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Um sich an ihrem untreuen, mittlerweile geschiedenen Ehemann Rupert Mannion (Anthony Head) und ehemaligen Miteigentümer des Profi-Fußballclubs AFC Richmond zu rächen, engagiert die amtierende Vereinspräsidentin Rebecca Welton (Hannah Waddingham) den American-Football-Trainer Ted Lasso (Jason Sudeikis). Auf diese Weise hofft sie, den Verein herunterwirtschaften zu können (vgl. Abb. 1). Sie zwingt ihren Manager Higgins (Jeremy Swift), Lasso zu torpedieren, und hetzt die Presse gegen ihn auf.
Abb. 1: Der Schein trügt. Auch wenn sich die Clubbesitzerin Rebecca Welton (Hannah Waddingham) Coach Lasso (Jason Sudeikis) gegenüber freundlich zeigt, verfolgt sie einen perfiden Plan. Copyright: Apple TV+
Der aus Kansas stammende ehemalige College-Trainer Lasso hat von Fußball keine Ahnung. Er ist aber froh, eine neue Herausforderung annehmen zu können, da es in seiner Ehe mächtig kriselt und der Paar-Therapeut eine vorläufige Distanz vorgeschlagen hat. Zusammen mit seinem Freund Coach Beard (Brendan Hunt) muss er sich als erstes den Respekt der Mannschaft und der skeptischen Fans erarbeiten. Diese empfangen den neuen und während der Saison nicht siegreichen Coach mit Hasstiraden-Fangesang. Doch allmählich erobert Lasso mit seinem Charme, seinem unerschütterlichen Optimismus, seiner Aufrichtigkeit und mit seinen unkonventionellen Trainingsmethoden die Herzen der Spieler, der Fans und letztlich auch der Presse (vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Fast geschafft! Ted Lasso (Mitte, Jason Sudeikis) und Coach Beard (hinten rechts, Brendan Hunt) erlangen mit Unterstützung des alternden Team-Captains Roy Kent (vorne links, Brett Goldstein) und ihrer freundlichen Art das Vertrauen der Spieler vom AFC Richmond. Copyright: Apple TV+
Auch Rebecca Welton (Hannah Waddingham) muss sich eingestehen, dass Ted Lasso genau die richtige Person ist, den Verein vor dem drohenden Abstieg zu bewahren. Nach einer Aussprache versuchen sie alle gemeinsam, dieses „Wunder“ in dem letzten Spiel der Saison (vgl. Abb. 3) gegen den Erzrivalen Manchester City zu vollbringen (Staffel 1).
Abb. 3: Kann das Tabellen-Schlusslicht Richmond dem Tabellenführer Manchester City mit der „Lasso-Methode“ die Stirn bieten? Copyright: Apple TV+
Im Juli 2021 ging die zweite Staffel von Ted Lasso an den Start und stieg zu einer der meistgesehenen Serien auf Apple TV+ auf. Die erste Folge von Staffel 2 beginnt mit einem tragischen Unglück. Um einem der Spieler aus der daraus entstehenden Krise zu helfen, wird die Psychologin Dr. Sharon Fieldstone (Sarah Niles) engagiert (vgl. Abb. 4). Ein geschickter Schachzug, denn im weiteren Verlauf der zwölf Folgen erfahren Zuschauende auf diese Weise mehr über das Gefühlsleben einzelner Teammates sowie über das von Ted Lasso.
Abb. 4: Dr. Sharon Fieldstone (Sarah Niles) vervollständigt das Trainer-Team vom AFC Richmond. Sie avanciert mit ihrer kompetenten Art zu einer wichtigen Stütze von Ted Lasso und wird von den Spielern geschätzt. Copyright: Apple TV+
Daneben stehen Machtspiele zwischen Rebecca und Rupert auf der Tagesordnung. Roy Kent widmet sich neuen Aufgaben, ein früherer Star-Fußballer kehrt zurück in das Team des ACF Richmond, Werbeverträge platzen und Pressekonferenzen ähneln einer Kampfarena.
