Inhalt
Die schwarze Magie zieht im 6. Band der Harry Potter-Heptalogie immer dichtere Kreise und so ist auch Hogwarts nicht mehr sicher vor Übergriffen. Draco Malfoy, bereits seit Band eins Harrys Gegenspieler, hat vom Dunklen Lord höchstpersönlich einen Auftrag erhalten, dessen Inhalt erst spät im Roman aufgedeckt wird. Doch seine Mutter Narzissa Malfoy und seine Tante Bellatrix Lestrange bangen um das Leben des Jungen. Und so bitten sie Professor Severus Snape um Hilfe, der daraufhin einen Unbrechbaren Schwur ablegt: Er schwört, Draco zu helfen und im Falle seines Versagens dessen Aufgabe zu beenden.
Als die Schüler nach den Ferien nach Hogwarts zurückkehren, sind sie geschockt. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden drastisch verschärft. Doch es folgt eine weitere Überraschung, denn Horace Slughorn leitet nun den Unterricht für 'Zaubertränke', das Fach, das bisher Professor Snape innehatte, der nun wiederum den langersehnten Posten als Lehrer für 'Verteidigung gegen die dunklen Künste' übernimmt. Snape macht Harry also fortan in diesem Fach das Leben schwer. Immerhin in 'Zaubertränke' wird es Harry nun einfacher haben: Wie einfach, stellt sich schon bald heraus. Denn durch Zufall erhält er ein gebrauchtes, vollgekritzeltes Lehrbuch, in dem einige sehr nützliche Zusatzinformationen notiert wurden – und zwar von einem geheimnisvollen 'Halbblutprinzen'. Doch wer ist dieser Halbblutprinz? Harry ignoriert Hermines Warnungen und mausert sich mit den Informationen und Hinweisen des Prinzen schnell zum Musterschüler in 'Zaubertränke'.
Und dann geschieht es: Katie Bell, eine Gryffindor-Schülerin, wird von einem Fluch getroffen und kommt nur knapp mit dem Leben davon. Harry hat schnell Draco in Verdacht und bald schon findet er heraus, dass Snape einen Unbrechbaren Schwur abgelegt hat, um Draco zu schützen. Harry erzählt Lupin und auch Dumbledore von seinem Verdacht, doch niemand möchte ihm Glauben schenken. Zudem scheint Snape auch für den Tod von Harrys Eltern verantwortlich zu sein. Doch Dumbledore vertraut Snape weiterhin! Harry kann es nicht fassen, dennoch muss er sich auf das Wesentliche konzentrieren, auf den Kampf gegen Voldemort. Mit Dumbledores Hilfe und dem Denkarium erfährt Harry Vieles über das Leben des Dunklen Lords und dessen Streben nach Unsterblichkeit: Er hat seine Seele in sieben Teile gespalten und in ausgewählten Objekten an bestimmten Stellen versteckt. Diese Objekte, Horkruxe genannt, müssen gefunden und vernichtet werden. Und so machen sich Dumbledore und der Zauberschüler auf, die Horkruxe zu zerstören. Das Schicksal nimmt seinen Lauf und Harry wird einen weiteren schweren Verlust verkraften müssen.
Kritik
Im sechsten Band scheinen sich Harrys Ahnungen endlich zu bestätigen: Snape ist durch und durch böse. Wie kann Dumbledore ihm nur vertrauen? Der Direktor der Zauberschule hat doch eigentlich eine gute Menschenkenntnis … Als Hauslehrer der Slytherins ist Snape für die Rolle des Bösewichtes geradezu prädestiniert. Denn das
Haus Slytherin wird zwar weder durch die Erzählinstanz noch durch Figurenrede als böse klassifiziert, kann aber dennoch in die Nähe zum Bösen gestellt werden, da es von Salazar Slytherin gegründet worden ist, Voldemort ebenso wie die Familie Malfoy in Slytherin gewesen ist, es in dem Ruf steht, schwarze Magier hervorzubringen, mehr schwarze Magier als aus allen anderen Häusern aus Slytherin stammen und alle diejenigen, die böse geworden sind, zuvor dem Haus Slytherin angehört (Kulik 2004: 299).
