1. Entstehung und Rezeption
  2. Zur Deutung der Hauptfiguren
  3. Fantastiktheoretische Dimensionen
  4. Sozialgeschichtlicher und politischer Hintergrund
  5. Illustrationen
  6. Intertextuelles Spiel
  7. Das Sams auf der Bühne
  8. Das Sams in Hörspiel, Hörbuch und Film
  9. Sprache, Komik und Lyrik
  10. Übersetzungen
  11. Das Sams in der Schule
  12. Literatur und Wirklichkeit

Ist das Sams übersetzbar?

Die Übersetzungsprobleme der Sams-Romane beginnen schon beim Namen der Hauptfigur: Das Sams ist nach einem Wochentag benannt, und die Geschichte basiert darauf, dass am Sonntag die Sonne scheint, am Mittwoch die Mitte der Woche ist, Herr Taschenbier am Dienstag Dienst und am Freitag frei hat. Hinzu kommt, dass das Sams reimt und in Wortwitzen spricht, die sich oft nur schwer übersetzen lassen, weil beispielsweise eine deutschsprachige Redewendung wörtlich genommen wird.

Eine englische Übersetzung der Romane ist bis heute nicht erschienen, ‚Mr Pocketbeer‘ und das ‚Satur‘, so ließe es sich wörtlich übertragen, sind in der anglophonen Welt bislang nicht angekommen, und englischsprachige Kinder dürfen nicht – und würden vielleicht auch nicht – darüber lachen, dass ‚Mrs Red cabbage‘ hin und wieder ‚Mrs Brussels sprouts‘ genannt wird. „Zwar kann die Häufung von Sprach- und Wortspielen Texte unübersetzbar erscheinen lassen, sie können aber auch gerade zur Übersetzung provozieren“, resümiert Agnes Blümer (2016, 194) und Hanne Wiesner (2021) belegt in TraLaLit, dem Magazin für übersetzte Literatur, dass durchaus „einige Unerschrockene […] das Experiment gewagt“ haben:

[U]nd so blödelt sich das Sams mittlerweile durch zwei Dutzend Sprachen: Arabisch, Bosnisch, Bulgarisch, Chinesisch, Estnisch, Griechisch, Koreanisch, Kroatisch, Japanisch, Litauisch, Niederländisch, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Schwedisch, Serbisch, Thai, Tschechisch, Türkisch, Ungarisch und Ukrainisch. Die meisten Übersetzungen gibt es ins Ukrainische (Band 1-5), Russische (Band 1-7) und Chinesische (alle 10 Bände). (Wiesner 2021)

Auch diese Auflistung von 2021 muss mittlerweile erweitert werden, laut Verlagsliste gibt es auch Übersetzungen in Albanien und Mazedonien. Der erste Übersetzer von Eine Woche voller Samstage ist der Niederländer Hans W. Bakx, Zeven dagen zaterdag erscheint 1977 im Amsterdamer Querido Verlag. Das ‚Zater‘ ist hier, wie im Deutschen, nach dem ‚zaterdag‘ benannt und wohnt in der Übersetzung bei ‚meneer Honnebier‘. Im Niederländischen funktionieren auch die Verballhornungen von Frau Rotkohls Namen: „Aus Mevrouw Koolstra (einem Nachnamen, in dem ebenfalls der kool = Kohl mit drinsteckt) wird Frau Knolstra (knol = Knolle, Rübe, aber auch Gaul), Mevrouw Koolsla (Krautsalat) oder gar Koolstronk (Kohlstrunk)“ (Wiesner 2021). Vor allem die Übersetzungen ins Arabische und ins Polnische sind sehr ausführlich kommentiert worden, weswegen sie im Fokus der folgenden Überlegungen stehen.

