Biographie
Joanne Rowling wurde am 31. Juli 1965 in Yate bei Bristol geboren. Schon früh zeigte sich ihre Leidenschaft für Bücher und der Wunsch, einmal Schriftstellerin zu werden; bereits im Alter von sechs Jahren verfasste sie ihre erste kleine Geschichte. Die Familie – Anne und Peter Rowling und Schwester Dianne – siedelte 1973 in die nahegelegene Kleinstadt Chepstow in Wales um, wo Joanne eine recht unbeschwerte Kindheit verlebte. Die Eltern waren selbst begeisterte Leser und unterstützten Joannes Leidenschaft für Literatur, rieten ihr aber dennoch zu einem grundständigeren Studium: Nach ihrem Schulabschluss 1983 studierte sie Französisch und Altphilologie in Exeter und begann anschließend eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin, die sie jedoch nach kurzer Zeit abbrach. Danach arbeitete sie unter anderem zwei Jahre lang als Forschungsassistentin für Amnesty International in London. (vgl. Martin 2001, S. 10ff.)
Nach dem Tod ihrer Mutter, die Ende 1990 an Multipler Sklerose starb, hatte Rowling wiederholt mit schweren Depressionen zu kämpfen. Sie nahm eine Stelle als Englischlehrerin in Porto (Portugal) an, wo sie ihren ersten Mann kennen lernte. Aus der kurzen, unglücklichen Ehe ging Tochter Jessica hervor, mit der Rowling 1993 nach Großbritannien zurückkehrte, diesmal nach Edinburgh, wo auch ihre Schwester lebte. Eine längere Periode der Arbeitslosigkeit folgte, in der Rowling, trotz erneuter Phasen schwerer Depression, den ersten Band von Harry Potter fertigstellte. (vgl. Martin 2001, S. 37ff.)
Die Idee zu Harry Potter, dem "ganz normalen Jungen", der erfährt, dass er ein Zauberer ist, war ihr bereits 1990, während ihrer Zeit in London gekommen. Davor hatte sie sich zwar an verschiedenen Manuskriptideen für Erwachsenenromane versucht, war aber mit den Ergebnissen nie zufrieden gewesen. Als Harry Potter and the Philosopher's Stone nach sechsjähriger Arbeit am Manuskript und langer Suche nach einem Verleger 1997 bei Bloomsbury erschien, hatte sie bereits ein umfangreiches Repertoire an Figuren samt Biografien angelegt – und den gesamten Handlungsbogen der Reihe, die in sieben Bänden die sieben Zauberschuljahre umfasst, bis ins Detail ausgearbeitet. (vgl. Martin 2001, S. 33f.)
Rowlings Erfolg stellte sich bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung des ersten Bandes ein: Nachdem Bloomsbury mit einer Auflage von nur 500 Exemplaren in Druck gegangen war, erhielt Rowling bereits fünf Monate später mit dem Nestlé Smarties Book Prize ihre erste Auszeichnung, auf die bald weitere folgten. Dass Harry Potter and the Philosopher’s Stone (1997, Harry Potter und der Stein der Weisen, 1998) ein Jahr später mit nahezu allen großen von Kindern verliehenen britischen Kinderbuchpreisen ausgezeichnet wurde (vgl. Eccleshare 2002, S. 13), belegt Rowlings frühe Popularität wohl am eindrücklichsten.
Mit den Einnahmen des ersten Bandes und einem Stipendium des Scottish Arts Council konnte Rowling sich ganz dem Schreiben widmen, sodass der zweite Band der Reihe, Harry Potter and the Chamber of Secrets (Harry Potter und die Kammer des Schreckens, 1999), bereits ein Jahr später, 1998, erschien. Auch Band drei und vier – Harry Potter and the Prisoner of Azkaban (Harry Potter und der Gefangene von Askaban, 1999) und Harry Potter and the Goblet of Fire (Harry Potter und der Feuerkelch, 2000) – folgten mit jeweils einem Jahr Abstand. 2001 heiratete Rowling Neil Murray, mit dem sie Sohn David und Tochter Mackenzie bekam. So erschienen die letzten drei Bände der Heptalogie mit etwas größerem Abstand: 2003 Harry Potter and the Order of the Phoenix (Harry Potter und der Orden des Phönix, 2003), 2005 Harry Potter and the Half-Blood Prince (Harry Potter und der Halbblutprinz, 2005) und 2007 Harry Potter and the Deathly Hallows (Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, 2007). Letzterer brach mit 8,3 Millionen verkauften Exemplaren am Erscheinungstag in Großbritannien und den USA noch die Verkaufsrekorde der vorherigen Bände. (vgl. www.jkrowling.com)
Als literarische Vorbilder nennt Rowling unter anderem Jane Austen, C. S. Lewis und Edith Nesbit und, als direkten Einfluss auf die Harry Potter-Bücher, das fantastische Kinderbuch The Little White Horse von Elizabeth Goudge. (vgl. Martin 2001, S. 21f.) Außerdem betont sie immer wieder, welch großen Einfluss der Verlust ihrer Mutter auf ihr Werk genommen hat: "At least half of Harry's journey is a journey to deal with death, in its many forms, what it does to the living, what it means to die, what survives death."
