"Liebt man die Texte wirklich", schreibt Gérard Genette (1993, S. 533) in Palimpseste, "so muß man von Zeit zu Zeit den Wunsch verspüren, (mindestens) zwei gleichzeitig zu lieben". Dass im Deutschunterricht Texte miteinander verglichen werden, sei es aufgrund motivischer oder formaler Ähnlichkeit, ist eine gängige Praxis. "Im Deutschunterricht gehört das Vergleichen zu den zentralen Verfahren", betonen Abraham und Kepser (2016, S. 266), "denn erst im Kontrast verdeutlicht sich das Wesentliche und Eigentümliche". Der Vergleich "stimuliert das Denken und Entdecken, fördert das Erkennen und Benennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden und so sowohl den Blick fürs Detail als auch die abstrahierende Begriffsbildung", schreiben Köster und Spinner (2002, S. 6) im Basisartikel eines Praxis Deutsch-Heftes zum Thema Vergleichendes Lesen (vgl. auch Eggers 2018).

Im Phänomen der Intertextualität liegt darüber hinaus ein komparatistischer Imperativ: Das Verhältnis zwischen einem intertextuell geprägten Text und jener Vorlage, auf die er sich zitierend oder alludierend bezieht – in der Forschung wird von Post- und Prätext bzw. Hyper- und Hypotext gesprochen –, fordert den Vergleich explizit heraus. Genette (1993, S. 534) verortet Intertextualität dementsprechend im Spannungsfeld von "Scharfsinn und Spieltrieb" und nennt damit zwei Aspekte, die auch literaturdidaktisch fruchtbar gemacht werden können: Einerseits geht es um die Analyse und Interpretation des Verhältnisses zwischen Texten, anderseits um das damit verbundene Spiel, um den lustvollen Akt einer Lektüre von Texten, die nicht auf die außerliterarische Wirklichkeit verweisen, sondern auf weitere Texte und ihre Figuren aus dem Kosmos der Literatur, des Film oder Hörspiels. Bei einer intertextuellen Lektüre im Kontext Schule wird es eher um konkret markierte intertextuelle Verweise im Sinne der strukturalistischen Definition gehen (vgl. Broich 1985, Pfister 1985, Genette 1993) als um jene poststrukturalistische Idee, die Intertextualität als immanentes Merkmal eines jedes Textes versteht (vgl. etwa Kristeva 1996). Auch der punktuelle Blick in entsprechende Theoriekonzepte ist im Unterricht denkbar (vgl. Wicke 2022).

In der didaktischen Diskussion nimmt intertextuelles Lernen zwar einen sehr begrenzten Raum ein, dennoch lassen sich kontroverse Positionen ausmachen. Als Herausforderung für Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik bezeichnet Gerhard Härle (2006) Intertextualität im Untertitel eines Aufsatzes, Angelika Buß (2006a) spricht im Titel ihrer Dissertation von einer Herausforderung für den Literaturunterricht und untersucht Unterrichtsmaterialien zu Patrick Süskinds Roman Das Parfum. Im Rahmen seiner elf Aspekte literarischen Lernens geht auch Kaspar Spinner (2006, S. 13) auf Text-Text-Bezüge ein und konstatiert: "Zum literarhistorischen Bewusstsein gehört auch der Einblick in intertextuelle Zusammenhänge. Dies lässt sich schon in der Grundschule anbahnen, weil viele Kinderbücher auf frühere Texte, zum Beispiel auf Märchen, anspielen".

Andererseits wird Intertextualität als zu anspruchsvoll für die Schule bewertet, im Lexikon Deutschdidaktik schreibt Elisabeth Paefgen (2006, Bd. I, S. 279): "[D]as Konzept der Intertextualität konnte tatsächlich keine große didaktische Bedeutung gewinnen, weil es den kundigen Leser voraussetzt bzw. den erfahrenen und kontinuierlich praktizierenden: das können Lernende im Jugendalter nicht sein". Auch Clemens Kammler (2013, S. 307) gibt zu bedenken, dass "die Entwicklung basaler Lesetechniken und -kompetenzen bei einem Großteil der Schülerinnen und Schüler derart im Argen liegt, dass die Forderung nach einer solchen [intertextuellen] Lektüre vermessen erscheint und – wenn überhaupt – allenfalls für die gymnasiale Oberstufe erhoben werden kann". Diese grundlegende Skepsis kann auch im Folgenden nicht entkräftet werden, darf aber nicht gänzlich dazu führen, auf die Thematisierung eines so prominenten literarischen Phänomens zu verzichten. „Es gibt ja durchaus Zitate, die belesene Kinder bestimmt verstehen", konstatiert Paul Maar (2007, S. 178). "Nämlich immer dann, wenn in Kinderbüchern auf Gestalten und Themen aus dem Fundus der Kinderliteratur oder auf moderne Trivialmythen angespielt wird".