„Das Sams spricht Arabisch“

2009 bekommt Mahmoud Hassanein von einer Übersetzungsinitiative des Kultusministeriums von Abu Dhabi den Auftrag, den ersten Band, Eine Woche voller Samstage, ins Arabische zu übertragen. Das Ergebnis ist 2011 im Verlag Kalima erschienen und Hassanein hat den Übersetzungsprozess in einem Aufsatz mit dem Titel Das Sams spricht Arabisch kommentiert. Ein zentrales Problem sei, dass die Wochentage in der Zielsprache durchnummeriert sind. Dennoch hat Hassanein eine Lösung gefunden und ist bei seinen „Recherchen nach den etymologischen Bedeutungen der Wochentagsnamen im Arabischen […] auf veraltete Namen für die Wochentage gestoßen“:

Diese Namen haben den Vorteil gegenüber den heute gängigen Namen, dass sie sprechende Namen sind. Montag heißt zum Beispiel Ahwan, was auch ein Personenname sein kann. So lässt sich dieser Wochentag im Arabischen mit einem Besuch von Herrn Ahwan (alias Herr Mon) verknüpfen. Das Gleiche gilt […] für Donnerstag Moanes, was ebenfalls ein Personenname ist. An diesem Tag hört der arabische Herr Taschenbier seinen Lieblingssänger Moanes im Radio usw. So können die Weichen für das Auftreten des Sams am Samstag gestellt werden. (Hassanein 2012, 134)

Auch in anderen Fällen geht es Hassanein weniger darum, eine exakte wörtliche Übersetzung zu liefern, als vielmehr um ein Kinderbuch, das in der Zielsprache funktioniert. Wenn also Frau Rotkohl Herrn Taschenbier bisweilen ‚Flaschenbier‘ nennt, während das Sams von der ‚ollen Rosenkohl‘ spricht, muss auch hier in der Übersetzung eine wortspielerische Analogie gefunden werden. „So wird aus Frau Rotkohl eine Frau Bolbola (zu Deutsch: ‚Nachtigall‘), die vom Sams in Kombola umbenannt wird (zu Deutsch: ‚Bombe‘), während Taschenbier Fasih (zu Deutsch: ‚Der sich im Hocharabischen auskennt‘) heißt und von Bolbola Fasich genannt wird, zu Deutsch: ‚Ein stinkendes Fischgericht‘“ (Hassanein 2012, 136).

Mahmoud Hassanein hat auch Peter Härtlings Das war der Hirbel, Otfried Preußlers Krabat oder Stefanie de Velascos Tigermilch ins Arabische übersetzt, außerdem hat er an zweisprachigen Kinderbüchern wie Kirsten Boies Bestimmt wird alles gut mitgewirkt. 2021 ist seine Übersetzung von Paul Maars Autobiographie Wie alles kam erschienen. Dennoch ist er skeptisch, wenn vom Übersetzer als Kulturvermittler gesprochen wird, denn der Begriff suggeriere „klare, feste Grenzen. Die Kulturen erscheinen dann als räumlich statische Gebilde, deren Grenzen unverrückbar sind. Hier sei die deutsche Kultur, dort die arabische!“ (Hassanein 2018, 29). Dass das nicht zutrifft, zeigt er auch an einem Beispiel seiner Übersetzung von Eine Woche voller Samstage: „Während ein Lektor Herrn Taschenbier […] untersagte, Bier zu trinken, erlaubte ein anderer Lektor im selben Verlag einem anderen Protagonisten in einer anderen Geschichte, sich mit Wein zu betrinken und besoffen durch die Gegend zu laufen“ (Hassanein 2018, 31). In seinen Übersetzungen geht es Mahmoud Hassanein also weniger darum, zwischen Kulturen zu vermitteln, er will vielmehr die Grenzen zwischen den Kulturen verschieben.

Maar Hassanein Foto Mustafa Al Slaiman

Mahmoud Hassanein und Paul Maar lesen aus der 
arabischen und deutschen Fassung von Eine Woche voller Samstage
Foto: Mustafa Al-Slaiman

Das Cover von Eine Woche voller Samstage mit den Illustrationen Paul Maars wurde für die Übersetzung ins Arabische zwar übernommen, doch eine kleine Änderung war nötig. Unter dem Titel Wo das Sams seine Rüsselnase verlor heißt es 2016 in einem Artikel der Mainpost:

„Als ich aber diese Ausgabe in den Händen hielt, dachte ich, nanu, das Sams hat ja eine rote runde Nase wie ein Clown.“ Schnell war Paul Maar klar, warum sein Sams seine Rüsselnase verlor. „Das Schwein gilt im Islam als unreines Tier. Deswegen können Muslime ihren Kindern nicht eine Identifikationsfigur vorsetzen, die etwas Schweinisches an sich hat.“ So wurden die Nasenlöcher wegretuschiert. Der Inhalt sei aber nicht angetastet worden. „Darauf kommt es mir an, nicht auf die Nase.“ (Jeske 2016)