Rowling sah sich mit einer für Autoren außergewöhnlichen Popularität konfrontiert, auf die weder sie selbst noch ihr Verlag vorbereitet war. Beigetragen zu diesem Phänomen hat, neben der großen Beliebtheit der Reihe bei Kindern wie Erwachsenen, wohl nicht zuletzt die mythisierte Darstellung ihrer eigenen Biografie, die die ihrer Romanfigur in vielerlei Hinsicht widerspiegelt – vom gemeinsamen Geburtsdatum bis zum märchengleichen sozialen Aufstieg und Ruhm. Inwieweit Rowling bzw. ihr Verlag hier eine Marketingstrategie verfolgt haben, ist allerdings unklar.
Für ihre Harry Potter-Romane erhielt Joanne Rowling zahlreiche internationale Auszeichnungen und Preise, so den Whitbread Children’s Book Award (1998, 1999), den British Book/British Children's Book Award (1997, 1998, 1999) oder den Hans-Christian-Andersen-Literaturpreis (2010). Harry Potter und der Stein der Weisen wurde zudem für den Deutschen Jugendliteraturpreis (1999) nominiert. Daneben wurden ihr Ehrendoktorwürden und besondere Auszeichnungen verliehen, unter anderem der britische Verdienstorden für Verdienste im Bereich der Kinderliteratur. (vgl. Martin 2001, S. 100ff.)
Werk
"Ich schreibe über gut und böse und habe die Verantwortung, das ordentlich zu machen. So einfach ist es eben nicht – das Gute gewinnt nicht immer."
(Martin 2001, S. 81f.)
Das wohl wesentlichste Merkmal der Harry Potter-Reihe ist die vorherrschende Genre-Vielfalt: Rowling vereint gekonnt Charakteristika verschiedenster Genres, etwa die Spannungsstruktur des Abenteuer- und Detektivromans, typische Figuren und Konflikte des englischen Internatsromans (School Story) und des Entwicklungsromans, Handlungselemente und Motive des Märchens und natürlich die fantastische Motivik der Reise zwischen zwei Welten: zwischen Menschen- und Zaubererwelt. Diese stellt wiederum "eine Synthese aus Legenden, Sagen und Mythen verschiedener Länder und Kulturkreise" (Boonyaprasop 2001, S. 79) dar. Auch sozialkritische Elemente und, insbesondere in den späteren Bänden, Elemente der Horrorliteratur sind Teil dieses "Patchwork-Texts". (Conrady 2003, S. 97) Das Besondere der Reihe liegt jedoch nicht nur in der fast unüberschaubaren Fülle der aufgegriffenen literarischen Traditionen, sondern vor allem in ihrer kunstvollen Kombination. Nicht selten nutzt Rowling diese Genrespezifika, um den Leser auf eine falsche Fährte zu leiten. Da Harry Potter von Beginn an auf sieben Bände ausgelegt war (jeder Band umfasst ein Schuljahr), handelt es sich dabei genau genommen nicht um eine Reihe, sondern um eine Heptalogie. (vgl. Himmelsbach 2012, S. 177–206)
Rowlings Charakterisierung von Figuren als entweder gut oder böse ist zudem weit weniger statisch als in anderen Werken der Phantastik (vgl. Kulik 2005, S. 329) – klassische Merkmale des Bösen finden sich mitunter auch auf der Seite des Guten und umgekehrt. Rowling stellt vielmehr die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen in den Vordergrund: Harry selbst muss erkennen, dass es nicht seine Fähigkeiten sind, die ihn als gut oder böse kennzeichnen, sondern seine Entscheidungen.