Ein zentraler Grund, sich nicht erst in der Sekundarstufe II mit Intertextualität auseinanderzusetzen, ist seine Verbreitung. Neben den eingangs exemplarisch genannten Texten und Autoren begegnet man Intertextualität ja auch in der Werbung, im Musikvideo oder in journalistischen Formen, darüber hinaus in aktuellen Bilderbüchern (vgl. Weinkauff 2006) sowie immer stärker in der Kinder- und Jugendliteratur (vgl. Kümmerling-Meibauer 2003, Wicke 2014a). Mit Paul Maar, der in Lippels Traum auf Geschichten aus 1001 Nacht verweist (vgl. Mikota/Pecher 2017), Andreas Steinhöfel, dessen Roman Der mechanische Prinz auf Klassiker wie Peter Pan oder Der Zauberer von Oz anspielt (vgl. Wicke 2014b), und Cornelia Funke, in deren Tintenwelt-Trilogie das intertextuelle Spiel mit Literatur sowohl die inhaltliche als auch die formale Ebene bestimmt (vgl. Heber 2010), sind nur einige Beispiele genannt, die sich in großem Umfang erweitern ließen, sodass auch der Deutschunterricht der Sekundarstufe I diesen Aspekt nicht ignorieren sollte. Friederike Pronold-Günthner formuliert darüber hinaus Unterrichtsvorschläge, mit denen Intertextualität bereits in der Primarstufe thematisiert werden kann. Ihr Unterrichtmodell bezieht sich auf Märchenbezüge in den Bilderbüchern Detektiv John Chatterton von Yvan Pommeaux sowie Susanne Strassers Märchen von der Prinzessin, die unbedingt in einem Märchen vorkommen wollte (vgl. Pronold-Günthner 2011).

Intertextueller Literaturunterricht hat einen doppelten bzw. wechselseitigen Vorteil für den schulischen Umgang mit Texten: Einerseits erleichtert der intertextuelle Bezug zu einem kanonischen Werk den Umgang mit neuester Literatur, man hat sozusagen einen Anknüpfungspunkt bzw. ein vorgegebenes Vergleichsmoment, andererseits werden in palimpsestuösen Texten Klassiker des Deutschunterrichts aus einer neuen – oftmals spielerischen oder subversiven, auf jeden Fall aber ungewöhnlichen und subjektiven – Perspektive hinterfragt und beleuchtet. Wenn im Bereich der Kinder- und Jugendmedien beispielsweise das Drei ???-Hörspiel Botschaft aus der Unterwelt durchgehend mit Bezügen zu den Sherlock Holmes-Geschichten Arthur Conan Doyles spielt, kann durch den popkulturellen Posttext der Zugang zu den Klassikern des Genres erleichtert werden (vgl. Wicke 2018). Aber auch Ewald Palmetshofers Theatertext faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete bietet Vergleichsmomente, die einen ungewohnten Zugang zu Goethes Faust ermöglichen und den Klassiker dadurch automatisch auf seine Aktualität hin befragen (vgl. Wicke 2016a).

Didaktische Dimensionen

Eine literarästhetische Bildung, die es ermöglicht, intertextuelle Literatur angemessen zu rezipieren, sollte mindestens drei Dimensionen umfassen: Es geht zunächst darum, Intertextualität als ästhetisches Phänomen zu erkennen, die intertextuellen Bezüge zu deuten und schließlich spielerisch weiterzuspinnen (vgl. Wicke 2016a; vgl. auch Kümmerling-Meibauer 2003, S. 215).

