Inhalt
Weihnachten steht vor der Tür, und für Violet und ihre Freunde, die Zwillinge Jack und Zack, die einander gleichen wie ein Ei dem anderen, obwohl Jack ein Mädchen und Zack ein Junge ist, hat eine aufregende Zeit begonnen. Unter der Leitung der Lehrerinnen Mrs Bachelor und Mrs Bumblebee üben sie ein Krippenspiel ein, dessen Hauptrolle ein goldener Engel ist, der an Bindfäden über die Bühne schweben darf. Für alle ist schon lange klar: Das ist Hillarys Rolle. Sie ist zwar ein bisschen eingebildet, aber eine grandiose Schauspielerin und sie hat auch schon den ganzen Text der Hauptrolle gelernt. Doch zur Überraschung aller entscheiden Mrs Bachelor und Mrs Bumblebee anders: Anila, das Flüchtlingsmädchen, das gerade erst in die Klasse gekommen ist und noch kaum Englisch spricht, soll den goldenen Engel spielen. Violet wird gebeten, Anila beim Lernen des Textes zu unterstützen. Hilfsbereit und aufgeschlossen, wie die Protagonistin ist, macht sie das gern. Anila ist sehr nett und trotz der Sprachbarrieren entsteht zwischen den beiden Mädchen schnell ein freundschaftliches Band. Violet begleitet Anila in ihren Wohncontainer und lernt ihre Mutter kennen. Freudig machen sie sich an das Lernen der Rolle. Erstaunlicherweise scheint auch Hillary ihren Frust schnell zu überwinden und bietet Anila ebenfalls an, mit ihr zu lernen, sehr zum Wohlgefallen der Lehrerinnen. Doch urplötzlich weigert sich Anila, den goldenen Engel zu spielen und steigt aus den Proben aus. Ohne sie verliert das Theaterstück aber plötzlich all seinen Zauber. Violet und ihre Freunde sind sicher: Das kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein! Warum will Anila plötzlich nicht mehr mitmachen? Gemeinsam versuchen sie, Anila zu überzeugen, doch wieder am Krippenspiel teilzunehmen. Vielleicht kann ein wenig Blumenmagie nachhelfen? Wer die vorangegangen Bände von Gina Mayers Serie Der magische Blumenladen und deren Heldin Violet kennt, der weiß es schon seit dem ersten Band: Sie wird von ihrer Tante Abigail in die Zauberkünste der Blumenmagie eingeführt. In ihrem Blumenladen entfalten sich die magischen Kräfte, über die nur Personen wie Abigail und Violet, die im Alltag bei warmherzigen Pflegeeltern aufwächst und den Blumenladen ihrer Tante samt sprechendem Wellensichtich und Katze regelmäßig besucht. Wird die Blumenmagie Violet auch diesmal helfen?
Kritik
Gina Mayer stellt erneut ihre Vielseitigkeit unter Beweis: Ihr kinder- und jugendliterarisches Schaffen umfasst Thriller (z.B. Morgen wirst du sterben), zeitgeschichtliche Romane (z.B. Die verlorenen Schuhe), phantastische und realistische Geschichten. Mit ihrer Blumenladen-Serie (seit 2016) hat sie eine sehr ansprechende kinderliterarische Serie vorgelegt, in der sie stimmige, unterhaltsame Geschichten erzählt, die durch liebevoll ausgestalteten Figuren und eine warmherzige Handlung überzeugen. Gerade der Schauplatz des Blumenladens, dem einzigen fantastischen Element in einer überwiegend realistisch konzipierten Welt, ist umwoben von einem magischen Zauber, der Leser und vor allem Leserinnen im Grundschulalter sicher stark faszinieren kann, da sich hier Realitätsnähe und Fantastik gekonnt vermischen. Es handelt sich um einen Blumenladen, in dem auch Blumen verkauft werden, mit denen man zaubern kann, sofern man, wie Violet und ihre Tante Abigail, in diese Kunst eingeweiht ist. Auch der Weihnachts-Band, der – und dies ist wohl eher Verkaufsstrategie als erzählerisches Element – mit perforierten Seiten wie ein