1. Entstehung und Rezeption
  2. Zur Deutung der Hauptfiguren
  3. Fantastiktheoretische Dimensionen
  4. Sozialgeschichtlicher und politischer Hintergrund
  5. Illustrationen
  6. Intertextuelles Spiel
  7. Das Sams auf der Bühne
  8. Das Sams in Hörspiel, Hörbuch und Film
  9. Sprache, Komik und Lyrik
  10. Übersetzungen
  11. Das Sams in der Schule
  12. Literatur und Wirklichkeit

Das Sams im Hörspiel …

Mit Der Turm im See, einem Hörspiel, das der Süddeutsche Rundfunk am 6. Januar 1968 ausstrahlt, beginnt Paul Maars schriftstellerische Karriere. Karla Müller (2021, 147) betont darüber hinaus, dass der Autor insgesamt „für das Ohr schreibt“ und „viele seiner erzählenden Werke“ in der „Erzähltradition der Oralität“ stehen. „Mündlichkeit“ bezeichnet Müller folgerichtig als ein „übergreifendes Strukturprinzip“ in Maars Œuvre:

Zur Mündlichkeit gehört jedoch nicht nur eine spezifische Form der Narrativik, sondern auch ein weiteres Element, das für Hörmedien ergiebig ist: der Sprachklang. Rhythmus, Reim und Sprachspiele in Form von Lautspielen sind für das Werk Paul Maars charakteristisch. (Müller 2021, 147)

Für die Sams-Romane treffen diese Parameter in besonderem Maße zu, dementsprechend präsent sind die Texte in unterschiedlichen Audioformaten. Unmittelbar nach Erscheinen des Romans Eine Woche voller Samstage verfasst der vor allem im Bereich des kommerziellen Kinderhörspiels der 1970er Jahre äußerst produktive Regisseur Kurt Vethake eine Rundfunkfassung, die unter der Regie von Ludwig Thiesen produziert und bereits ab November 1973 in kurzen wöchentlichen Episoden vom Südwestfunk ausgestrahlt wird. Die Fassung Vethakes wird dann wenig später noch einmal in einem kommerziellen Rahmen aufgenommen, diesmal führt er selbst Regie, die Theatertruppe Die Kullerköpfe ist für die Produktion verantwortlich, Sprecher sind u.a. Michael Orth und Peter Schiff.

Klang das Sams in der Fassung des SWF sehr kindlich und verniedlicht, ist es in der zweiten Version, die nach wie vor über Oetinger Audio vertrieben wird, stimmlich viel charakteristischer und kerniger, sowohl sprechend als auch singend – und die Musik spielt in dieser Produktion eine zentrale Rolle. Zwar werden die Liedtexte aus dem Roman übernommen, sind aber durch die markante Vertonung von Max Roth sehr dominant und prägen die Audioästhetik der Adaption. Gleich das Eingangsstück lässt durch seinen pointierten Rhythmus und einen Klang zwischen Walze und Kinoorgel Assoziationen zur Musik in Zeichentrickfilmen oder im Zirkus zu. Die Musik fungiert dabei auch als „Blende und die Lieder des Sams […] erfüllen ihre dramatischen und emotionalen Funktionen auf vorzügliche Weise“, lobt Günter Lange (2007, 15) die Audiofassung. „Auch als Hörspiel ist das Sams selbst für kleine Kinder ein beeindruckendes Erlebnis“.

Zu den besonders gelungenen Passagen der Hörspieladaption gehört sicher der Kaufhausbrand (I/00:28:02), der effektvoll mit den medienspezifischen Möglichkeiten des Hörspiels inszeniert wird. Sprache und Stimme der Besucherinnen und Besucher erzeugen zunächst eine anschwellende Panik, die durch laute „Feuer“-Rufe akzentuiert wird, anschließend singt das Sams das Lied Feuer, Feuer, Ungeheuer, in das sich bereits charakteristische Geräusche mischen. Immer wieder hört man das Schellen der Alarmanalage, schließlich beginnt mit dem Befehl „Wasser marsch!“ der Löscheinsatz. Die Szene entfaltet sich ähnlich bildhaft und eindringlich wie jene, in der Herr Taschenbier wünscht, dass es in seinem Zimmer schneit. Neben den Geräuschen von Schneesturm und Flutwelle wird hier vor allem das Frieren der Figuren betont. Im Roman heißt es: „Wa-wa-was ist da-da-das?“ oder „Ein Ei-Ei-Eisbär, nehme ich a-a-an“ (Maar 1973, 141f.) und im Hörspiel wird daraus ein virtuoses Zitterkonzert, in dem Sams und Taschenbier stimmlich brillieren (II/00:40:05).