Rowling hat innerhalb der ersten fünf Bände immer wieder geschickte Hinweise auf Snapes Charakter einfließen lassen, die ihn als böse erscheinen lassen. So befindet sich sein Klassenraum zu Beginn der Heptalogie im Keller und in seinen Klassenzimmern herrscht eine unheimliche und düstere Atmosphäre.
Snape hatte dem Raum bereits seine persönliche Note aufgezwungen; er war düsterer als üblich, da Vorhänge vor die Fenster gezogen wurden, und er wurde von Kerzen beleuchtet. Neue Bilder schmückten die Wände, viele davon zeigten Menschen, die offenbar unter Schmerzen litten, denn sie wiesen grässliche Verletzungen oder seltsam verrenkte Körperteile auf (S. 179 f.).
Immer nachdrücklicher stellt sich dem Leser die Frage, ob Snape nicht doch immer noch Voldemort treu ergeben ist. Warum hat der Direktor von Hogwarts dennoch ein derart unerschütterliches Vertrauen zu ihm? So viel sei verraten: Rowling ist immer wieder für eine Überraschung gut.
Wie schon in den Bänden zuvor kann man auch in diesem Band erneut Bezüge zu Mythologie, Märchen, Literatur und Legenden vorfinden. Die Idee der Unsterblichkeit, die Rowling durch Voldemort und die Aufspaltung seiner Seele aufgreift, ist ein Thema, mit dem sich die Menschheit seit jeher beschäftigt. Sicherlich denkt man in diesem Zusammenhang zunächst an Vampire, die im klassischen Sinne hier aber nicht vorzufinden sind. Allerdings wurde Rowling offenbar von einem slawischen Volksglauben inspiriert, der eine Art Vampir beschreibt. Dwojeduschnik ist eine Kreatur mit zwei Herzen und zwei Seelen, diese können sich voneinander trennen, um andere Menschen zu verletzen. Ihre Seele verstecken diese Wesen unter einem Stein, den es zu finden gilt, um sie zu vernichten. Der Name Horkrux – die Beschäftigung mit der Onomastik ist bei Rowling immer wieder vorzufinden – lässt sich aus dem Lateinischen und Altenglischen ableiten: Hor stammt dabei von Hàr, was Seele bedeutet, und Crux lässt sich mit Kreuz oder auch Anker übersetzen. Ein Horkrux ist also ein Seelenkreuz oder auch Seelenanker.
Fazit
In Band sechs der Heptalogie steigt die Spannung und Rowling versteht es, diese bis zum Schluss aufrechtzuerhalten. Wie man es von der Autorin gewohnt ist, sind auch in diesem Band etliche intertextuelle Bezüge vorzufinden. Viele der Leser sind mit Harry und seinen Freunden mitgewachsen und haben so etwa die Anfänge der Pubertät gemeinsam durchlebt. Aber auch viele jüngere – und ältere – Leser greifen nach wie vor zu den sieben Bänden. Waren die ersten Bände noch für Leser ab 10 Jahren geeignet, so lösen vor allem die letzten Bücher immer wieder Diskussionen aus, ab wie vielen Jahren sie – aber auch vor allem die Filme – gelesen bzw. gesehen werden dürfen. Leser unter 12 Jahren sollten nicht zu den letzten Bänden greifen, da diese doch wesentlich düsterer sind. Standen anfangs noch Harrys Entdeckungen seiner Zauberkräfte und der Zaubererwelt im Vordergrund, so rückt nun immer mehr der Kampf gegen das Böse in den Mittelpunkt. Was unter anderem auch die Thematisierung des Todes und auch der Gewalt – physische und psychische – beinhaltet. So sind beispielsweise in den späteren Bänden düstere Wesen wie die Inferi – menschliche Leichen, die zu willenlosen Sklaven Voldemorts werden – vorzufinden, die für sehr junge Leser nicht geeignet sind.
Literatur
- Nils Kulik: Das Gute und das Böse in der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur. Frankfurt a.M.: Lang, 2004.
- Name: Rowling, Joanne K.
- Name: Klaus Fritz