Adventskalender gestaltet ist, kombiniert dieses eine fantastische Motiv mit einer realistischen Handlung. Mit dem Adventskalender-Prinzip und den auftrennbaren Seiten folgt das Buch einem typischen Trend der Weihnachtskinderliteratur (vgl. zum Beispiel Mein Lotta-Leben. Süßer die Esel nie singen oder Drei Weihnachtsengel auf heißer Spur von Wolfram Hänel), mit dem Verlage versuchen, Kinderliteratur und Spielzeug miteinander verschmelzen zu lassen. Ein gut erzähltes Buch wie der Magische Blumenladen hätte das gar nicht nötig, die Aufteilung in 24 Kapitel, den Adventskalender-Tagen im Dezember entsprechend, passt nicht zu der Handlung. Dasselbe gilt für die Rezepte und Bastelanleitungen, die sich zum Ende vieler Kapitel finden. Gina Mayers liebevoll erzählte Geschichte hätte diese nicht gebraucht, um das kindliche Leseinteresse zu binden. Die Handlung mit den Krippenspiel-Proben ist eher unspektakulär, bietet aber gerade deshalb ein hohes Identifikationspotenzial für junge Leserinnen und Leser, denn sie ist direkt aus dem kindlichen Alltag entnommen und mit Witz und wunderbarer Leichtigkeit erzählt, die das Buch zu einer wunderschönen vorweihnachtlichen Lektüre machen:
Hillary und Molly trugen schon ihre silbernen Flügel und standen einsatzbereit auf der Seite der Bühne. Mrs. Bachelor klatschte in die Hände. 'Los geht´s'. 'Muh!' machte Olli und rannte an Molly vorbei. Er hatte eine Ledermütze mit zwei mächtigen Hörnern auf dem Kopf, an den Seiten baumelten Kuhohren auf und ab. Mrs Bumblebee wollte, dass sie schon bei den Proben ihre Kostüme trugen, damit sie sich in ihre Rollen hineinfühlten. 'Nein, Olli!' Mrs Bachelor schüttelte den Kopf. 'Du trittst von rechts auf. Und dein Text ist: Muh, muh, mir ist irgendwie mulmig zumute.' Olli verzog sich auf die andere Seite der Bühne. 'Noch mal von vorn', befahl Mrs Bachelor. 'Muh, muh, mir ist irgendwie mulmig zumute!' rief Olli und trabte an Hillary vorbei. 'Iah, iah!' Zack, der Eselsohren und einen grauen Schwanz trug, galoppierte ihm nach. 'Mir auch! Mir auch!' 'Du kommst von links, Zack!' rief Mrs Bachelor. 'Ihr trefft euch in der Mitte der Bühne.' Beide verschwanden und traten erneut auf, diesmal aus unterschiedlichen Richtungen. 'Muh, muh!' brüllte Olli. 'Mir ist irgendwie...Wie war noch mal der Text?' (S. 34)
Auch das Thema Flucht und Migration wird mit einem Unterton der Leichtigkeit und eher nebenbei aufgegriffen, so wie es typisch für viele Kinder- und Jugendbücher mit interkultureller Thematik ist. Anila ist sympathisch, fügt sich gleich gut in die Klassengemeinschaft ein und die Sprachbarrieren zwischen ihr und den anderen Kindern werden nicht explizit thematisiert. Unklar bleibt, warum als Schauplatz England mit dem fiktiven Ort Rivenhoe gewählt wurde, wo die Autorin doch eine Deutsche ist und wir es bei der Buchserie auch nicht mit einer Übersetzung zu tun haben. Das mag zu Irritationen bei kindlichen Lesern führen – aber der Lesefreude keinen Abbruch tun. Wegen der Kürze der Kapitel von je 3-4 Seiten eignet sich das Buch auch sehr gut als Lektüre zum Selberlesen für Leseanfänger, kann aber ebenso gut als Vorlesespaß in der Adventszeit für die ganze Familie dienen.
Fazit
Eine gelungene aus dem Alltag gegriffene Weihnachtsgeschichte mit kleinen, fantastischen Elementen für Leserinnen und Leser im Grundschulalter. Mit Witz und Leichtigkeit erzählt Gina Mayer von den Proben zu einem Krippenspiel: Lesefreude zur Adventszeit zum Vor- oder Selberlesen.
- Name: Mayer, Gina
- Name: Joelle Tourlonias