Auch die Bände Am Samstag kam das Sams zurück, Neue Punkte für das Sams und Ein Sams für Martin Taschenbier sind in Hörspielfassungen auf dem Markt, eine Audioadaption des ersten Romans ist außerdem 2005 in Schweizerdeutsch unter dem Titel E Wuche lang Samschtig erschienen.

… und im Hörbuch

Darüber hinaus gibt es die Sams-Romane in diversen Hörbuchfassungen. Paul Maar selbst hat die Texte in unzähligen Veranstaltungen vorgetragen, Ausschnitte sind beispielsweise aus der Vorlesezeit verfügbar, an der er 2021 während eines Corona-Lockdowns teilgenommen hat. Die Romane werden aber auch ab 2006 von Ulrich Noethen (Bd. 1, 6 und 7) sowie ab 2015 von Monty Arnold (Bd. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 10, 11 und 12) gesprochen, des Weiteren hat Rufus Beck bereits 2005 den fünften Band gelesen, Band 9 ist 2017 als Hörbuch mit der Stimme von Andreas Fröhlich erschienen. Alle vier haben das Sams auf höchst unterschiedliche Weise lebendig werden lassen und zeigen, wie verschieden Hörbücher sein können.

Wählt man die Version Ulrich Noethens, so könnte man – obwohl natürlich der heterodiegetische Erzähler beibehalten wird – meinen, die Romane aus der Perspektive von Herrn Taschenbier erzählt zu bekommen. Das liegt sicher auch daran, dass er diese Rolle in den filmischen Adaptionen von Ulrich Limmer spielt. Seine Art, die Romane zu lesen, kann man als unaufgeregt bezeichnen, erst allmählich nehmen die Charaktere in seiner Stimme Form an. Eine Besonderheit ist allerdings Noethens Gesang: Wenn im Roman gesagt wird, dass das Sams singt, wird anschließend naturgemäß nur der Text wiedergegeben, nicht die Melodie. Deswegen bedient sich Noethen großzügig, wo immer ein Text auf eine Melodie passt – und passt er nicht, so wird er passend gemacht: Volkslied, Choral, Oper, Sinfonik, sein Repertoire scheint unerschöpflich. Das „Nei – hei – hein. Nei – hei – hein. / Ich will nicht stille sein“ (Maar 1973, 25) des Sams wird auf Joseph Haydns Melodie der deutschen Nationalhymne gesungen (1/IV/00:28), sein Spottgesang „Frau Rosenkohl / Ist innen hohl“ (Maar 1973, 37) auf das Adventslied Macht hoch die Tür (1/V/04:51 sowie 1/V/05:21) und der schlichte Reim „Das Sams ist still, das Sams ist still, / Weil sein Papa es so will“ (Maar 1973, 28) wird in Noethens Lesung virtuos auf den Anfang von Beethovens V. Sinfonie verteilt (1/IV/04:17).