Verpackt in die eigentliche Geschichte um Coach Lasso und den Auf- bzw. Abstiegskampf des AFC Richmond werden in der zweiten Staffel ernstere Themen angesprochen. Es geht um Fragen nach Freundschaft und Verrat, Rivalität und Loyalität sowie Teamgeist und Familienbande. Aber auch aktuelle Probleme wie Umweltverschmutzung und der Umgang mit psychischen Erkrankungen im Hochleistungssport werden thematisiert. Dieser Vorbildcharakter führte sogar dazu, dass der Cast von Ted Lasso am 27.03.2023 von dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden eingeladen wurde, um mit ihm und seiner Ehefrau Jil Biden über das Thema psychischen Gesundheit zu sprechen (vgl. Abb. 5).
Auf den Social-Media-Kanälen machte der Präsident auf dieses Treffen mit dem aus der Serie bekannten Plakat „Believe“ aufmerksam, das der neue Coach quasi als erste Amtshandlung in der Mannschaftskabine aufhängt.
Abb. 5: Auf seinem Twitter-Account hat der amerikanische Präsident mit Ted Lassos Lebensmotto „Believe“ auf das Treffen am nächsten Tag hingewiesen.
Kritik
Die Entstehungsgeschichte der von Jason Sudeikis entworfenen und verkörperten Kunstfigur Ted Lasso ist genauso witzig wie die Serie selbst. So trat Coach Lasso bereits seit 2013 in Werbespots von NBC Sports auf, um auf die britische Premier League aufmerksam zu machen. Zusammen mit Brendan Hunt übernimmt Sudeikis darin die Rolle des schnauzbärtigen, stets einen Visor tragenden Coaches für das fiktive Premier-League-Team Tottenham Hotspur. Diese Werbevideos sind bei YouTube noch abrufbar (vgl. z.B. https://www.youtube.com/watch?v=6KeG_i8CWE8) und wurden millionenfach aufgerufen.
Angesichts der überwältigenden Resonanz entwickelte der Streaming-Anbieter Apple TV+ aus der Kultfigur eine Serie.
Die Idee, einen Abstiegskandidaten mit einem neuen Trainerteam, dem allen zunächst skeptisch gegenüberstehen, zu Erfolg zu verhelfen, ist keineswegs neu. Erinnert doch der Plot an Die Bären sind los (1976) oder Die Indianer von Cleveland (1989), in denen eine externe Figur − sozusagen als deus ex machina – in der Notsituation als Helferfigur fungiert. Diese tritt hier in Gestalt Lassos auf. Neben Coach Lasso wartet die Serie mit weiteren facettenreichen Figuren auf, die allesamt Außenseiter sind und Klischees und Stereotypen erfüllen, die aber immer wieder durchbrochen werden. Da ist z.B. der alternde und überaus zornige Team-Kapitän Roy Kent (Brett Goldstein), der sich durch eine raue Fäkalsprache auszeichnet, sich aber heimlich mit einer Gruppe älterer Frauen, den Yoga Mums, trifft, um mit ihnen gemeinsam die Reality TV Show Von Lust besessen zu schauen. Auch das von allen Seiten gehypte Nachwuchstalent Jamie Tartt (Phil Dunster) wird der Vorstellung eines egozentrischen Spielers ohne Teamplay gerecht, bis sich herausstellt, dass er von seinem Vater zu Höchstleistungen angetrieben wird. Der zunächst unscheinbare Außenseiter Nathan entpuppt sich als geschickter Trainerstratege, der besonders in Staffel 2 um Anerkennung kämpft – notfalls auch mit „harten Bandagen“. Auch bei den weiblichen Figuren wird nicht an Klischees gespart. Allen Figuren ist gemeinsam, dass sie sich in der Gegenwart Lassos weiterentwickeln und innerlich reifen.