Für zwei der fiktiven Lehrbücher Harrys hat Rowling, zugunsten der Hilfsorganisation Comic Relief, reale Vorlagen geschaffen: In Phantastische Tierwesen & wo sie zu finden sind (2001, Originaltitel: Fantastic Beasts & Where to Find Them) werden in Wissenschaftssprache parodierendem Stil die magischen Wesen aus Rowlings Zauberwelt vorgestellt. Auch Quidditch im Wandel der Zeiten (2001, Originaltitel: Quidditch Through the Ages) ist als Genreparodie zu sehen, hier werden Herkunft und Entwicklung des Spiels erklärt, Quidditch-Mannschaften vorgestellt oder die Evolution des "Rennbesens" erläutert. Beide Werke sind optisch als gebrauchte Schulbücher gestaltet (Phantastische Tierwesen ist zudem mit Notizen und Kritzeleien der drei Zauberschüler versehen) und geben nicht Rowling, sondern die fiktiven Autoren als Urheber an, verbinden also Fiktion mit Realität. Ihre Vorliebe und besondere Begabung für die parodistische Darstellung zeigte Rowling bereits in den Harry Potter-Bänden, in denen mit der Tageszeitung Daily Prophet (Tagesprophet), dem Frauenmagazin Witch Weekly (Hexenwoche) oder der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Transfiguration Today (Verwandlung Heute) die verschiedensten journalistischen Textformen vertreten sind. Phantastische Tierwesen wurde 2016 für das Kino adaptiert; das Drehbuch hat Rowling selbst in Zusammenarbeit mit Steven Kloves und David Heyman geschrieben, dem Hauptdrehbuchautor und dem Produzenten der ursprünglichen Harry Potter-Filme. (Geplant sind insgesamt fünf Filme, die den Zeitraum von 1926 bis 1945 abdecken sollen.) Auch Die Märchen von Beedle dem Barden (Originaltitel: The Tales of Beedle the Bard), die im letzten Harry Potter-Band eine wichtige Rolle spielen, liegen seit 2008 in Buchform vor. Mit den dort enthaltenen fünf Märchen schafft Rowling die Grundlage für den Mythos ihrer Zaubererwelt.
Seit Juni 2016 wird zudem im Londoner Palace Theatre Harry Potter and the Cursed Child aufgeführt, eine Fortsetzung der ursprünglichen Heptalogie als Theaterstück, das 19 Jahre nach der Schlacht um Hogwarts angesiedelt ist. Die Story wurde von Rowling zusammen mit Jack Thorne und dem Theaterregisseur John Tiffany entwickelt. Das von Thorne geschriebene Skript inkl. Theateranweisungen erschien im August 2016 in Buchform (dt.: Harry Potter und das verwunschene Kind).
2012 erschien Rowlings erster (gesellschaftskritischer) Roman für Erwachsene, Ein plötzlicher Todesfall (The Casual Vacancy, 2012), der wiederum Verkaufsrekorde brach und ihr den Goodreads Choice Award 2012 in der Kategorie Best Fiction einbrachte, aber nicht durchweg positive Kritik erhielt. Unter dem Pseudonym Robert Galbraith folgte 2013 Der Ruf des Kuckucks (The Cuckoo’s Calling, 2013) als Auftakt der Krimiserie um Privatdetektiv Cormoran Strike. Mit Der Seidenspinner (The Silkworm, 2014) erschien 2014 ein zweiter Teil, gefolgt von Die Ernte des Bösen (Career of Evil, 2015).
Populärrezeption
Obwohl Harry Potter vorwiegend als Fantasy- und Entwicklungsroman und damit als Jugendliteratur eingestuft wird, ist die Reihe bei Erwachsenen mindestens ebenso beliebt wie bei jüngeren Lesern – im Vereinigten Königreich, den USA und in Deutschland wurden sogar Ausgaben für Erwachsene als sogenannte "Adult Editions" mit entsprechend dezenter Umschlaggestaltung herausgegeben. Die Heptalogie ist damit als All-Age- oder Crossover-Literatur zu sehen, die sich, indem sie altersübergreifende Themen behandelt, gleichermaßen an jugendliche wie an erwachsene Leser richtet. Tatsächlich hat der Erfolg der Reihe den Grundstein für den Trend des Crossover Reading gelegt und damit wiederum die Frage nach dem Definitionsraum von Kinderliteratur aufgeworfen. (vgl. Falconer 2009, S. 4 f.)