Monty Arnold hingegen liest mit deutlich höherer Spannung, er geht in die Extreme und legt die Figuren stärker karikierend an, was insbesondere bei Frau Rotkohl – der eigentlichen Paraderolle Arnolds – äußerst effektvoll ist. Auch das beim Sprechen essende Sams wird bei ihm sehr plastisch. Herr Taschenbier hingegen bleibt oftmals in einer unentschiedenen Mittellage, spielt also jene Rolle, die bestens zu ihm passt, weil er sie auch sonst im Leben einnimmt. Die Lieder scheint Monty Arnold zu extemporieren, nur ausnahmsweise greift er auf vorhandene Melodien zurück, etwa wenn er Schlaf, Papa, schlaf auf die Melodie des bekannten Kinderliedes singt – „fürchterlich falsch“ (Maar 1973, 33), wie es der Romantext ausdrücklich fordert. Als Frau Rotkohl bei Herrn Taschenbier klopft und dieser in Verlegenheit gerät, weil die Vermieterin nichts vom Sams wissen darf, singt es: „Das Sams ist still, das Sams ist still, / Weil sein Papa es so will“ (Maar 1973, 28). Monty Arnold zeigt hier auf musikalischem Weg, dass auch scheinbar brave Reaktionen des Sams nie frei von Revolution sind, und singt den Text lauthals krähend auf die Melodie der Marseillaise (1/IV/03:04).

„Das Sams wird Filmstar“

Gleich nachdem die Kinowelt Filmproduktion beim Verlag die Rechte zur Verfilmung der Sams-Bücher erworben hatte, setzte ich mich mit Ulrich Limmer in München zusammen. Ulrich Limmer ist der Produzent des Films, außerdem hatten wir beschlossen, gemeinsam das Drehbuch zu schreiben. Wir besprachen, wie der Film aussehen könne, wer und was darin überhaupt vorkommen solle, und legten schon eine erste Abfolge der Szenen fest.

Dass ein Film etwas ganz anderes ist als ein Buch, muss nicht lange erklärt werden. Mit einem Buch ist man gern allein und zieht sich an einen Ort zurück, wo man möglichst ungestört lesen kann. Einen Film schaut man sich mit vielen anderen Zuschauern zusammen im Kino an, manchmal kauft man auch zwischen der Vorschau und dem Hauptfilm ein Eis und der eine oder andere stört seine Sitznachbarn damit, dass er an den spannendsten Stellen mit der Popcorntüte raschelt.

Das ist aber beileibe nicht der wichtigste Unterschied zwischen Lesen und Filmgucken. (Maar 2001, 7)

Paul Maar, von dem dieser Bericht stammt, ist also nicht nur Autor und Illustrator der Sams-Romane, sondern hat auch am Drehbuch für die Filme mitgewirkt – und aus dem Entstehungsprozess von Das Sams wiederum ein Buch gemacht: Das Sams wird Filmstar. Was genau man in diesem Sachbuch erfährt, verrät der Untertitel: Paul Maar zeigt die schönsten Fotos aus dem Sams-Film, verrät Filmtricks und Filmgeheimnisse, berichtet von den Dreharbeiten, stellt die Schauspieler vor und erzählt neue Sams-Geschichten.

In einer dieser Geschichten verschwimmen dann auch Realität und Fiktion: Die Filmemacher versuchen, die ideale Besetzung für die Rolle des Sams zu finden und kommen zu dem Schluss, nur das Sams selbst könne sich spielen. Sie besuchen also Herrn Taschenbier, der das Sams mit Hilfe der Sams-Rückhol-Tropfen herbeiwünscht. Dabei mischen sich die Vertragsverhandlungen mit den Reimen des Sams, und dessen Forderungen sind eindeutig: per Haufenreim fordert es einen Haufen Würstchen.

Hör gut zu, was ich jetzt sag,
und schreib es gleich in den Vertrag:
Das Sams kriegt Würstchen jeden Tag,
weil es Würstchen essen mag. (Maar 2001, 28)

Der erste Drehtag wird – zumindest in Maars Fiktion – dennoch zu einem Debakel, denn einerseits scheitern die Szenen, in denen Würstchen vorkommen, am Appetit des Sams, vor allem aber ergibt sich bei der Mustervorführung ein unerwartetes Problem: „Das Sams ist unfilmbar“ (Maar 2001, 40), es ist auf den Aufnahmen nicht zu sehen. Die geschilderte Episode entpuppt sich allerdings am Schluss als Albtraum Paul Maars. Nachdem er aufgewacht ist, ruft Produzent Ulrich Limmer an:

„Hallo, Paul, stell dir vor, wir haben unser Film-Sams gefunden!“, rief er aufgeregt. „Eine junge Schauspielerin. Sie heißt ChrisTine Urspruch. Sie ist wirklich das ideale Sams. Du musst gleich noch mal nach München kommen und sie kennen lernen. Du wirst begeistert sein.“ (Maar 2001, 44)