 

Intertextualitätsdimensionen

1. Intertextualität erkennen

Um mit Intertextualität adäquat umgehen zu können, muss man zunächst wissen, dass es solche Text-Text-Beziehungen überhaupt gibt und dass sie über ihre Existenz hinaus zumeist eine Funktion im Text haben. Während der Einblick in die unterschiedlichen Definitionen strukturalistischer und poststrukturalistischer Provenienz im schulischen Kontext – zumindest der Primar- und Sekundarstufe I – nur in Ansätzen erfolgen kann, bedarf es sehr wohl eines Grundwissens über verschiedene Formen der Markierung. Intertextualität kann ja über Figurennamen, Werktitel, Zitate und Anspielungen unter Umständen sehr vage markiert sein (vgl. Broich 1985). Während paratextuelle Markierungen – etwa im Titel eines Werkes wie Luigi Malerbas Der gestiefelte Pinocchio – einen hohen Signalwert haben, sind Zitate im Text, die nicht durch Kursivierung oder Anführungszeichen hervorgehoben werden, oder Anspielungen auf weniger bekannte Werke oft nicht leicht zu identifizieren.

Angelika Buß beklagt, dass in den von ihr untersuchten Unterrichtsmaterialien zu Süskinds Das Parfum kein ergebnisoffener und von den Fragestellungen, Entdeckungen und Irritationen der Schülerinnen und Schüler ausgehender Unterricht modelliert werde. Vielmehr stünden Aufgabenformate im Vordergrund, in denen die Lehrerinnen und Lehrer die Lerngruppe auf intertextuelle Bezüge aufmerksam machten, um diese dann anhand vorbereiteter Materialien zu besprechen (vgl. Buß 2006a, S. 49f.). Die "überwiegend analytischen Aufgaben", so lautet ihre Kritik, könne man als "einfach (im Gegensatz zu komplex) und geschlossen (im Gegensatz zu offen) klassifizieren" (Buß 2006a, S. 200).

Clemens Kammler kritisiert dieses idealistische Postulat eines entdeckenden und ergebnisoffenen Lernens aus pragmatischer Perspektive und weist darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler, die einen Text, auf den ein intertextueller Verweis anspielt, nicht kennen, auch nichts entdecken werden, wenn der Bezug im Unterricht bzw. in den Unterrichtsmaterialien nicht benannt wird (vgl. Kammler 2013, S. 313ff.). Insofern könne es oftmals nicht vermieden werden, den alludierten Text als zusätzliches Unterrichtsmaterial in die Lerngruppe zu geben.

Werden – evtl. auch im Nachhinein – die unterschiedlichen Formen der Markierung benannt und analysiert, bekommen die Lernenden jedoch ein Gefühl für die Produziertheit von Literatur und sehen, dass intertextuell konzipierte Texte nicht nur auf eine Wirklichkeit oder Lebenswelt außerhalb des Textes, sondern auch auf die Literatur selbst rekurrieren. Wenn Kaspar H. Spinner (vgl. 2006, S. 10f.) den bewussten Umgang mit Fiktionalität fordert, so lässt sich das an intertextuell aufeinander bezogenen Texten anschaulich zeigen. In der ersten Dimension sind etwa folgende Fragen zu klären:

  • Wo finden sich im Text Verweise auf andere literarische Texte?
  • Woran erkennt man das bzw. wie ist der Verweis markiert?
  • In welcher Form wird auf den Prätext angespielt bzw. aus ihm zitiert?

 2. Intertextualität verstehen

Ging es im ersten Schritt um eine strukturalistische Analyse, werden nun die hermeneutischen Deutungsmöglichkeiten relevant. Intertextualität schafft zusätzliche Sinnebenen und produziert einen semantischen Mehrwert. Der Text lässt sich nicht mehr nur linear lesen, sondern verzweigt sich und wird mehrstimmig. Elfriede Jelinek (2011) spricht davon, dass sie mit Zitaten arbeite, um "etwas wie Türen" in einen Text "einzubauen". Zusätzlich zu jenem Dialog, den die literarischen Figuren führen, lässt sich im intertextuellen Literaturunterricht also auch die Dialogizität von Prä- und Posttext interpretieren.

Während die Bildungsstandards (vgl. 2014, S. 138) im Rahmen eher harmloser literarhistorischer Motivvergleiche von Intertextualität sprechen, könnten die im Schlussteil vorgeschlagenen Text-Konfrontationen zu sehr viel eindrücklicheren Ergebnissen führen, denn gerade wenn die Spannung zwischen Texten groß ist, kann es zu jener Wirkung kommen, die Renate Lachmann (1984, S. 134) bildhaft als "semantische Explosion" bezeichnet.

