Inhalt

Der Straßenjunge Pablo lebt allein in einer alten Ruine im brasilianischen Manaus. Die Handlung setzt in medias res ein: Pablo macht sich große Sorgen, weil der Student Miguel, der ihn sonst regelmäßig besucht, plötzlich verschwunden ist. Gemeinsam mit der hübschen und cleveren Ximena, der Enkelin des reichen "Silberbarons", und einem Hund, der einfach nur Hund heißt und der offenbar von Miguel geschickt wurde, macht er sich kurzerhand auf die Suche nach seinem Freund. Treibende Kraft ist dabei die gewitzte Ximena, denn diese will unbedingt Abenteuer erleben und eine Detektivbande gründen. Und so kommt es dann auch: Die beiden Kinder und der Hund avancieren zu den Amazonas-Detektiven und nehmen die Spur des verschwundenen Miguel auf. Diese führt sie in den Urwald und zu einer brisanten Entdeckung. Es zeigt sich, dass er mitsamt einer ganzen Studentengruppe entführt wurde, die gegen den Bau eines Staudamms im Amazonas protestiert hatte. Im Zuge ihrer Ermittlungen im grünen Dschungel lernen sie Davi kennen, der zu den unkontaktierten Völkern zählt und mit seinem Stamm im Regenwald lebt. Mit seiner und der Hilfe eines kleinen Affen machen die kindlichen Detektive eine unglaubliche Entdeckung und schaffen es, ein grandioses Umweltverbrechen, in das sogar der Präsident verwickelt ist, in letzter Minute zu verhindern.

Kritik

Mit dem Auftakt dieser neuen Detektiv-Serie schließt die renommierte Kinderbuchautorin Antonia Michaelis scheinbar mühelos an die Erzählkraft vorhergehender Werke an. Wie in früheren Büchern (zuletzt Wind und der geheime Sommer und Der Koffer der tausend Zauber) stellt sie liebenswerte Kinderfiguren ins Zentrum und erzählt von einer Freundschaft zwischen Arm und Reich, zwischen Millionärs- und Straßenkind, was ganz typisch für ihre Texte ist. Mit dieser Konstellation greift sie auf bewährte kinderliterarische motivische Muster zurück, arrangiert diese aber kunstvoll neu, unter anderem indem sie die Räume und Schauplätze innovativ gestaltet. Im Kontrast stehen bei den Amazonas-Detektiven Dschungel bzw. Regenwald zur Großstadt, die wiederum durch die Polarisierung zwischen Armen- und Reichenvierteln gekennzeichnet ist. Ximena wohnt in der Villa des Silberbarons und hat Privatunterricht, fühlt sich aber trotzdem vernachlässigt, Pablo dagegen bewegt sich routiniert in den Slums und zwischen den Bettlerinnen und Bettlern, kennt hier Freund und Feind. Mit der Banden- und Detektivgeschichte knüpft Michaelis intertextuell an Klassiker der Kinderliteratur (Emil und die Detektive und Kalle Blomquist) an, lässt nun ihre Amazonas-Detektive im brasilianischen Regenwald ermitteln und macht dabei auf brisante aktuelle Umweltzerstörung aufmerksam. In diesem Sinne handelt es sich bei diesem spannenden Kinderroman auch um einen exzellenten Klimabuchtipp, der ohne moralischen Impetus vor der Umweltzerstörung warnt. Nicht nur, dass die Story spannend ist und die Figuren zur Identifikation einladen, hinzu kommt eine große Portion Gesellschaftskritik, die nachhaltig dafür sensibilisiert, wie achtlos wir Menschen mit unserer Erde umgehen. 

Herausragend ist der hintergründige Witz, mit dem zum Beispiel auch die unkontaktierten Völker dargestellt sind. So überrascht der Stammesälteste damit, dass er mit einem Laptop auf dem Baum sitzt, was Davi folgendermaßen kommentiert:

'Gib’s zu, da oben ist Netzempfang und du spielst schon wieder Subway Surf,' sagte Davi. Und, zu Pablo und Ximena: 'Seit er dieses Spiel entdeckt hat, sitzt er dauernd auf irgendeinem Baum. Erst hatte er etwas gegen die moderne Technik und jetzt jagt er virtuelle Männchen eine Linie entlang, die U-Bahn-Schienen heißt. Er sagt, es ist eine gute Übung für die echte Jagd, weil man dazu die Pfeiltasten benutzen muss'‘ Davi verdrehte genervt die Augen. (S. 168)

Durch diese Komik sowie das der Detektivgeschichte innewohnende Abenteuermodell, das mit der umweltpolitischen Warnung verknüpft wird, entsteht ein starkes kinderliterarisches Lesevergnügen, durch das Antonia Michaelis sich einmal mehr als herausragende Kinderbuchautorin etabliert. Sie versteht es, ihre kindlichen Leserinnen und Leser anzusprechen, dabei literarisch innovativ zu sein und dabei auch immer wieder für ernste Themen zu sensibilisieren. Da kann man sich darüber freuen, dass die Amazonas-Detektive als Serie angelegt sind und weitere Bände zu erwarten sind. Bestimmt erfahren wir noch, was es mit Ximena, ihren verschwundenen Eltern, und ihrem ominösen Großvater, dem Silberbaron, auf sich hat...

Bedauerlich sind die vielen Druckfehler auf den ersten Seiten, die Vorleserinnen und Vorleser sehr irritieren und aus dem Lesefluss bringen können: Da heißt Pablo mal Pedro (S. 7), ein anderes Mal wird er mit Miguel verwechselt, was freilich auf das Konto des Lektorats geht.

Fazit

Antonia Michaelis steht immer auf der Seite der Kinder. Und das Engagement für die Belange benachteiligter und verarmter Menschen ist ihren Texten stark eingeschrieben. Sie schafft Figuren aus unterschiedlichen Mileus, kontrastiert deren Lebensumstände und lässt sie trotzdem Freunde werden. Auch mit den Amazonas-Detektiven sind wieder solche starken kinderliterarischen Figuren angetreten. Der Serienauftakt überzeugt durch schillernde Erzählkraft, Witz und Spannung. In diesem Sinne sei er allen Acht bis Elfjährigen und erwachsenen Mit- und Vorlesern ans Herz gelegt: Unbedingt lesen und abenteuerlich in den brasilianischen Dschungel verschwinden! Die Reise lohnt sich.

Titel: Die Amazonas-Detektive. Verschwörung im Dschungel
Autor/-in:
  • Name: Michaelis, Antonia
Illustrator/-in:
  • Name: Kurzbach, Sonja
Erscheinungsort: Bindlach
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Loewe Verlag
ISBN-13: 978-3-7432-0854-4
Seitenzahl: 270
Preis: 12,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 8 Jahre
Michaelis, Antonia: Die Amazonas-Detektive. Verschwörung im Dschungel