Inhalt

Als Kira nach der Begegnung mit ihrem neuen Mitschüler Tim Fieberschübe und Wahrnehmungsstörungen befallen, vermutet sie zunächst Zusammenhänge, an die sie selbst zunächst jedoch gar nicht glauben mag. Sie vertraut sich ihrer bloggenden Freundin Atropa an, die jedoch kaum überrascht ist und Kira eröffnet, dass sich langsam aber sicher magische Fähigkeiten bei ihr zeigen. Atropa will sich mit ihr in einem Wasserwerk treffen, doch Kira lässt das Treffen platzen. Dennoch muss sie sich eingestehen, dass sie zunehmend von merkwürdigen rauchigen Schattenwesen verfolgt wird.

Zunächst verleugnet Kira ihre Fähigkeiten, nicht zuletzt weil sie und Tim und sich näher kommen und ein Paar zu werden zu scheinen. Als Kira jedoch versehentlich durch ihre magischen Fähigkeiten Tims Bett anzündet, wird sie in die Psychiatrie eingeliefert, aus der sie jedoch entkommen kann. Sie flieht durch Berlin und gelangt schließlich zum Wasserwerk, wo sie in einen See fällt. Bevor sie jedoch ertrinkt, gelangt sie durch den See, der einer magischen Pforte gleicht, in eine Parallelwelt unterhalb von Berlin. Dort trifft sie auf Menschen, die ebenfalls über magischen Gaben und Fähigkeiten verfügen, mit denen sie die Elemente Feuer, Wasser, Luft, Erde oder Äther kontrollieren können. Sie haben die Akademie der Elemente gegründet, um zu lernen und zu lehren, wie man Begabungen kontrollieren und gezielt einsetzen kann.

Kira trifft auf Mentoren und neue Freunde, aber auch auf Leo, von dem sie sich – trotz seiner angeberischen Art – angezogen fühlt. Obwohl es ihr schwerfällt – Kira musste Tim und ihre Eltern zurücklassen, darf ihnen nur selten eine Email schreiben –, lebt sie sich dank der Hilfe ihres Schutzengels Neve gut ein und wird von ihrem Mentor Jerome unterrichtet. Doch bald stellt sich heraus, dass Kira nicht nur ein, sondern alle Elemente kontrollieren kann und damit zu einer Gefahr für sich und andere werden kann. Gleichzeitig sehen andere auch das Potential, das in ihr wohnt, um eigene Vorhaben und Machenschaften durchsetzen zu können. Kira muss sich nicht nur der Frage stellen, wie sie ihre Kräfte kontrollieren kann, sondern auch, wem sie eigentlich vertrauen kann.

Und dann ist da auch noch ihr Vater, der in irgendeiner Beziehung zu Jerome zu stehen scheint. Wird es Kira gelingen, Tim wiederzusehen, das Geheimnis um ihren Vater aufzudecken und die Machenschaften von Jerome aufzulösen?

Kritik

Daphne Unruh ist ein spannender Fantasy-Roman gelungen, der mit dem in der Phantastik und im Fantasy-Roman bekannten Konstruktion der Parallelwelt spielt, die die Protagonisten plötzlich entdecken und in der sie sich – im Gegensatz zum eigentlichen Zuhause – angenommen und willkommen fühlen. Eingängig beschreibt Unruh mittels autodiegetischer Erzählinstanz zunächst Kiras Alltagsleben in Berlin zwischen Schule und dem scheinbar perfekten Elternhaus, so dass der Leser in ihre Welt eintauchen kann: Es kann sogar den Wegen, die Kira läuft, folgen, da Unruh Kira direkt durch die Straßen Berlins laufen lässt und den Leser an diesen Spaziergängen teilhaben lässt. Vor dieser Folie entwickelt sie dann die Unterwelt unter Berlin, die sich als magisch entpuppt, und die man durch bestimmte Punkte/Orte in Berlin erreichen kann, die somit als Schwelle in diese andere, magisch-phantastische Welt fungieren. Unruh greift auch an diesem Punkt auf ein klassisches Motiv nicht nur der Kinder- und Jugendliteratur, sondern generell der Phantastik/Fantasy zurück und lässt Kira dieses Hindernis überwinden, so dass sie in der Parallelwelt ankommen kann. Die Strukturen dieser Welt unterscheiden sich in einigen Punkten von denen der 'normalen' Welt – so ist z.B. immer gleichbleibend schönes Wetter, die Bewohner altern nicht –, in anderen Punkten gibt es Gemeinsamkeiten, z.B. wenn alle 'Neuankömmlinge' erst einmal lernen müssen, ihre Fähigkeiten zu beherrschen und Unterricht in der Akademie erhalten. Gleichzeitig ist es den magisch Begabten nach Beendigung ihrer Ausbildung möglich und erlaubt, dauerhaft oder für kurze Zeit nach Berlin zurückzukehren, wo sie dann allerdings ganz normal altern und ihr Leben trotz magischer Fähigkeiten, den irdischen Naturgesetzen unterworfen ist. Klassisch ist auch die Aufnahme des Schulunterricht und die Implementierung einer Akademie, an der die Neuankömmlinge aktiv lernen müssen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu kontrollieren. Insofern erinnert dieses ganze Szenario ein wenig an ein Internat und lässt sich somit mit Internats- und Schulromanen in Verbindung bringen, die magisch unterfüttert und in der gegenwärtigen KJL gehäuft, v.a. seriell, zu finden sind (z.B. Richelle Mead: Vampire Academy [Lyx-Verlag], J.K. Rowling: Harry Potter [Carlsen], P.C. und Kristin Cast: House of Night [Fischer], Jennifer Estep: Frostkuss [Piper]).