Die Übersetzungen ins Polnische…

Die Übersetzung ins Polnische stammt von Anna Gamroth, bislang liegen die ersten drei Sams-Romane vor: 2009 veröffentlicht der Verlag Media Rodzina den ersten Band unter dem Titel Tydzień pełen sobót, 2011 folgen der zweite und dritte Teil: W sobotę wraca Sobek sowie Nowe piegi dla Sobka. Eliza Pieciul-Karmińska hat diese Übersetzungen untersucht und setzt mit ihrer Analyse bei der Benennung des Sams an. Sie resümiert, dass der Name im Deutschen keine eigenständige Bedeutung habe, deutlich an den Wochentag Samstag angelehnt sei und im Neutrum stehe. „Und was passiert in der polnischen Übersetzung?“, fragt sie und gibt folgende Antwort:

Der ideologisch wichtigste und gleichzeitig sprachlich unkomplizierte Satz: „Du bist bestimmt ein Sams“ wird in der polnischen Übersetzung als „Nazywasz się Sobek“ übersetzt, und dies bedeutet: „Du heißt Sobek“, „Dein Name ist Sobek“, wobei das zielsprachige „Sobek“ semantisch durchsichtig ist und „Egoist“ bedeutet. […] Die Übersetzerin wählte das Wort „Sobek“ analog zum deutschen Wortspiel, d.h. aufgrund einer (fernen) Ähnlichkeit mit dem Wort „sobota“ (Samstag), wobei der semantische Gehalt des zielsprachigen Wortes verkannt – oder noch schlimmer – bewusst (und gegen die Intention des Originals) gewählt wurde. In der polnischen Übersetzung wurde auch die Funktion des Artikels völlig verkannt, denn das Wort „Sams“ wurde als Eigenname verstanden. Davon zeugt die zielsprachige Großschreibung des Substantives und vor allem die Verwendung des Verbes „nazywać się” (heißen). Und noch ein wichtiger Aspekt des besprochenen Motivs geht verloren: Während das Sams ein Neutrum ist, ist „Sobek“ ein Maskulinum, was dann auch gravierende Folgen für die ganze Serie hat. Infolge der Genusmarkierung der Verbendungen im Polnischen wird die Männlichkeit des Wesens auf jeder Seite wiederholt und bestärkt, was dann eklatanter als im Original ausfällt. (Pieciul-Karmińska 2017, 94)

Für die Benennung des Sams macht Pieciul-Karmińska einen konkreten Vorschlag und plädiert dafür, es in der polnischen Übersetzung ‚Sobotko‘ zu nennen. „Was wird auf diese Art und Weise gewährleistet? ‚Sobotko‘ ist 1) ein Neologismus wie das ‚Sams‘ und weist ausdrücklich auf den Wochentag hin (sobota – sobotko); 2) kleingeschrieben funktioniert es wie ein Appellativ und 3) es ist ein Neutrum“ (Pieciul-Karmińska 2017, 95).

Des Weiteren kritisiert Pieciul-Karmińska, dass der freche und anarchische Charakter der Sams-Figur in der polnischen Übersetzung entschärft werde, und kommt in einem zweiten Beitrag zu dem Schluss: „We can distinguish here all strategies directed at a young reader: infantilization, moralization, censorship“. An konkreten Beispielen zeigt sie, wie die Respektlosigkeit des Sams gegenüber Erwachsenen in der polnischen Übersetzung abgemildert sei. Zusätzlich falle auf, dass „negative expressions for adults are censored and the negative behavior of children gets stigmatized“ (Pieciul-Karmińska 2020, 435).

Ein zentraler Kritikpunkt betrifft darüber hinaus die intertextuellen Anspielungen auf E.T.A. Hoffmanns Das fremde Kind sowie die Märchen der Brüder Grimm, die in den Übersetzungen nicht berücksichtigt werden. Solche Entscheidungen nähmen der Übersetzung die ästhetische Vielschichtigkeit des Originals. „Es scheint, dass man nach wie vor nicht so genau weiß, wer Paul Maar ist und worauf seine Popularität und vor allem seine schriftstellerische Leistung beruht“, so Pieciul-Karmińska (2017, 92).