Das Sams ChrisTine Urspruch Weltkino Filmverleih

ChrisTine Urspruch als Sams
© Weltkino Filmverleih

In Das Sams wird Filmstar erfährt man darüber hinaus, dass ChrisTine Urspruch zwei Stunden täglich in der Maske verbringt, um dort als Sams geschminkt zu werden, woraus der Teller besteht, den sie als Sams essen muss, wie sie den Anzug im Kaufhaus mittels Druckluft zum Platzen bringt und wie es gelingt, dass sie in Herrn Taschenbiers Rucksack passt. Der Film arbeitet mit umfangreicher Tricktechnik, vor allem die Szene mit Schneesturm und Eisbär wird im Film aufwendig inszeniert und in Das Sams wird Filmstar ausführlich erläutert. Immerhin wird diese Sequenz mit einem echten Eisbären besetzt und mittels Green Screen realisiert:

Wenn man eine Person vor grünem Hintergrund aufnimmt, kann man sie an beliebiger Stelle ins Filmbild einmontieren. Das Gleiche gilt natürlich auch für Eisbären.

Wir mussten also einen Eisbären in einem Studio vor grünem Hintergrund dazu bringen, sich so zu verhalten, wie es für die Geschichte notwendig war: auf die Kamera zuzugehen, sich aufzurichten, zu brüllen, sich von der Kamera wegzubewegen.

Der einzige Eisbär in Europa, der wenigstens annähernd gezähmt ist, befindet sich im Raubtierzoo von René Strickler in der Schweiz. Dort, in einem Studio in Maur bei Zürich, drehten wir die Eisbärszenen.

René Strickler kam mit zwei Betreuern und dem Eisbären „Polaris“ ins Studio. Herr Strickler versteht sich nicht als Dompteur, sondern legt Wert auf die Berufsbezeichnung Tierlehrer. Er sagt, dass er seine Tiere nie zu etwas zwingen würde. Die Arbeit mit ihnen läuft spielerisch ab. Trotzdem ist er sich immer bewusst, dass er es mit gefährlichen Raubtieren zu tun hat, und behandelt sie mit der notwendigen Vorsicht und voller Respekt. (Maar 2001, 100)

Das Sams – ein Erfolg bei Kindern und Erwachsenen

Die inhaltliche Grundlage der Adaption bilden die ersten drei Sams-Romane, der Film komprimiert die Vorlage „und verschränkt zugleich deren narrative Kernkonflikte zu einer durchgehenden Filmhandlung“, schreibt Philipp Schmerheim (2017, 185). Die Art der Adaption bezeichnet er im Sinne der Terminologie Helmut Kreuzers (1993, 27) als „Aneignung von literarischem Rohstoff“, der „neu arrangiert und zugleich in eine Erzählung transformiert [wird], die sich der Ausdrucksmöglichkeiten des Filmmediums bedient“ (Schmerheim 2017, 188).

Der Erfolg der Produktion resultiert sicher aus dem beliebten Stoff, der Bekanntheit und schauspielerischen Leistung von ChrisTine Urspruch als Sams, Ulrich Noethen als Herrn Taschenbier, Eva Mattes als Frau Rotkohl, Aglaia Szyszkowitz als Frau März, Armin Rohde als Herrn Mon und dem Komikerduo Badesalz, das die Polizisten spielt. Aber auch das Filmteam ist mit Regisseur Ben Verbong und Produzent Ulrich Limmer prominent besetzt. Die Musik stammt von Nicola Piovani, der 1999 für seine Komposition zu Das Leben ist schön einen Oscar bekommen hat. „Überhaupt erweist sich die Entscheidung der Filmemacher, ‚Das Sams‘ aus der Ecke unterproduzierter Kinderfilme herauszuholen und mit einem ‚Erwachsenenfilm‘-Etat (elf Mio. DM) auszustatten, als geradezu zukunftsweisend für den deutschen Familienfilm“, kommentiert Rezensent Rolf-Ruediger Hamacher (2001). Der hauptsächlich in Bamberg gedrehte Film wurde u.a. mit dem Deutschen Filmpreis 2002 in Gold in der Kategorie Kinder- und Jugendfilm sowie mit dem Bayerischen Filmpreis 2002 für Ben Verbong und Ulrich Noethen ausgezeichnet (vgl. Twele 2004, 5).

