mit einer authentischen Atmosphäre untermalt, und einer Prise romance-Plot im universitären Alltag eine wohltuende Abwechslung zu den sonstigen den Streaminganbieter-Markt überschwemmenden Highschool-Serien darstellt.

Fazit

Diese rasante und spannende Mini-Thrillerserie ist nichts für schwache Nerven, aber für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene geeignet, die ein Faible für visionäre Zukunftsideen samt ihrer moralisch-ethischen Fragwürdigkeit haben. Fans von Black Mirror, Orphan Black und ganz neu Peripherie kommen hierbei voll auf ihre Kosten.

Literatur

 

 

 

Titel: Biohackers
Regie:
  • Name: Christian Ditter
  • Name: Tim Trachte
Originalsprache: Deutsch
Drehbuch:
  • Name: Tanja Bubbel
  • Name: Nikolaus Schulz-Dornburg
  • Name: Johanna Thalmann
  • Name: Miriam Rechel
Erscheinungsjahr: 2020
Dauer (Minuten): Zwei Staffeln mit jeweils 6 Episoden á 40-45 Minuten
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
FSK: 12 Jahre
Format: Stream
Biohackers (Christian Ditter, Tim Trachte, 2020)