Inhalt

Ich-Erzähler und Protagonist Luke ist 13 Jahre alt und freut sich auf die Sommerferien. Doch dieses Jahr kommt alles anders als erwartet, weil in das unbewohnte Haus direkt gegenüber vom Haus seiner Familie ein Protestcamp aus Klimaaktivist*innen einzieht, die gegen den geplanten Flughafenausbau protestieren. Während Luke das Vorgehen auf der anderen Straßenseite skeptisch beäugt, ist seine ältere Schwester Rose sofort begeistert von der Idee des Protestcamps und zieht dort kurzerhand ein. Die Mutter, die sehr viel Wert auf gute nachbarschaftliche Verhältnisse legt, ist entsetzt und überfordert, zumal die Nachbarn sofort beginnen, sich ‚das Maul zu zerreißen‘. Von ihrem Mann erhofft sie sich Solidarität und Unterstützung. Stattdessen fühlt auch er sich von der Klimabewegung angezogen. Vorgeblich, um zu schauen, was die Tochter treibt, nähert er sich den Aktivist*innen an, was schließlich dazu führt, dass auch er ins Protestcamp zieht und feststellt, dass er sich mit seinem Job in einer Versicherung in einem Leben befindet, das er nie führen wollte.

Und dann ist da noch Sky, Tochter eine Protestlerin, die sich nach einem geregelten Leben sehnt und Luke um Schulpflicht und regelmäßige Mahlzeiten beneidet, was er zunächst gar nicht fassen kann. Am Anfang nervt Sky ihn kolossal, während die Mutter das Mädchen anstelle der Tochter im Haus aufnimmt. So stehen sich zwei oppositionelle Figurengruppen gegenüber, vereinfacht gesprochen: Spießer*innen gegen Aktivist*innen. Doch diese Schwarz-Weiß-Zuordnungen lösen sich im Zuge der Handlung auf. Wenngleich Luke in seiner Position ambivalent bleibt und seine Mutter nicht enttäuschen möchte, so findet er sich irgendwann doch inmitten der Proteste wieder und campiert mit Sky in einem Baumhaus, das mit einem Mal ins Rampenlicht gerät, als Bulldozer anrücken und das Camp ‚niedermetzeln‘ wollen und die Presse auftaucht. Für Luke wandelt sich in dieser brisanten Situation Vieles: Sein Blick auf die Natur weitet sich, und er entwickelt sowohl für Sky als auch für den sie schützenden Baum Liebesgefühle.

Nach einer Ellipse am Ende eröffnet sich im Epilog ein Ausblick, was nach diesem aufregenden Sommer geschah: Der Vater hat die Familie verlassen, Sky ist mit ihrer Mutter weggezogen, aber ein Wiedersehen nach der Corona-bedingten Auszeit, die den Alltag aus den Angeln hob, suggeriert die stabilen Gefühle der beiden Jugendlichen:

„Sky streckt die Hand aus und hält mir die nach oben gerichtete Handfläche hin. ‚Willst du tanzen?‘ fragt sie.“ (S. 312)

Kritik

Nicht nur die Spannungsstruktur dieses engagierten Jugendromans ist positiv zu konnotieren, vor allem ist es die eindringliche Erzählstimme des jugendlichen Protagonisten, die diesen Klima- und Umweltroman besonders macht. Durch die Authentizität, mit der Luke erzählt, bewegt sich die Narration nah am Zeitgeist und durch die komplex konzipierten Figuren gleitet der Text nie in vereinfachende Stereotypisierungen ab. Diese Komplexität bindet sich an die Raumsemantik, denn die Figuren sind nicht eindeutig auf einen Raum festgeschrieben, sondern sie wechseln zwischen den Reihenhäusern, welche die Spießbürgerlichkeit repräsentieren, und dem Protestcamp, das für Subversität, Chaos, Widerstand und Kampf für das Klima steht. In diesem Kontext ist vor allem die Figur der Sky interessant, die phasenweise bei Lukes Mutter einzieht und damit die abwesende Rose ersetzt. Der Vater hingegen wechselt den Raum endgültig, was konsequenterweise mit der Trennung der Eltern endet und grundsätzliche Fragen nach dem eigenen Lebensweg aufwirft. Denn der Vater hadert mit dem Gefühl, die falsche Berufswahl getroffen zu haben und will von nun an anders leben.

Eingeschrieben ist dem Roman zudem eine hohe Sensibilität für die Kostbarkeit der Natur. So entwickelt der sympathische Ich-Erzähler am Ende nicht nur Gefühle der ersten Liebe für Sky, sondern auch für den Baum, der ihm ein essentielles Heimatgefühl vermittelt hat:

„Und plötzlich habe ich das Gefühl, dass dieser Baum, der in den letzten Tagen seines schier unvorstellbar langen Lebens zu meinem vorübergehenden Zuhause wurde, zu mir spricht: Er spricht von der Verwobenheit allen Lebens, er erzählt mir, dass groß gleich klein und klein gleich groß ist, dass der ganze Planet – vom winzigsten Insekt bis hin zum höchsten Gebirge – eine Einheit ist, was ich nicht richtig fassen und begreifen kann, aber ich spüre es: in meinen Fingerspitzen und in meinem Blut und in meinem Herzen.“ (S. 231)

So durchzieht den Roman neben der engagierten und dynamischen Handlung rund um das Protestcamp eine romantisch anmutende Poetik der Natur, die von der jugendlichen Erzählstimme getragen ist.

Fazit

Ein Jugendroman ganz am Puls der Zeit und ein Klimabuchtipp per excellence für jugendliche Leser*innen ab 12 Jahren, der sich dezidiert mit Fragen des gesellschaftlichen Engagements und der Verantwortung jedes Einzelnen auseinandersetzt, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben oder belehrend zu werden. Sehr lesenswert!

Titel: Grüner wird’s nicht. Der Sommer, in dem ich die Welt rettete
Autor/-in:
  • Name: Sutcliffe, William
Erscheinungsort: München
Erscheinungsjahr: 2023
Verlag: ArsEdition
ISBN-13: 978-3-8458-5006-1
Seitenzahl: 312
Preis: 15,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 12 Jahre
Sutcliffe, William: Grüner wird’s nicht. Der Sommer, in dem ich die Welt rettete