Inhalt

Der vierzehnjährige Wilbur ist ein liebenswerter Außenseiter, der sich in seinem Leben gut zurechtfindet. Er wächst mit zwei Müttern auf, die er Mum und Mup nennt. Sein bester Freund und Nachbar Sal ist fast 80 Jahre alt. Mit ihm teilt Wilbur die Leidenschaft für Aqua-Fitness und für das Royal Ontario Museum, in dem beide regelmäßig das auf dem Cover des Romans abgebildete Dinosaurierskelett bewundern. Und dann hat Wilbur noch seinen kleinen Hund Tempelton, den hässlichsten Hund der Welt, den er aus dem Tierheim gerettet hat. Mit dieser Basis im Hintergrund kommt der liebenswerte Protagonist auch mit seinem Außenseiterstatus in der Schule zurecht, obwohl er von seinem Mitschüler Tyler permanent gemobbt und diskreditiert wird. Immerhin hat er auch dort mit Alex einen einzigen Freund, der ihn aber vernachlässigt, als er eine Beziehung mit Fabrizio eingeht. Und dann wirbelt ein Schüleraustausch mit Frankreich alles durcheinander: In Wilburs Leben tritt die Austauschschülerin Charlotte, in die er sich Hals über Kopf verliebt, obwohl sie nachts schnarcht wie eine Weltmeisterin. Wilbur versucht alles, um Charlottes Herz zu gewinnen und sucht Rat bei dem fast 80-jährigen Sal.

Kritik

Bestechend an Nielsens Kinderroman ist wieder einmal (wie schon im preisgekrönten Adresse unbekannt) das wunderbar schräge und liebenswerte Figurenarsenal, das er zum Leben erweckt. Unaufgeregt und in klarer Sprache, immer nah an überbordender Komik, entfalten sich in der Geschichte die Freundschaften ganz unterschiedlicher Charaktere, deren Zuneigung untereinander durch bedingungslose Akzeptanz und Toleranz getragen ist. Plakativ gesprochen: So geht Vielfalt und Diversität im Kinderbuch! Die Ich-Erzählstimme des jugendlichen Protagonisten hat weder Moralisieren noch Lamentieren nötig, obwohl Wilbur es wahrlich nicht leicht hat im Leben. Für ihn ist das Zusammenleben mit den zwei liebesvollen Müttern und die innige Freundschaft mit dem alten Nachbarn Sal selbstverständlich, mit dem er gleichsam komische wie tiefgehende Dialoge führt:

„Du bist echt der beste Freund, den man haben kann,“ sagte ich später zu ihm, als wir unter Fulton lagen.

„Danke, Wilbur. Du bist auch ein toller Freund.“ Wir schwiegen eine Weile und hingen unseren Gedanken nach.

„Ich wollte dir was sagen.“

„Gut.“

„Du stehst noch am Anfang deines Lebens...“

„Nicht wirklich, Sal. Ich bin vierzehn...“

„In meinem Alter zählt das noch als Anfang. Und jetzt halt bitte mal die Klappe. Ich möchte noch ein wenig Altherrenweisheit an dich weitergeben.“

Ich hielt den Mund.“ (S. 184)

Durch Figurenreden, den Blick ins Innere des Protagonisten und Ich-Erzählers Wilbur und auch Gedichte, die er an Charlotte schreibt, entfaltet sich ein wunderbares Potpourri aus Selbstfindungsfragen in der Pubertät und einer mitreißenden Lebensbejahung, die all diese individuellen Figuren miteinander teilen. Wilburs Verliebtheit geht ans Herz, so dass man mit dem Jungen mitfiebert – und am Ende stehen auch Trauer und Verzweiflung, die zum Leben dazugehören. Nielsen bleibt stets nah an ihrem Protagonisten, dem sie eine unverwechselbare Stimme verleiht und erzählt in ruhigem Ton: Eine große Stimme in der realistischen Kinderliteratur, die Anja Herre feinfühlig aus dem kanadischen Englisch ins Deutsche übertragen hat.

Fazit

Die gigantischen Dinge des Lebens ist ein gigantisch guter Kinderroman, der vor allem durch seine Sensibilität in der Figurenkonzeption überzeugt. Seine Vielschichtigkeit lässt sich hier kaum abbilden. Darum sei eine deutliche Leseempfehlung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren ausgesprochen. 

Titel: Die gigantischen Dinge des Lebens
Autor/-in:
  • Name: Nielsen, Susin
Erscheinungsort: Stuttgart
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: Urachhaus
ISBN-13: 978-3-8251-5304-5
Seitenzahl: 283
Preis: 18,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 11 Jahre
Nielsen, Susin: Die gigantischen Dinge des Lebens