Der Trailer zum Film
© Weltkino Filmverleih

Ein Blick auf die filmhandwerklichen Details zeigt, dass nichts dem Zufall überlassen bleibt. So hebt Gerrit Althüser (2017, 224) hervor, dass die „Kameraarbeit […] von hoher Bewegung geprägt“ sei. Damit verbunden spielt Perspektivität im Film eine dominante Rolle, das lässt sich etwa in der Szene der ersten Begegnung zwischen Herrn Taschenbier und dem Sams beobachten. Wenn die Marktbesucherinnen und Herr Taschenbier sich befremdet über das Sams unterhalten, ist diese Sequenz in extremer Untersicht aufgenommen (00:05:33, vgl. Althüser 2017, 224). Diese Sams-Perspektive wird oftmals dann eingesetzt, wenn sich vermeintliche Autoritäten – beispielsweise die Verkäufer im Kaufhaus (00:11:09) oder an der Würstchenbude (01:15:17) sowie der Pförtner (00:22:30) – über das Sams zu erheben versuchen. Beim Doppelwunsch wird schließlich ein Split Screen verwendet, um die Gleichzeitigkeit der beiden Wünsche von Herrn Mon und Herrn Taschenbier abzubilden (00:56:25).

Gina Weinkauff (2014, 138) weist des Weiteren auf die „bühnenmäßige[] Künstlichkeit“ des Films hin, die sich in den Kostümen der Darstellerinnen und Darsteller, aber auch in der Ausstaffierung der Kulissen zeigt. Die karge Einrichtung von Herrn Taschenbiers Zimmer wird zusätzlich durch eine Reproduktion von Carl Spitzwegs Gemälde Der arme Poet unterstrichen, die an der Wand hängt. In der Tat weisen die Farbgestaltung und die Holzbalken gewisse Ähnlichkeiten auf. Wenn das Sams, das sich auch im Film gleich zu Beginn reimend vorstellt, neben diesem Bild steht (00:10:01), wird es damit in eine Reihe ungewöhnlicher Dichterfiguren gerückt. Darüber hinaus betont Weinkauff (2014, 138) die „historische Unbestimmtheit der Schauplätze“, und in der Tat gibt es im gefilmten Bamberg keine konkreten Hinweise auf die Zeit. So sieht man im Film praktisch keine Autos – und wenn doch, dann sind es, wie der Buckelvolvo, Modelle aus vergangenen Zeiten. „Es ist also eine Stadt, eine Wirklichkeit, die irgendwie unreal ist, nicht ganz real. Und so sehe ich auch die Sams-Welt“ (Welty 2020), erläutert Maar im Interview zur filmischen Umsetzung.

Das Sams Weltkino Filmverleih

Ulrich Noethen, Aglaia Szyskowitz und ChrisTine Urspruch
© Weltkino Filmverleih

Wie bereits in den Bühnenadaptionen gibt es auch im Film eine Erzählinstanz, die als Stimme aus dem Off eingangs die besondere Woche von Herrn Taschenbier erläutert und die Figur dabei ironisierend vorstellt. „Je mehr die Bilder über Herrn Taschenbiers Probleme verraten, umso zurückhaltender fallen die Kommentare der Offstimme aus, und schon bald werden sie von den Bildern Lügen gestraft“, heißt es bei Weinkauff (2014, 130). Während die Figur vom Erzähler als genialer und von seinen Kollegen bewunderter Erfinder charakterisiert wird (00:03:10), zeigen die Bilder „einen Taschenbier, der sich bei seinem Chef ebenso wenig Gehör verschaffen kann wie zuvor schon bei den Marktfrauen und zum Gespött seiner Kollegen wird“ (Weinkauff 2014, 131).

