Inhalt

In Astrid Lindgrens Als Michel 'Das große Aufräumen von Katthult' veranstaltete zeigt sich deutlich, wie herzensgut Michel trotz seiner Streiche ist: Als er nämlich erfährt, dass die böse Maduskan ihren Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern aus dem Armenhaus das gespendete Essen vorenthält und sie zu Weihnachten hungern lassen will, veranstaltet Michel ein Festessen für die Hungernden. Die Bewohnerinnen und Bewohner lassen es sich schmecken und räumen die Vorräte leer (das Leeren der Essensvorräte wird euphemistisch als 'Das große Aufräumen' beschrieben), die eigentlich für das geplante Weihnachtsfestessen von Michels Familie gedacht waren. Aber auch seine Mutter nimmt ihm diesen Streich nicht übel und am Ende sieht auch Maduskan ein, dass sie falsch gehandelt hat.

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Kritik

Oetinger Audio bringt Astrid Lindgrens Michel-Geschichten in Hörspielform auf den Markt. Die Produktion basiert auf Lindgrens Als Michel 'Das große Aufräumen von Katthult' veranstaltete und die Maduskan in der Wolfsgrube fing (1966). In weiten Teilen erfolgt die Ausgestaltung des Hörspiels wortgetreu in Bezug zur adaptierten Geschichte, die Veränderungen sind sehr moderat. Dadurch entsteht formal eine Inszenierung, die zwischen Hörbuch und Hörspiel einzuordnen ist: Einerseits ist die extradiegetische Erzählinstanz anders als in typischen Hörspielen sehr dominant, andererseits werden aber zahlreiche Dialoge durch unterschiedliche Sprecherinnen und Sprecher in hörspieltypischer Unmittelbarkeit dargestellt.

In Hinblick auf die klangliche und stimmliche Gestaltung ist das Hörspiel dezent inszeniert. Die Erzählerin (gesprochen von Katja Brügger) erzeugt mit ihrer markant-rauchigen Stimme eine durchgehend nostalgische Stimmung. Ihre unaufgeregte, aber klar betonte Artikulation erzeugt eine Vorlesesituation, die angenehm verwoben ist mit den diegetisch ausgestalteten Klängen und Geräuschen. Dabei wechseln sich längere vorgelesene Passagen ab mit den Dialogen der handelnden Figuren. Die Gemütlichkeit der Situation wird dadurch gesteigert, dass in den Szenen in Innenräumen fast durchgehend eine Geräuschkulisse ausgestaltet wird, bei der im Hintergrund das Knistern brennenden Heizholzes eingespielt wird, in Außenszenen hingegen pfeift der Wind grundsätzlich leise, aber dynamisch und erzeugt damit den stimmigen Eindruck eines eisigen Winterabends. Zudem ist im Hintergrund zum Teil Geschirrklappern zu hören oder die Schilderungen erscheinen dadurch als unmittelbar, dass Teile aus Gesprächsfetzen zu hören sind. Beispielsweise berichtet die Erzählerin gerade vom Armenhaus und den dortigen Leidensbedingungen, während im Hintergrund das Stöhnen mehrerer Figuren zu hören ist und damit die Schilderungen verstärkt werden (IV, 02:45).

Die sehr zurückhaltend eingesetzte extradiegetische Musik moderiert meist Szenen- und Ortswechsel. Durch die warmen Gitarren- und Akkordeon-Klänge wird ein idyllisches Bild einer vergangenen Zeit erzeugt, das durch die Geschichte trägt und damit den warmen Vorleseton der Erzählerin unterstützt. Zum Teil reichert die Musik auch die Dramatik von Szenen an, indem beispielsweise Schreckmomente auch durch plötzlich einsetzende, kurze und kräftige Elemente musikalisch ausgestaltet werden. Nur behutsam werden Erzählelemente teilweise in Monologe oder Dialoge handelnder Figuren übertragen und erzeugen so eine neue Dynamik. Die Figurenrede ist sehr überzeugend betont, die Kinderstimmen intonieren flüssig und die Sprechstimmen sind absolut passend zu ihrem jeweiligen Charakter besetzt.

Eine der deutlichsten Veränderungen gegenüber Lindgrens Geschichte bietet gleich der Einstieg: Die Episode in der Textfassung beginnt damit, dass Michel und der Knecht Alfred von der Arbeit auf dem Acker nach Hause kommen. Magd Lina steht gerade in der Küche und ist erzürnt, weil die beiden den frisch gewienerten Fußboden beschmutzen (vgl. Lindgren 2019, 60). Linas Zuordnung zum Bereich der Küche und der häuslichen Sauberkeit impliziert ein konservatives Geschlechterrollenverhältnis. Alfred hingegen wird als Ernährer außerhalb des Hauses gekennzeichnet, der sich zwar zu Lina hingezogen fühlt, sich aber nicht binden will (vgl. Lindgren 2019, S. 93). In der Buchvorlage ist seine anfängliche Argumentation, dass er Lina nicht heiraten wolle, weil sie zu pingelig sei: "Wer sie heiratet, hat keine ruhige Stunde mehr in seinem Erdenleben" (Lindgren 2019, S. 60). Dieses klassische Hausfrauenbild und die mit der Aussage Alfreds einhergehende Diskriminierung wird in dem Hörspiel zumindest ein Stück weit zurückgenommen, indem der Streit zwischen Alfred und Lina hier darum entbrennt, dass Alfred sich nicht beim Stopfen der Löcher in seinen Socken helfen lassen möchte:

Lina: So geht das doch nicht. Gib mal her.