Der Serie gelingt es, die raue britische Fankultur auf den Straßen, in den Stadien und in den Kneipen mit Sprechchören und erhitzen Gemütern einzufangen, so dass ein authentisches Bild der dortigen Fußball-Jugendkultur eingefangen wird (vgl. Abb. 7 und 8).
Die dazu als Kontrast dienende heimelige Wohlfühlatmosphäre wird mit Bildern aus den Pubs, den urigen verwinkelten Straßen der Stadt und den gemütlich ausgestatteten Wohnungseinrichtungen eingefangen, in denen gedämpfte warme Farbtöne vorherrschen.
Abb. 7: Egal, was auch passieren mag. Ted Lasso (Jason Sudeikis) und Coach Beard (Brendan Hunt) halten zusammen und frönen trotz zahlreicher Niederlagen der englischen Kneipen-Kultur.
Diese stehen insbesondere in der ersten Staffel im auffälligen Farbkontrast zu den kalt wirkenden vorherrschenden Grau-Blautönen und der ebenfalls kaltweißen Beleuchtung in der Mannschaftskabine, die die anfängliche Skepsis des Teams gegenüber dem neuen Trainergespann gekonnt untermalt.
Auch ein Blick auf den Soundtrack lohnt sich. Viele Stücke liefern versteckte Hinweise auf das weitere Geschehen oder runden eine Folge ab. Für den Spieler Dani Rojas (Cristo Fernández) bedeutet beispielsweise „Fußball das Leben“ – wie er ununterbrochen betont, dennoch verliert er zwischendurch den Glauben an sich und an den Sport. Der passende Song dazu ist „Live is Life‟ von Opus. Weitere Songs, bei denen der Titel schon den weiteren Handlungsverlauf erahnen lässt, sind z. B. „Under Pressure“ von Queen feat. David Bowie oder auch „Don’t bring me down‟ von Electric Light Orchestra.
Interessant wird es auch dann, wenn die beiden Kulturen – Amerika und England – aufeinanderprallen. Da kommt es unweigerlich zu amüsanten Szenen, die aber nicht immer für jeden verständlich sind. Wer nicht weiß, dass Chuck E. Cheese eine Art Indoor-Spielplatz für Kindergeburtstage mit Arcade Games und Pizza ist, der wird den Witz nicht ganz durchdringen. Diejenigen, die sich die Serie in der Originalsprache ansehen, werden zudem auf sprachlicher Ebene ihren Spaß haben. Neben den Außenseiterfiguren stellt der culture clash ein weiteres bedeutendes Topos der Serie dar.
Fazit
Der große Erfolg der Serie ist nicht zuletzt auf die Figur Ted Lasso zurückzuführen (großartig gespielt von Jason Sudeikis!). Mit seinem unerschütterlichen Optimismus, seiner unerschrockenen Ehrlichkeit und dem Blick nach vorne, wächst er einem zunehmend ans Herz. Von ihm könnte sich so manche Führungskraft etwas abgucken! Aber auch der einerseits feine und andererseits brachiale Humor trägt sicherlich dazu bei.
Vielleicht erfährt die Serie aber auch so viel Zuspruch, weil sich sämtliche Figuren mit den Schwierigkeiten des Lebens herumschlagen, dabei nie aufgeben und sich stets gegenseitig unterstützen. Fairplay, Teamgeist und Respekt spielen hier eine zentrale Rolle; Themen, die auch für Jugendliche interessant sein dürften. In Coach Lasso könnten sie den perfekten Mentor dafür finden.
Ted Lasso ist die perfekte Wohlfühlserie. Selbst wer sich vorher nicht für Fußball interessiert hat, könnte hiermit zum Fan werden und den Spielen des AFC Richmond unter der Leitung des Trainergespanns entgegenfiebern.
- Name: Jane Becker
- Name: Jamie Lee
