Inhalt
Der etwa zehnjährige Finn (Miran Selcuk) lebt abwechselnd bei seinem Vater in der mecklenburgischen Provinz und bei seiner Mutter in Berlin. Als er im Zug sitzt, um in die Hauptstadt zu fahren, wird ihm von einem jungen Mann in Rockermontur sein Rucksack geklaut. Da sich in dem Rucksack nicht nur sein geliebtes Erinnerungsalbum, sondern auch seine Fahrkarte befindet, wird Finn aus dem Zug geworfen und der Polizei übergeben. Bei einem Auffahrunfall auf einer Landstraße kann er aber – mehr oder weniger freiwillig – aus dem Polizeiauto fliehen: In dem Wagen, das auf das Polizeiauto auffährt, sitzt die etwa 12-jährige Jola (Lotte Engels) auf dem Beifahrersitz, die sich ebenfalls in einer familiären Konfliktsituation befindet und das Vertrauen in die Erwachsenenwelt verloren hat. Die beiden fliehen vom Unfallort und es beginnt eine spannende und mit Absurditäten gespickte Reise quer durch den Nordosten Deutschlands.
Finn und Jola schließen einen Traktor kurz und erleben in den zwei Tagen ihrer Reise mehrere Abenteuer und verrückte Situationen: Sie übernachten zu zweit auf einem Hochsitz im Wald, ihr Traktor wird nach einem Unfall von zwei dänischen Nudist*innen abgeschleppt, es kommt zu einem Konflikt mit einer Dragqueen in einem Erotikshop und sie müssen Finns Rucksack von einer Rockergruppe zurückstehlen, um anschließend dem Dieb des Rucksacks noch eine Lektion zu erteilen.
Kritik
Bei Kannawoniwasein! handelt es sich um die Verfilmung des 2018 veröffentlichten Romans von Martin Muser. Mittlerweile sind zwei weitere Bücher in der Reihe erschienen, zu allen drei Teilen wurden zudem Hörbuchfassungen und Hörspiele produziert. Der Film ist also Teil eines Medienverbunds, was gängig ist für viele aktuelle deutschsprachige Kinderfilmproduktionen – an dieser Stelle sei lediglich auf Die Schule der magischen Tiere verwiesen. Stefan Westerwelle hat bei der Umsetzung des Stoffes leichte Änderungen vorgenommen: Die Anführerin der Rockergang ist eine Frau, zudem ist das Ziel der Reise nicht Berlin, sondern das Meer. Ansonsten orientiert sich der Film sehr stark an der literarischen Vorlage, das gilt etwa auch für die Figurenzeichnung.
Die beiden Hauptfiguren in Kannawoniwasein! bieten großes Identifikationspotenzial für kindliche Rezipierende: Einerseits der eher ruhige, etwas verträumt-schüchterne Finn, der sich mit der neuen Situation in seiner Familie zurechtfinden muss und auf der Reise immer mehr aus sich herauskommt. Andererseits die frech-anarchische und schlagfertige Jola. Sie geht immer wieder in die Konfrontation mit den Erwachsenen, zeigt aber auch ihre verletzliche Seite. Sie stellt so etwas wie die Grunge-Version einer Pippi Langstrumpf dar. Der Fokus liegt auf der Figurenebene insgesamt auf Finn, über den die Zuschauer*innen deutlich mehr erfahren, Jola fungiert vor allem als seine Mentorin. Die erwachsenen Figuren in Kannawoniwasein! werden entweder überfordert-schrullig oder unsympathisch-aggressiv dargestellt. Der Film fokussiert sich durchgängig auf eine kindliche Perspektive und erzählt die Reise mit all ihren Skurrilitäten aus der Sicht der beiden Kinder.
Der Film kommt dabei gänzlich – und das ist eher untypisch für aktuelle deutsche Kinderfilmproduktionen – ohne eine Voice-Over-Stimme der Hauptfigur(en) aus. Vielmehr gelingt es dem Regisseur durch visuelle Gestaltungsmittel – etwa durch Point-of-View-Shots, Großaufnahmen der Gesichter oder durch das Spiel mit der Farbgebung und der Beleuchtung – innere Prozesse Finns und Jolas darzustellen, um eine subjektive Involvierung bei den Zuschauer*innen zu erzeugen. Diese Fokussierung auf das Visuelle ist sehr erfrischend. Ebenso kommt der Film – auch wenn das Filmplakat etwas anderes suggeriert – ohne eine überladene High-Key-Beleuchtung aus, die ebenso in vielen aktuellen Kinderfilmen dominiert. Insgesamt überwiegt zudem ein verhältnismäßig langsames Erzähltempo: Viele Szenen lassen sich Zeit und es entstehen dadurch stimmungsvolle Bilder von den Landschaften und den Figuren. Gleichzeitig entsteht bei den kindlichen Zuschauer*innen keine Langeweile, sondern Westerwelle findet genau das richtige Tempo, um die Geschichte zu erzählen und es kommt zu einer gut austarierten Mischung aus äußerer Spannung, Humor und Innerlichkeit.
Typisch für das Roadmovie-Genre stellt die äußere Reise auch eine innere Reise bzw. Reifung dar, wobei diese in Kannawoniwasein! nicht in der Nachdrücklichkeit in die Story eingebunden ist, wie das in anderen Genre-Vertretern der Fall ist. Die temporäre Flucht aus dem (familiären) Alltag steht in Westerwelles Film hingegen viel stärker im Mittelpunkt, das Ausbrechen und Austesten.
Bei aller inszenatorischen und narrativen Individualität werden am Ende der filmischen Erzählung dann wieder gängige Konventionen des Kinderfilms aufgegriffen: An der Ostsee kommt es zur Reintegration der beiden Kinder in ihre Familien. Das hätte es in dieser Form nicht unbedingt gebraucht: Dass auch ein offenes Ende in Roadmovie-Kinderfilmen funktioniert, hat etwa der schwedische Film Tilda & die beste Band der Welt (2018) gezeigt.
Fazit
Insgesamt überzeugt Kannawoniwasein! durch zwei sympathische Hauptfiguren, die Mischung aus Abenteuer und Humor und durch die für den aktuellen deutschen Kinderfilm erfrischend unaufdringliche Inszenierung. Der Film bietet sich für kindliche Zuschauer*innen ab 6 Jahren an.
- Name: Stefan Westerwelle
- Name: Klaus Döring
- Name: Adrian Bickenbach
- Name: Stefan Westerwelle