Wer bei Werner Rohners Kinderroman Mehr als ein Wunsch. Eine Adventsgeschichte in 24 Kapiteln eine fröhliche Geschichte voller weihnachtlicher Harmonie erwartet, der fehlt weit. Hier liegt ein psychologischer Kinderroman vor, der klare Worte für die Gefühle eines trauernden Kindes findet und zeigt, dass Trauer gerade in der Weihnachtszeit ein wichtiges Thema ist, das sich nicht einfach wegwünschen lässt – aber vielleicht doch bewältigen.

Inhalt

Weihnachten steht vor der Tür, und der Protagonist Sunny aus dem erstem Kinderroman des Schweizer Autors Werner Rohner hat zu viele Wünsche – doch der Hintergrund ist tragisch. Seine Mutter ist gestorben, seither lebt er mit seiner großen Schwester Lala und dem trauernden Vater, liebevoll Paps genannt, allein. Die schreckliche Trauer lässt sich kaum im Worte fassen, doch Sunny wünscht sich so sehr, dass sie dieses Jahr ein schöneres Weihnachten verbringen als im Vorjahr. Vielleicht hilft es, wenn er sich eine neue Frau für den Vater wünscht? Diese Idee setzt sich fest, und Sunny versucht, seinen Paps mit der sympathischen Postbotin Elif zu verkuppeln. Außerdem wünscht er sich, dass seine Oma nicht auch noch sterben dürfe. Das sind viele schwere Themen, mit denen der kindliche Protagonist sich herumschlägt. Offen bleibt die Frage, ob es trotz all dieser Schwere doch ein schönes Weihnachtsfest werden kann. Das fulminante Ende entfaltet sich in einem psychologischen Befreiungsschlag der trauernden Familie: Aus der Verkupplung des Vaters mit der Postbotin Elif ist nichts geworden, denn diese hat schon eine Partnerin. Aber die Familie zerschlägt und zertrümmert an Heiligabend den Weihnachtsbaum samt Schmuck. So zeigt sich die Hoffnung an, dass sie nun auch die Trauer in Flammen aufgehen lassen und zurück zu neuer Lebensfreude finden können.

Kritik

Werner Rohners Kinderroman folgt strukturell der typischen Weihnachtserzählung für Kinder, da sie nach dem Adventskalender-Prinzip aufgebaut ist: Für jeden Tag vom 1.-24. Dezember eine Geschichte. Aber in thematischer Hinsicht ist der weihnachtliche Kinderroman alles andere als klassisch, denn die Weihnachtszeit und die Wunsch-Motivik sind nur Kulisse für die Handlung, in der es vorrangig um Trauer eines verletzten und überforderten Kindes geht. Damit steht der Text deutlich in der Tradition des psychologischen Kinderromans und erinnert mit seiner konsequenten internen Fokalisierung auf die Perspektive des trauernden Kindes stark an Referenztexte des Genres wie Kirsten Boies Mit Kindern redet ja keiner. Komik bahnt sich allenfalls randständig seinen Weg, diese klingt vorsichtig in Sunnys Versuch an, für den Vater eine neue Frau zu suchen (was man thematisch schon aus Christine Nöstlingers Ein Mann für Mama kennt). Aber die fröhlichen Momente stehen zugunsten der eindringlichen Schilderung der Trauerprozesse des traumatisierten Protagonisten zurück, der Tod rückt thematisch in den Fokus. Der Text gesteht dem Kind diese Trauer und die Auseinandersetzung mit dem Sterben in voller Stärke zu:

"Und es war ja schon so, bevor Mama gestorben war, dass Sunny manchmal plötzlich an den Tod gedacht hat. Warum weiß er auch nicht. Weil man halt stirbt. Irgendwann. Und nie weiß wann.

Aber richtig schlimm ist das nur, wenn Sunny in der Nacht aufwacht und es ist so still und er denkt: Und jetzt sterbe ich – wär ja möglich – und alle schlafen. Früher ist er dann manchmal zu Mamma und Paps gegangen.

Und dann ist Mamma ja selbst einfach gestorben.

Und irgendwie hat ja auch sie vorher geschlafen." (S. 198)

So nimmt es sich der berührende und eindringlich erzählte Kinderroman zur Aufgabe, nicht zu tabuisieren, sondern ebendiese klaren Worte für Ängste zu finden, die uns alle betreffen und zeigt, dass diese auch vor Kindern nicht Halt machen. Rohners Sprache ist schnörkellos und gerade darum poetisch, die Illustrationen von Gareth Ryans setzen Sunnys Gefühle ebenso deutlich ins Bild: auch die vorhandene Liebe, welche die trauernden Familienmitglieder miteinander verbindet. Die schonungslose Ehrlichkeit, mit der Rohner seinen kindlichen Rezipienten und Rezipientinnen begegnet, zeigt sich nicht nur in der offenen Schilderung von Sunnys Trauer, sondern auch in der Integration aktuellen, tragischen Weltgeschehens: In den Nachrichten sieht der Protagonist im Mittelmeer ertrinkende Menschen. Eine Lösung zeigt der Text nicht auf, doch der brennende Weihnachtsbaum am Schluss eröffnet eine Hoffnungsperspektive und deutet an, dass sich die Familie auch nach dem Tod der Mutter neu finden kann. 

Fazit

Ein literarisch starker Text, der vor allem zum Umgang mit Tod und Trauer sensibilisiert. Ob man ihn als geeignete Weihnachtslektüre nach Adventskalender-Prinzip empfindet, muss letztlich jeder für sich entscheiden. Auf jeden Fall setzt Mehr als nur ein Wunsch endlich und ausnahmsweise mal ein deutliches und literarästhetisch anspruchsvolles Gegengewicht zu der vereinfachenden Harmonisierung und Idyllisierung, welche die weihnachtliche Kinderliteratur sonst prägt. Eine nachdenklich stimmende Lektüre, zum Vorlesen für Kinder ab 7 Jahren geeignet.

Titel: Mehr als ein Wunsch
Autor/-in:
  • Name: Rohner, Werner
Illustrator/-in:
  • Name: Ryans, Gareth
Erscheinungsort: Stuttgart
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: Freies Geistesleben
ISBN-13: 978-3-7725-3126-2
Seitenzahl: 231
Preis: 18,00
Altersempfehlung Redaktion: 7 Jahre
Rohner, Werner: Mehr als ein Wunsch