Inhalt
Zander darf die Sommerferien bei seiner Großmutter verbringen, während seine als Wissenschaftler*innen aktiven Eltern sich auf Forschungsreise begeben. Diese leitet das titelgebende legendäre Kaufhaus „World Famous Nine“, das sich seit Jahrhunderten im Familienbesitz befindet und in seinen 18 Stockwerken allerhand und wirklich Sagenhaftes zu bieten hat. Neben einer Magnetschwebebahn und einem Riesenrad findet sich eine Fülle von verschiedenen Läden und Restaurants in diesem Konsumtempel. Für Zander ist das Kaufhaus das reine Paradies und er ist allzu dankbar, den Sommer dort verbringen zu dürfen. Schon kurz nach seinem Eintreffen freundet er sich mit Natascha an, die als „Schaukelexpertin“ (S. 34) über die Köpfe von Restaurantbesucher*innen hinweg schaukelt. Doch die Ruhe vor dem Sturm trügt, denn, wie man bei der Lektüre nur unschwer erwartet, gibt auch das legendäre Kaufhaus Rätsel auf. Schnell sind Zander und Natascha in die Aufklärung von mysteriösen Fällen verwickelt, denn im „World Famous Nine“ geschehen ständig merkwürdige Unfälle und es werden Sabotageakte verübt. Seltsame Inschriften erscheinen an den Wänden und setzen die ermittelnden Kinder auf eine heiße Spur, die sie zu einer gestohlenen Sandsteinplatte und einer geheimnisvollen Macht namens Düsterblume führt, die eng mit der Familiengeschichte Zanders verwoben ist. Insofern ist nicht nur den kindlichen Figuren hier ein Rätsel aufgegeben, dasselbe gilt für die Rezipient*innen dieses fantastischen Epos‘.
Kritik
Die Fabulierlust ist diesem kinderliterarischen Monument auf jeder Seite eingeschrieben. Größte Mühe verwendet der Text auf die Entfaltung eines spirituell und abenteuerlich semantisch aufgeladenen Raums. Das Kaufhaus ist Kulisse und zentraler Inhalt zugleich. Der Schauplatz ist der Nährboden für die detektivische Handlung, verliert sich in Details und ist bis ins Kleinste durchkomponiert. Wer einmal beim Lesen abschweift, verliert sofort den Faden. Um das Figurenarsenal zu ordnen, hilft der Roman mit einem aufgezeichneten Familienstammbaum der Familie Winebee zum Auftakt, aber es bleibt doch eine Herausforderung, den Überblick über die komplexen Handlungsstränge nicht zu verlieren. Wie in der Winterhaus-Trilogie setzt Guterson auf ein riesiges Figurenarsenal vor besonderer Kulisse, verhaftet sich im World Famous Nine in der Konstruktion des sagenhaften Schauplatzes, was phasenweise seltsam abgedroschen wirkt, wenn man die Winterhaus-Romane kennt. Das liegt vielleicht daran, dass das Setting zu dicht an der Trilogie liegt, dieser in der Anlage zu sehr gleicht. Aber im Winterhaus funktionierte das Zusammenspiel zwischen Figuren und Raumsemantik etwas besser. Auch bleibt das Potenzial zur Konsumkritik, das dem Kaufhaus-Raum innewohnt, ungenutzt. Leseaffinen Kindern und Jugendlichen wird aber auch mit dem World Famous Nine ein komplexes Leseabenteuer geboten, das an Rätselhaftigkeit kaum zu überbieten ist. Es erfordert genaues Lesen und intensive Textwahrnehmung. Die Rätselhaftigkeit ist auch in den den Text flankierenden Illustrationen von Kristina Kister eingefangen, die darüber hinaus ergänzt wurden durch eindrucksvolle Mandala-Zeichnungen von Ben Guterson selbst. Diese sind nicht nur Beigabe, sondern bestimmendes Element der Handlungsführung. Insofern liegt hier eine eindrucksvolle Text-Bild-Korrespondenz vor, die auf Leser*innen wartet, die sich auf knapp 400 Seiten imaginativ in eine mondäne Kaufhaus-Welt begeben möchten, Freude am Sprachspiel haben und eine detektivische Spürnase mitbringen, der Abenteuer a la Die drei ??? oder TKKG zu einfach gestrickt sind.
Fazit
World Famous Nine bietet eine spannende Detektivgeschichte vor fulminanter Kulisse, die sich stellenweise zu sehr in Details verliert und nur in Ansätzen an die Erzählkraft von Winterhaus anknüpfen kann. Dennoch sei hier eine Leseempfehlung für literarisch affine Kinder ab 11 Jahren ausgesprochen, die schwere Rätsel knacken möchten und sich auf ein komplexes Figurenarsenal einlassen können.
- Name: Ben Guterson
- Name: Alexandra Ernst
- Name: Kristina Kister