Taschenbiers Beruf ist eine der zentralen Änderung gegenüber den Romanen. Während er dort in einem Büro sitzt und am Schreibtisch mutmaßlich als Kontorist arbeitet, geht er im Film „einer ebenso visuell interessanten wie skurrilen Tätigkeit nach“: Er arbeitet in einer Schirmfabrik. Die von „Maar und Limmer für den Film ersonnene ‚Regentestkammer‘, in der Herrn Taschenbiers Entwürfe unter nassen und windigen Extrembedingungen getestet werden“, eignet sich außerdem „hervorragend für comic-relief-Effekte im Stil der slapstick comedy“ (Schmerheim 2017, 196).

Gerade die komischen Effekte zeigen, dass sich der Film auch an Erwachsene richtet, etwa in der Liebesgeschichte zwischen Herrn Taschenbier und Frau März, vor allem aber in der ungewöhnlichen Annäherung zwischen Frau Rotkohl und Herrn Mon. Zu Recht hält Weinkauff (2014, 138) den „Wechsel von rasanter, oft slapstickhafter Komik und emotionaler Intensität“ für ein Wesensmerkmal des Films und Paul Maar war – ganz im Sinne dieser Melange – beim Verfassen des Drehbuchs wichtig, „dass es kein reiner Kinderfilm werden sollte, sondern ein Film für die ganze Familie, family entertainment also“ (Maar 2001/2002, 39).

Taschenbier Haus

In diesem Haus in Bamberg wohnt 
Herr Taschenbier – zumindest im Film
Foto: Andreas Wicke

Mittlerweile sind mit Sams in Gefahr (2003) und Sams im Glück (2012; vgl. Stierstorfer 2021) zwei weitere Filme erschienen, wobei der letztgenannte keine filmische Adaption eines Romans darstellt, vielmehr haben sich Maar und Limmer zunächst über den Inhalt verständigt, bevor dann parallel die literarische sowie die filmische Ausformung entstanden sind. Als Motto zum Roman Sams im Glück schreibt Maar:

Paul hat sich mit Ulrich Limmer
die Geschichte ausgedacht.
Ulrich hat daraus ein Drehbuch,
Paul hier dieses Buch gemacht. (Maar 2011, 3)

Maars multimediale Mannigfaltigkeit

Die mannigfachen Adaptionen des Sams-Stoffes in Romanen, Theaterstücken, Musicals, Filmen, Hörbüchern und Hörspielen – zu ergänzen sind die Erstleseausgaben, Spin-offs wie Da bin ich gespannt wie ein Gummiband, das Making-Of-Buch Das Sams wird Filmstar, zwei Computerspiele, aber auch ein Adventskalender, ein Freunde-Buch, ein Gesellschaftsspiel etc. – machen deutlich, dass Paul Maar, der an vielen der Produktionen beteiligt war, ein medial außergewöhnlich flexibler und produktiver Autor ist. Entsprechende Würdigungen ziehen sich durch die Sekundärliteratur, sodass Maar von Andrea Weinmann (2002) als „multimedialer Geschichtenerzähler“ und von Günter Lange (2007, 13) als „multimediale[r] Künstler“ bezeichnet wird. Gina Weinkauff (2014, 128) hebt seine „medienübergreifende Arbeit“ hervor und Marc Kudlowski (2016) untersucht seine „Kinderromane im Medienverbund“. Paul Maar selbst unterzieht den Sams-Stoff einem „Medienvergleich“, wenn er im zweiten Teil seiner Poetikvorlesungen an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg (2005/06) „Buch, Musical, Film und Computerspiel“ beleuchtet, sich dabei zunächst in eine historische Linie seit Goethe stellt und schließlich zu einem klaren Ergebnis kommt:

Jede dieser überlieferten oder neuen Möglichkeiten, sich kreativ auszudrücken, ist reizvoll und fordert den Autor heraus, wobei er ein Gespür dafür entwickeln muss, welche Formsprache, welche Ästhetik jedem dieser Medien adäquat ist.