Offizielle Übersetzungen liegen derzeit in über 68 Sprachen vor. (vgl. www.jkrowling.com) Ebenfalls bei Bloomsbury erschienen Übersetzungen ins Altgriechische und ins Lateinische. Aus Sicherheitsgründen konnten die Manuskripte den Übersetzern nicht vor Veröffentlichung des Originals zur Verfügung gestellt werden, sodass die Übersetzungen der Romane mit einiger Verzögerung auf den ausländischen Märkten erschienen. So kam es einerseits zu ungewöhnlich hohen Verkaufszahlen der englischen Titel auch im Ausland – die Originalausgaben der letzten drei Bände schafften es sogar auf den ersten Platz der deutschen Bestsellerlisten (vgl. www.focus.de/kultur/buecher/harry-potter_aid_68617.html) –, andererseits kamen zahlreiche inoffizielle Übersetzungen illegal in Umlauf.
In die Kritik geriet Rowling vor allem in den USA, wo ihre Romanreihe an einigen Schulen von den Lehrplänen gestrichen wurde. Einem Bericht der American Library Association zufolge führt Harry Potter sogar die Liste der Bücher an, gegen deren Verfügbarkeit in Schulen und Büchereien offiziell Einspruch erhoben wurde (Zeitraum 2000–2005). Vor allem aus christlich-fundamentalistischen Kreisen stammte der Vorwurf, Harry Potter trage zur Verherrlichung und Verbreitung von Okkultismus bei, eine Position, die jedoch von Vertretern der Kirche vielerseits Widerspruch erfährt. Rowling selbst positioniert sich klar gegen eine Vermittlung von Glaubenssystemen in ihrem Werk; vielmehr stünden die Bände unter dem – allen Glaubenssystemen zugrundeliegenden – Motiv der triumphierenden Macht der Liebe und des Mitgefühls. Gerhard Lauer zufolge ist jedoch durchaus eine christliche Motivik in der Reihe zu erkennen, "aber nicht deshalb, weil Harry Potter ein christlicher Roman wäre, sondern weil die europäische Literaturgeschichte dieses Thema von der den Tod überwindenden Liebe nur christlich erzählen kann." (Lauer 2013, S. 376).
Darüber hinaus hat die Magie bei Rowling keineswegs die Funktion eines Deus ex machina, sondern dient vielmehr oft als Komikelement, das es vermag, dem Leser den Spiegel vorzuhalten. (vgl. Bridger 2001, S. 30f.) So heißt es auch in einer Rezension von Christian Seidl:
Das sich durch die Zeilen ziehende, nicht selten unverschämte Entlarven der Erwachsenenwelt als eine Welt der Ignoranz und des Spießertums hat etwas latent Subversives. (Martin 2001, S. 62)
Kritisiert wurde außerdem die zunehmend bedrohliche Atmosphäre der Reihe; zweifelsohne können (und sollen) die letzten Bände nicht mehr als Kinderliteratur eingestuft werden. In einem Interview begründet Rowling ihre Darstellung wie folgt:
Ich beschreibe die böse Seite im Detail. Von Anfang an wollte ich, dass meine Leser Voldemorts Hintergrund verstehen. Wie er wurde, was er ist. So kann ich auch darstellen, wie andere Menschen von dieser kraftvoll bösen Figur angezogen werden […] [und] wie schwierig es ist gegen jemanden zu kämpfen, der das Leben nicht würdigt. (Martin 2001, S. 75)
Spätestens mit der filmischen Adaption der Bücher (2001–2011) begann die umfassende Vermarktung der Marke Harry Potter. Neben den üblichen Merchandising-Artikeln wurde 2012 die interaktive Website "Pottermore" zugänglich gemacht, auf der unter anderem von Rowling verfasste Hintergrundinformationen zu den Romanen erscheinen; 2010 wurde in Florida ein eigener Themenpark eröffnet. Auch am Londoner Bahnhof Kings Cross wurde Rowlings Fantasiewelt ein Denkmal gesetzt: Hier findet sich heute zwischen Gleis 9 und 10 ein Schild mit der Aufschrift "Platform 9 ¾" und darunter ein Gepäckwagen, der in der Wand zu verschwinden scheint.
Wissenschaftliche Rezeption
Ebenso stark rezipiert wird Harry Potter auch im akademischen Bereich. Von der Analyse des unvergleichlichen Erfolgs der Reihe im Kontext der Leseforschung über kultur- und literaturwissenschaftliche, theologische oder didaktische Aspekte bis hin zu intermedialen Aspekten werden die unterschiedlichsten Themen behandelt. (vgl. Karg/Mende 2010, S. 66f.)
