Wieviel möchte ich in den sozialen Medien von meinem Privatleben preisgeben? Sind Follower und Insta-Freunde wirklich echte Freunde? Die US-amerikanische Autorin Kara Dowell berührt diese Fragen in ihrem jüngst im Loewe-Verlag erschienenen Roman in Ansätzen, reflektiert diese aber nur oberflächlich. Vordergründig liefert sie eine spannende Story über zwei Mädchen, von denen eine ein wohlgehütetes Familiengeheimnis aufdeckt.
Inhalt
Claire und Poppy sind seit Kindesbeinen Social-Media-Stars, denn ihre Mutter betreibt von Geburt der Zwillinge an einen erfolgreichen Mami-Blog auf Instagram. So sind die Mädchen mit zahlreichen Followern im Netz groß geworden und sind es gewohnt, ihr Privatleben in der Öffentlichkeit zu inszenieren. Der Vater der Zwillinge ist gestorben, als diese noch Kleinkinder waren. Je älter die Mädchen werden, desto mehr bilden sich bei der Ich-Erzählerin Claire Zweifel aus, ob sie dieses Leben im Fokus der Öffentlichkeit überhaupt führen will, während ihre Schwester den Ruhm genießt. Claires Unwohlsein erreicht einen Höhepunkt, als sie im Alter von 17 Jahren, dem Zeitpunkt der Erzählgegenwart, Rafael kennenlernt, der noch nie ein Smartphone besessen hat. Die beiden verlieben sich ineinander, was zur Folge hat, dass Claire – zum Entsetzen von Mutter und Schwester – aus dem Blog und der damit einhergehenden öffentlichen Inszenierung des Familienlebens aussteigen will. So kommt es zum familiären Eklat. Durch heimliche Lektüre des Tagebuchs der Mutter findet Claire heraus, dass sie als Baby adoptiert wurde und gar nicht der wahre Zwilling von Poppy ist, was ihre Fremdheitsgefühle gegenüber Mutter und Schwester erklärt. Das emotionale Drama nimmt seinen Lauf, als sich Claire in Begleitung von Rafael aufmacht, um ihre leibliche Mutter kennenzulernen. Diese entpuppt sich als die Frau, die einst versucht hatte, die Mädchen zu entführen: Sie ist alkoholabhängig und psychisch labil. Geschockt wendet Claire sich wieder ab – und findet nun doch Zugang zu ihrer „adoptierten“ Familie, aber das im wahren Leben, jenseits von „Likes und Herzchen“, in der Realität. Aber sie versteht nun auch, dass die Mutter mit dem Mami-Blog den Lebensunterhalt der Familie gesichert hat.
Kritik
Just for clicks ist ein einfach erzählter Jugendroman, der sich mit rosafarbener Covergestaltung und einer schnell und dynamisch erzählten Handlung, die sich aus weiblicher Ich-Perspektive entfaltet, vor allem an Mädchen richtet. Spannungsstruktur und die Integration vieler WhatsApp-Dialoge unter den Figuren, die sich typographisch vom Fließtext absetzen, sorgen für leichte Lesbarkeit und einen unterhaltsamen Erzählton. Die Story regt zur Reflexion darüber an, wie wichtig die Privatsphäre ist und wieviel man in den sozialen Medien in der Öffentlichkeit preisgeben will und kann – mehr aber leider nicht, der Konstruktcharakter der Handlung ist zu offensichtlich, die Figuren flach und unglaubwürdig konzipiert. Insbesondere die Mutter der vermeintlichen Zwillingsmädchen erscheint eindimensional, wenn sie ihre Töchter ohne Rücksicht auf Verluste öffentlich zur Schau stellt und Claire gegenüber zunächst absolut unempathisch agiert:
"'Jemand wollte wissen, was für Unterwäsche wir tragen', antwortet Poppy. Sie war nicht annähernd so schockiert wie ich, als wir in unserem Posteingang auf dieses Juwel gestoßen sind. Mom macht eine wegwerfende Geste. ‚Die Frage bekomme ich wöchentlich mindestens einmal gestellt, seit ich mit dem Bloggen angefangen habe. Ignoriert einfach alles, was ihr komisch findet, und beantwortet nur, wobei ihr euch wohlfühlt."
‚Was, wenn ich mich bei keiner der Fragen wohlfühle?‘ frage ich. Mom und Poppy wechseln amüsierte Blicke. Dumme Claire. Wie sie sich immer ziert, den Preis des Ruhms zu zahlen“ (S. 50-51).
Auf diese Weise gelingt kaum Tiefgang und das Potenzial, das die Thematik aufwirft, bleibt überwiegend ungenutzt.
Fazit
Just for clicks wird einige jugendliche Leserinnen (und Leser?) ab 15 Jahren finden und ansprechen. Ein leicht lesbarer Roman, der weder sprachlich noch ästhetisch in die Tiefe geht, dessen Lektüre man wahrscheinlich schnell wieder vergisst, obwohl man in die Geschichte der Zwillingsmädchen schon situativ „abtauchen“ kann.
- Name: Mc Dowell, Kara
- Name: Mannchen, Nadine