Alfred: Nein, nein, Lina. Ich mach' das schon.

Lina: Nie lässt du mich dir helfen, also wirklich. […] Da werd' ich wohl mal nach den Kühen seh'n. (I, 02:00)

Lina geht daraufhin tatsächlich auf den Acker, um nach den Kühen zu schauen. Auch im Hörspiel bleibt es allerdings dabei, dass Alfred sie nicht heiraten möchte und sich nicht sicher ist, wie er ihr das sagen soll. Die Szene am Schluss, in der Alfred im Erzähltext gegenüber Lina eröffnet, dass er sie nicht heiraten wolle, wird in der vorliegenden Hörspiel-Version allerdings ausgespart. Das ist eine eindeutig sinnvolle Anpassung und lässt damit das allzu überkommene Bild von Ehe und Familie etwas moderater scheinen. Im Original merkt Alfred nämlich, dass er nie von Lina loskommen wird, aber einfach noch seine Freiheit genießen will, und Lina lässt ihm diese Freiheit zunächst. Dieses sehr traditionelle Rollenbild der Magd, die die Ruhe bewahrt, wenn es darum geht, den Mann an sich zu binden, und des Mannes, der sich die Hörner abstoßen will, ist in der Welt des Hörspiels angenehmerweise nicht mehr vorhanden. Allerdings bleibt durch die Aussparung des Schlusses die anfängliche Auseinandersetzung mit dem Heiraten doch ein wenig isoliert stehen. Alfreds Zaudern mit der Ehe stellt damit einen Erzählfaden dar, der am Ende gar nicht mehr aufgegriffen wird und der daher auch für die Inszenierung gänzlich entbehrlich gewesen wäre.

Dann hätte auch die arg konservative Aussage Alfreds "Dann denkt sie nur wieder, sie könne mich heiraten. Und dann sitze ich in der Falle" (I, 02:39) umgangen werden können. Zudem ließe sich überspitzt festhalten, dass so bis zum Schluss zumindest nicht die Position widerlegt wird, der zufolge Lina auf Alfreds Heiratswillen angewiesen ist, um ihr Glück zu finden.

Fazit

Lindgrens Michel-Geschichte wird mit wenigen inszenatorischen Eingriffen zu einem Hörspiel, das einen gemütlichen Genuss für Hörerinnen und Hörer ab 5 Jahren verspricht. Mit dem Titellied Michael war ein Lausejunge mit fröhlicher Gitarren- und Akkordeonmusik von Georg Riedel tauchen Erwachsene in die Welt ihrer Kindheit ein und Kinder werden mitgenommen in die idyllische Lindgren-Welt. Die Regisseurinnen Jennifer Cubela und Uticha Marmon fangen damit die Stimmung von Lindgrens Text ansprechend ein. Gerade die vorliegende Episode, in der Michel den Armen hilft, ein reichhaltiges Festmahl zu verspeisen, bietet ein nicht zu konservatives Panorama einer schwedischen Dorf-Geschichte. Die klugen und dezent eingesetzten Veränderungen des Textes hätten im Rahmen der lizenzrechtlichen Möglichkeiten gern ein bisschen mutiger sein dürfen. Die Passagen, in deren Rahmen Erzählrede in Dialoge umgesetzt wurde, schaffen aber dessen ungeachtet eine Dynamik, ohne dabei die Ursituation des Vorlesens zu durchbrechen. Eine schöne Winter- und Weihnachtsgeschichte zum Anhören. Schade, dass sie nur als CD und nicht als Download erhältlich ist.

Literatur

Astrid Lindgren: Michel muss mehr Männchen machen. Geschichtensammlung. Übers. v. Karl Kurt Peters. Hamburg: Oetinger, 2019 [Ersterscheinung 1966].

Titel: Lindgren, Astrid: Als Michel 'Das große Aufräumen von Katthult' veranstaltete (Hörspiel)
Regie:
  • Name: Jennifer Cubela
  • Name: Uticha Marmon
Autor/Bearbeitung:
  • Name: Jennifer Cubela
  • Name: Uticha Marmon
Sprechende: Katja Brügger (Erzählerin), Jonas Kirsch (Michel), June Riedeberger (Ida), Julian Greis (Anton), Katja Danowski (Lina), Michael Prelle (Michels Vater), Gabriele Libbach (Michels Muter)
Produktion: Oetinger Media
Erscheinungsjahr: 2022
Dauer (Minuten): 54
Preis: 13,00
Altersempfehlung Redaktion: 5 Jahre
Lindgren, Astrid: Als Michel 'Das große Aufräumen von Katthult' veranstaltete (Hörspiel)