Einen Forschungsbereich bildet hier etwa die Intertextualität, die mitunter als das zentrale Gestaltungsmerkmal der Heptalogie gesehen wird. (vgl. Just 2006, S. 64) Tatsächlich ist der Rückgriff auf tradierte Elemente als charakteristisches Merkmal der Fantastik und insbesondere der Fantasy zu sehen. (vgl. Karg/Mende 2010, S. 183f.) In der populären Rezeption der Harry Potter-Bücher wird das von diesen betriebene intertextuelle Spiel allerdings oft negativ bewertet und als Form des Plagiats verstanden:
Hier zeigt sich deutlich, wie stark moderne Leser von den Maximen der Genie- oder Erlebnisästhetik geprägt sind, was zu einer Art Textkritik führt, die Originalität als entscheidendes Qualitätskriterium annimmt. (Karg/Mende 2010, S. 172)
Die Originalität der Harry Potter-Bücher ist so auch vielmehr in der komplexen Vernetzung der Referenzen zu sehen – "eine Fülle von sich gegenseitig überlagernden Bedeutungsschichten" (Karg/Mende 2010, S. 173), die es Lesern egal welchen Alters unabhängig vom Grad ihrer Leseerfahrung ermöglicht, aktiv an der literarischen Spurensuche teilzunehmen. (vgl. Karg/Mende 2010, S. 173) Bei den Referenzen handelt es sich vor allem um Bezüge zu den literarischen Traditionen der von Rowling aufgegriffenen Genres: Aus der Fantastik etwa der Topos der Reise zwischen zwei Welten über festgelegte Portale, die als materielle Schwellen fungieren; die mittelalterliche Atmosphäre der fantastischen Welt, die Gestalten der keltischen, nordischen und altenglischen Mythen und Sagen oder der Kampf von Gut gegen Böse; die klassischen Figuren des Internatsromans; Motive wie Freund- und Feindschaft, erste Liebe und Identitätssuche aus dem Adoleszenzroman (vgl. Karg/Mende 2010, S. 188f.); Schema und Figurenkonstellationen des Kriminalromans oder auch die ironische Selbstreferenz aus der populären Literatur. (vgl. Lauer 2013, S. 372)
Mit den Themen Elternferne, Bewährung des Helden, Naturnähe und kindlicher Verweigerung liegt hier darüber hinaus eine für Kinder- und Jugendliteratur klassische Motivkonstellation vor. (vgl. Lexe 2003, S. 177ff.) Als Ausgangspunkt dieser Konstellation kann das in Harry Potter besonders präsente Motiv der Schwelle gesehen werden, diese kennzeichnet zum einen die Passage zur fantastischen Sekundärwelt (über materielle Schwellenmotive wie die Mauer, die den Durchgang zur Winkelgasse freigibt, das Gleis 9 ¾ oder auch die Türschwelle vom Haus der Dursleys, auf der diese den kleinen Harry eines Morgens vorfinden), zum anderen aber auch den Übergangsritus in die Erwachsenenwelt (über immaterielle Motive wie die magischen Formen des Transports durch Raum und Zeit oder insbesondere Harrys kurzzeitigen Übertritt in eine Art Zwischenwelt zwischen Leben und Tod im siebten Band). (vgl. Kurwinkel 2014, S. 308ff.)
Einige Publikationen widmen sich auch den intermedialen Aspekten des Harry-Potter-Medienverbunds. So erkundet der Sammelband Harry Potter Intermedial (2014) diesen Schwerpunkt, indem ausgewählte Aspekte der Filmadaptionen sowie der deutschen Übersetzungen der Romane untersucht werden: behandelt wird hier unter anderem die musikalische und auditive Gestaltung, die Umsetzung intertextueller Referenzen und bestimmter Motive, die filmische Inszenierung der gegensätzlichen Naturvorstellungen von Menschen- und Zaubererwelt oder die Übertragung der in den Buchvorlagen zentralen Themen des Rassismus und Faschismus.
Die Forschungsliteratur rund um Harry Potter umfasst mittlerweile mehr als 2000 Titel aus den unterschiedlichsten Fachbereichen (vgl. Himmelsbach 2012, S. 43) – auf der Seite www.eulenfeder.de von Literaturwissenschaftlerin Cornelia Rémi ist eine vollständige und laufend aktualisierte Online-Bibliographie zu finden.
Literaturverzeichnis
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Internet
- http://www.ala.org/news/news/pressreleases2006/september2006/harrypottermostchallenge (06.10.2015).
- http://www.spiegel.de/kultur/literatur/kritik-an-harry-potter-das-kreuz-mit-der-religion-a-494012.html (06.10.2015).
- http://www.welt.de/kultur/article1059634/Severus-Snape-ist-praktisch-Shakespeare.html (06.10.2015).
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Filmkritiken:
Harry Potter und der Stein der Weisen (Chris Columbus, 2001)
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 2 (David Yates, 2011)