… und ins Fränkische

Unabhängig von der Qualität der unterschiedlichen Übersetzungen kann das Sams mittlerweile als literarischer Weltenbürger bezeichnet werden. Neben den unterschiedlichen Nationalsprachen liegt auch die Übertragung in ein weiteres Schriftsystem – die Brailleschrift – vor, außerdem eine Dialektfassung. Wenn Paul Maar selbst die Texte liest, spricht das Sams mit einer oberdeutschen Färbung. In seiner Autobiographie Wie alles kam gesteht der Autor, dass er das Fränkische, mit dem er aufgewachsen ist, nie ganz ablegen konnte: „Man erkennt den Franken selbst dann, wenn er schon in die Jahre gekommen ist und sich sein Leben lang bemüht hat, Hochdeutsch zu sprechen, weil es etwa sein Beruf erfordert“ (Maar 2020, 191). Maar kommt eben aus „Bamberch“ und isst gern „Erdbeerdorde“ (Maar 2020, 190f.).

David Saam lässt aber nicht nur das Sams Dialekt sprechen, sondern hat Maars Roman 2021 komplett ins Fränkische übersetzt: Samsdooch Alladooch lautet der Titel des als Hörbuch verfügbaren Texts. Für diese Produktion übernimmt Paul Maar selbst die Rolle des Studienrat Groll. In einer Rezension in der Süddeutschen Zeitung heißt es:

Was ist wohl gemeint, wenn das Sams ein „Mordsgwerch“ macht? Und was sagt Frau Rotkohl, wenn der kleine Unruhestifter seine „Goschn“ nicht halten kann und weiter so ein „G’schmarri“ redet? Die absurden Einfälle des Sams wirken auf fränkisch sogar oft noch komischer. „Das ist auch das Schöne, mit dem Dialekt kann man immer nochmal eine Schippe drauflegen“, sagt David Saam. In den Augen des Oberfranken sei das Sams ein typisch fränkisches Freggerla, ein Lausbub also, „der andere zwar in die Pfanne haut, dabei aber trotzdem sympathisch bleibt“. (Kügle 2021)

Literatur

  • Maar, Paul: Wie alles kam. Roman meiner Kindheit. Frankfurt/Main: Fischer 2020.
  • Blümer, Agnes: Paul Maar übersetzt. In: Paul Maar. Bielefelder Poet in Residence 2015. Paderborner Kinderliteraturtage 2016. Hg. v. Petra Josting und Iris Kruse. München: kopaed 2016. S. 193-204.
  • Hassanein, Mahmoud: Das Sams spricht Arabisch. Ein Kommentar zur Übersetzung von Paul Maars Eine Woche voller Samstage. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache / Intercultural German Studies 38 (2012). S. 131–137.
  • Hassanein, Mahmoud: Vermitteln oder Grenzen verschieben? Der Übersetzer als Bindeglied zwischen zwei Kulturen. Reflexionen zur Übersetzung deutscher Kinder- und Jugendliteratur ins Arabische. In: JuLit (2018) 2. S. 28-32.
  • Jeske, Christine: Wo das Sams seine Rüsselnase verlor. In: Mainpost vom 26.3.2016.
  • Kügle, Veronika: Mordsgwerch vom Freggerla. In: Süddeutsche Zeitung vom 23.7.2021. URL:  https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sams-franken-paul-maar-david-saam-hoerbuch-1.5361185.
  • Pieciul-Karmińska, Eliza: Paul Maars Sams als das „fremde Kind“ in der polnischen Übersetzung. In: Übersetzungskritisches Handeln. Modelle und Fallstudien. Hg. v. Beate Sommerfeld, Karolina Kęsicka, Małgorzata Korycińska-Wegner und Anna Fimiak-Chwiłkowska. Frankfurt/Main: Peter Lang 2017. S. 85-98.
  • Pieciul-Karmińska, Eliza: Paul Maar’s Sams: a Revolutionary Bestseller in German Children’s Literature and its Polish Rendition. In: Filoteknos 10 (2020). S. 427-437. DOI: 23817/filotek.10-30.
  • Wiesner, Hanne: Eine Woche voller Wortspiele. In: TraLaLit. Magazin für übersetzte Literatur vom 13.10.2021. URL:  https://www.tralalit.de/2021/10/13/eine-woche-voller-wortspiele/.

 

So zitieren Sie diesen Text:

Andreas Wicke: Fünfzig Jahre voller Samstage. Paul Maars Sams-Romane (2023). URL: https://sams.kinderundjugendmedien.de/