In der Berührung der Texte bzw. durch die Spannung zwischen ihnen öffnet sich ein Zwischenraum, der mit Sinn gefüllt werden kann. Somit führt der Verweis auf einen Prätext zu vielfältigen Deutungsmöglichkeiten und dementiert gleichzeitig die Frage nach der richtigen Interpretation. Spinners (2006, S. 12) Postulat, sich "auf die Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses ein[zu]lassen", kann man an intertextuellen Texten somit exemplarisch belegen – idealiter in Form offener literarischer Unterrichtsgespräche. In der zweiten Dimension intertextuellen Lernens geht es somit um die Klärung folgender Fragen:

  • Warum verweist der Text gerade auf diesen Prätext?
  • In welcher Beziehung stehen Prä- und Posttext zueinander?
  • Welche Funktion hat der intertextuelle Brückenschlag?
  • Welche Deutungen lassen sich aus der Spannung oder Beziehung, in der die Texte zueinander stehen, ableiten?

 

3. Das intertextuelle Spiel fortsetzen

"Das Vergnügen am Hypertext ist jedoch auch ein Spiel", sagt Gérard Genette (1993, S. 533). Es geht nicht nur um Analyse und Sinnkomplexion, sondern auch darum, den ästhetisch-spielerischen Charakter einer intertextuellen Anspielung zu genießen und weiterzuspielen. Hierzu bieten sich Methoden aus dem Bereich der Handlungs- und Produktionsorientierung an, die im Idealfall dazu führen, dass aus der spielerischen Herangehensweise wiederum neue Verstehensansätze resultieren, die einzelnen Dimensionen sind also weder getrennt voneinander zu betrachten noch bauen sie streng aufeinander auf.

Oft merkt man intertextuell geprägten Texten den Spaß am Spiel mit Literatur an: Andreas Steinhöfel antwortet, als er in einem Interview auf die vielfältigen intertextuellen Bezüge in seinen kinder- und jugendliterarischen Texten angesprochen wird: "Es macht einfach Spaß – das darf man auch nicht vergessen" (Härle/Rank 2005, S. 21). Und Umberto Eco rekonstruiert in seiner Nachschrift zum 'Namen der Rose', wie er Adsons intertextuell konstruiertes Liebeserlebnis beim Schreiben gleichsam miterlebt hat:

Ich hatte mir nämlich Dutzende von Zetteln mit Auszügen aus allen möglichen Texten, mehrere Bücher und einen Haufen Fotokopien bereitgelegt, viel mehr, als ich dann wirklich benutzte. Aber als ich ans Schreiben ging, schrieb ich die Szene in einem Zug nieder (erst später habe ich sie gefeilt und gleichsam mit einer Glasur überzogen, um die Nahtstellen noch etwas besser zu tarnen). Und während ich schrieb, die Texte kunterbunt um mich her, fuhr ich mit den Augen ständig von einem zum anderen, holte mir da ein Zitat und dort ein Zitat und verschweißte jedes sofort mit dem nächsten. Kein anderes Kapitel des Buches habe ich in der ersten Fassung so rasch heruntergeschrieben wie dieses. Später begriff ich, daß ich versucht hatte, mit den Fingern dem Rhythmus des Liebesaktes zu folgen, weshalb ich nicht anhalten konnte, um mir das 'richtige' Zitat herauszusuchen. (Eco 1986, S. 51f.)

Wenn aber der Autor intertextuelle Montage als lustvolles Spiel empfindet, dann darf diese Lust beim Lesen, vor allem auch im schulischen Kontext, nicht verlorengehen. Vielmehr müssen die literarischen Begegnungen von Texten und Figuren, die oftmals durchaus als ungewöhnlich, skurril, parodistisch oder raffiniert bezeichnet werden können, nicht nur weitergedacht, sondern auch weitergespielt werden.