Die Protagonisten überzeugen in ihrer Konzeption: Kira nimmt man durchaus ab, dass sie 'keinen Bock' mehr auf Schule hat und froh ist, wenn sie bald ihr Abi in der Tasche hat. Das Phantastische, das plötzlich in ihr Leben einbricht, lässt sie zweifeln und unsicher werden, der Schritt in die Parallelwelt beschert ihr jedoch zahlreiche Helfer – im Sinne der klassischen Heldenreise –, die sich ihrer annehmen und sie auf ihrem Weg unterstützen. Insofern erinnert Kiras Weg ein wenig an eine rites-de-passage, einen Initiationsritus, nach dessen Ende sie mit neuen Kräften gestärkt in ihre Welt zurückkehren kann. Auch die anderen, mit individuellen Stärken und Schwächen versehenen Akteure – die sich nicht einfach in Gut und Böse einteilen lassen – überzeugen konzeptionell in ihrer Gesamtheit, eine jede Figur hat ihr persönliches Schicksal erfahren und den Weg in die Parallelwelt gefunden, um dort eine neue Heimat zu finden.

Die Struktur des Buches ist dreigeteilt: Der erste Teil führt den Leser langsam in Kiras Welt ein und endet mit Kiras Sturz in den Wasserstrudel. Der zweite Teil etabliert die Parallelwelt, die auch in den Folgebänden eine Rolle spielen wird, und deren Bewohner, im dritten Teil spitzt sich der Konflikt zu, an dem auch Kiras Vater, der sich als ihr Stiefvater entpuppen wird, eine große Rolle spielt. Als Entwickler eines neuartigen Wasserreinigungssystems hat er der Öffentlichkeit seine Erfindung als bahnbrechend verkauft, während er im Geheimen mit Jerome die aus dem Wasser gefilterten Giftstoffe in das Wasser der Unterwelt geleitet hat. Daphne Unruh greift somit an diesem Punkt auch ein ökologisches Thema auf, nämlich das der Umweltverschmutzung – das bereits Eingang gefunden hat in zahlreiche Kinder- und Jugendbücher – und gleichzeitig damit verbunden die Frage, wie weit man gehen kann/darf bei der Entwicklung neuartiger Technologien, ohne der Umwelt/Natur zu schaden. Zudem implementiert sie ein weiteres Thema, mit dem Kira verbunden ist, nämlich das der Adoption. Kiras Eltern, die beide selbst mit magischen Fähigkeiten ausgestattet und in der Unterwelt zuhause waren, sind bei einem Unfall ums Leben gekommen. Die Differenzen, die Kira zwischen sich und ihren Adoptiveltern gespürt hat, werden so narrativ erklärbar und für den Leser nachvollziehbar.

Fazit

Mit Himmelstiefe ist Daphne Unruh ein spannender Auftakt zu einer mehrbändigen Reihe für LeserInnen ab 14 Jahren gelungen, der auf altbekannte Motive – Parallelwelt, Schwellenübertritt, Akademie in einer Parallelwelt – zurückgreift und sie mit aktuellen Themen – Ökologie/Nachhaltigkeit, Adoption – verknüpft und im Setting der Großstadt Berlin verortet. Drei Folgebände Schattenmelodie (Bd. 2; 2016), Seerosennacht (Bd. 3; 2017) und Blütendämmerung (Bd. 4; 2017) setzen die Geschichte um Kira und Tim fort.

Titel: Himmelstiefe
Autor/-in:
  • Name: Unruh, Daphne
Erscheinungsort: Bindlach
Erscheinungsjahr: 2016
Verlag: Loewe
ISBN-13: 978-3-7855-8565-8
Seitenzahl: 496
Preis: 9,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
Unruh, Daphne: Himmelstiefe