Insbesondere in dieser Dimension bedarf es anregender Lernarrangements, die die nicht nur analytisch und kognitiv vorgehen, sondern das Spiel auch handlungs- und produktionsorientiert weiterspinnen. In den von Buß (vgl. 2006a, S. 195ff.) untersuchten Materialien zu Das Parfum stellen solche Aufgaben allerdings die Ausnahme dar, und auch Härle (2006, S. 33) verweist darauf, dass es insgesamt kaum methodische Modelle gibt, um das Phänomen Intertextualität im Unterricht angemessen zu erschließen. Deswegen soll die Idee des intertextuellen Spiel(en)s im Deutschunterricht abschließend an einigen methodischen Ideen konkretisiert und exemplifiziert werden:

  • Eine Figur des Prätextes wird in den Posttext montiert oder umgedreht.

Intertextualität ist ein wechselseitiges Phänomen. Zwar werden die Posttexte primär durch die Prätexte beeinflusst, aber auch der Blick auf den Prätext kann sich durch das intertextuelle Spiel des Posttexts verändern. Am Anfang von Paul Maars Roman Eine Woche voller Samstage will das Sams seinen Namen nicht nennen, im Text folgt ein deutlich markierter intertextueller Verweis auf Grimms Rumpelstilzchen. Die beiden Figuren haben zwar Gemeinsamkeiten, aber durchaus auch wesentliche Unterschiede. Wie würde das Märchen der Brüder Grimm also weitergehen, so könnte eine textproduktive Aufgabe lauten, wenn nicht Rumpelstilzchen, sondern das Sams bei der Müllerstochter auftauchte?

  • Figuren aus Prä- und Posttext werden in einem (geschriebenen oder gespielten) Dialog szenisch miteinander konfrontiert.

Intertextuelle Bezüge tragen oft dazu bei, dass Figuren genauer charakterisiert werden, sei es durch das, was sie lesen, oder literarische Vergleiche. Die aus Sherlock Holmes-Motiven konstruierte Drei ???-Folge Botschaft aus der Unterwelt thematisiert immer wieder den direkten Vergleich zwischen Justus Jonas, dem ersten Detektiv, und Sherlock Holmes. Eine Schreibaufgabe kann darin bestehen, dass die beiden Detektive in einem fiktiven Dialog zusammengeführt werden und sich über den konkreten Fall, ihr Arbeitsethos und ihre Methoden, vielleicht auch über die Zusammenarbeit mit Peter und Bob respektive Dr. Watson austauschen.

In Andreas Steinhöfels Roman Der mechanische Prinz ist Max unterwegs in verschiedene literarisch inspirierte Welten, auch nach Nimmerland verschlägt es ihn. Dort trifft er zwar nicht auf Peter Pan, eine Konfrontation der beiden Figuren im Rahmen einer textproduktiven Aufgabe wäre jedoch durchaus ergiebig, denn die Anspielungen in Steinhöfels Roman sind sehr bewusst ausgewählt.

  • Eine intertextuell relevante Dramenszene wird so inszeniert, dass der Bezug zum Prätext im Regiekonzept deutlich wird.

Im zeitgenössischen Drama ist das intertextuelle Spiel mit literarischen Texten besonders häufig, vor allem Klassiker werden dabei immer neu verarbeitet. Oft kann man den literarischen Bezugspunkt bereits den Titeln entnehmen, etwa in Elfriede Jelineks Ulrike Maria Stuart oder Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte, in Ferdinand Schmalzʼ Jedermann (stirbt) oder Ewald Palmetshofers Hamlet ist tot. Keine Schwerkraft. In Palmetshofers faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete gibt es eine Szene, die deutlich auf das Religionsgespräch in Goethes Faust anspielt. Hier sollen die Schülerinnen und Schüler ein Regiekonzept entwickeln, in dem der intertextuelle Bezug deutlich gemacht wird, etwa indem mit Projektionen aus klassischen Faust-Inszenierungen gearbeitet wird, in die die Schülerinnen und Schüler die Texte Palmetshofers hineinsprechen oder montieren, um den Dialog zwischen den Texten greifbar zu machen.

  • Die intertextuelle Beziehung von Texten wird durch eine Hyperlinkstruktur visualisiert und erläutert.

Während der Begriff des Hypertextes mittlerweile die gängige Textpraxis im Internet beschreibt, also nicht-lineare Rezeptionsformen, die durch Hyperlinks gesteuert werden, taucht er in den 1980er Jahren bereits bei Gérard Genette auf, der im Rahmen seiner Palimpsesttheorie von Hypertextualität spricht, wenn sich ein Text auf einen dominanten Hypotext bezieht. Hypertextualität im intertextuellen Sinne lässt sich – als methodische Idee für den Unterricht – dann durch Hyperlinkstrukturen abbilden, wenn möglichst unterschiedliche Anspielungen auf engem Raum zusammenkommen. In Elfriede Jelineks Winterreise etwa steht das Spiel mit den von Franz Schubert im gleichnamigen Liederzyklus vertonten Gedichten Wilhelm Müllers im Vordergrund. Im Unterricht sollen die Schülerinnen und Schüler mit einer Präsentationssoftware die hypertextuelle Faktur durch Hyperlinks deutlich machen, indem sie entsprechende Anspielungen verlinken und in den verlinkten Folien die Prätexte, aber auch Erläuterungen zum intertextuellen Spiel ergänzen.

  • Das Phänomen Intertextualität wird im Spannungsfeld von Originalität und Plagiat diskutiert.

Sind Anlehnungen an bereits existierende Werke nicht ein Zeichen von Einfallslosigkeit, Sprachohnmacht oder zumindest mangelnder Originalität? Paul Maar (2007, S. 172f.) berichtet von einer Bibliothekarin, die behauptet, "sie habe ein Plagiat aufgespürt: Der Autor [Paul Maar] hätte das Motiv des Dieners, der ein Kind töten soll, es aber stattdessen in der Wildnis aussetzt, offensichtlich aus 'Schneewittchen' gestohlen". Darauf erwidert Maar lakonisch: "Ich hätte sie gerne gefragt, ob ihr wirklich all die anderen Zitate entgangen sind, mit denen meine Erzählung spielt". Auch Elfriede Jelinek (2004, S. 68) ironisiert in einer Nachbemerkung zu ihrem Stück Stecken, Stab und Stangl das eigene intertextuelle Verfahren: "Die Autorin hat wieder einmal Zitate hereingelegt. Sagt aber nicht welche. Raten Sie! Keine Preise zu gewinnen!".

Solche Zitate könnte eine Diskussion in Gang setzen, in der es um die grundsätzliche Frage nach Originalität oder Plagiat, nach Sprachgewalt oder Sprachohnmacht, nach Sinn und Wirkung von intertextuell organisierter Literatur insgesamt geht. Dabei kann auch die Rolle der Autorin oder des Autors zwischen klassischer Genie-Ästhetik und postmoderner DJ-Culture thematisiert werden.

Die unterschiedlichen Beispiele (vgl. jeweils ausführlicher ausgearbeitet in Wicke 2013a, 2014b, 2016a, 2018) haben gezeigt, dass über das Phänomen der Intertextualität durchaus zentrale Bereiche des literarischen respektive ästhetischen Lernens berührt werden, vom bewussten Umgang mit Fiktionalität bis zur Unabschließbarkeit von Sinnbildungsprozessen (vgl. Spinner 2006). Wenn die Unterrichtsarrangements außerdem versuchen, das spielerische Potential intertextueller Lektüren zu nutzen, sollte ein Literaturunterricht möglich sein, der die Lernenden nicht überfordert und jene Mischung aus "Scharfsinn und Spieltrieb" bietet, die Genette (1993, S. 534) im Umgang mit Intertextualität betont.

3 Literaturverzeichnis

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  • Wicke, Andreas: "… geworfen von Klippe zu Klippe …". Die Schutzbefohlenen zwischen ästhetischem Gehalt und politischer Relevanz. In: Praxis Deutsch 2016b, H. 257. S. 43-51.

  • Wicke, Andreas: "Der Vergleich mit Sherlock Holmes liegt doch nahe". Intertextualität und Spannung in dem Hörspiel "Die drei ??? – Botschaft aus der Unterwelt". In: Komparatistik und Didaktik. Hg. v. Michael Eggers und Christof Hamann. Bielefeld: Aisthesis 2018. S. 259-276.

  • Wicke, Andreas: Intertextualität und Intertextualitätstheorien im Deutschunterricht. In: Interpretationsverfahren der germanistischen Literaturdidaktik und didaktische Referenzkonzepte. Hg. v. Sebastian Bernhardt und Thomas Hardtke. Berlin: Frank & Timme 2022. S. 95-113.