Mit einem Blick auf die eigene schriftstellerische Arbeit kann ich sagen, dass mir eine Beschränkung im formalen Bereich auf ein einziges Medium, etwa nur auf das Buch, genau so wenig plausibel erschiene, wie wenn ich mich im inhaltlichen Bereich auf ein einziges, eng begrenztes Thema beschränken müsste, etwa darauf, ausschließlich Pferdebücher für acht- bis zwölfjährige Mädchen zu schreiben. (Maar 2007, 88)

Literatur & Medien

  • Maar, Paul: Eine Woche voller Samstage. Hamburg: Oetinger 1973.
  • Maar, Paul: Sams im Glück. Hamburg: Oetinger 2011.
  • Maar, Paul: Das Sams – Das Drehbuch. In: Oetinger Lesebuch. Almanach 38 (2001/2002). S. 39-41.
  • Das Sams. Der Film. Regie: Ben Verbong. Drehbuch: Paul Maar und Ulrich Limmer. Deutschland 2001.
  • Eine Woche voller Samstage. Hörspiel nach dem Roman von Paul Maar. Hamburg: Oetinger Audio 2005.
  • Maar, Paul: Eine Woche voller Samstage. Gelesen von Ulrich Noethen. Hamburg: Oetinger Audio 2006.
  • Maar, Paul: Eine Woche voller Samstage. Gelesen von Monty Arnold. Hamburg: Oetinger Audio 2017.
  • Maar, Paul: Das Sams wird Filmstar. Hamburg: Oetinger 2001.
  • Maar, Paul: Vom Lesen und Schreiben. Reden und Aufsätze zur Kinderliteratur. Hamburg: Oetinger 2007.
  • Althüser, Gerrit: Zwei fremde Kinder im Film. Vergleich eines Motivs in E.T. the Extra-Terrestrial (1982) und Das Sams (2001) im Unterricht. In: Paul Maar. Studien zum kinder- und jugendliterarischen Werk. Hg. v. Andreas Wicke und Nikola Roßbach. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017. S. 213-226.
  • Hamacher, Rolf-Ruediger: Filmkritik [zu Das Sams] (2001). URL:  https://www.filmdienst.de/film/details/515576/das-sams-der-film#filmkritik.
  • Kreuzer, Helmut: Arten der Literaturadaption. In: Literaturverfilmung. Themen. Texte. Interpretationen. Hg. v. Wolfgang Gast. Bamberg: Buchner 1993. S. 27-31.
  • Kudlowski, Marc: Zwischen Populär- und Hochkultur. Paul Maars Kinderromane im Medienverbund. In: Paul Maar. Bielefelder Poet in Residence 2015. Paderborner Kinderliteraturtage 2016. Hg. v. Petra Josting und Iris Kruse. München: kopaed 2016. S. 173-191.
  • Lange, Günter: Paul Maars Kinder- und Jugendbücher in der Grundschule und Sekundarstufe I. Baltmannsweiler: Schneider 2007.
  • Müller, Karla: Paul Maar: gesprochen und gehört. Hörtexte im und zum Werk von Paul Maar. In: Vom Sprachmeertauchen und Wunschpunkterfinden. Beiträge zu kinderliterarischen Erzählwelten von Josef Guggenmos und Paul Maar. Hg. v. Gabriele von Glasenapp, Claudia Maria Pecher und Martin Anker. Baltmannsweiler: Schneider 2021. S. 145-160.
  • Schmerheim, Philipp: Aus drei mach’ eins: Das Sams im Kino. In: Paul Maar. Studien zum kinder- und jugendliterarischen Werk. Hg. v. Andreas Wicke und Nikola Roßbach. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017. S. 185-198.
  • Stierstorfer, Michael: Metamorphosen als Vehikel zum (klein-)bürgerlichen Familienglück? Zur audiovisuellen Umsetzung von Verwandlungen in den Literaturverfilmungen Das Sams im Glück, Lippels Traum und Herr Bello. In: Vom Sprachmeertauchen und Wunschpunkterfinden. Beiträge zu kinderliterarischen Erzählwelten von Josef Guggenmos und Paul Maar. Hg. v. Gabriele von Glasenapp, Claudia Maria Pecher und Martin Anker. Baltmannsweiler: Schneider 2021. URL:  https://www.akademie-kjl.de/wp-content/uploads/2020/10/ergaenzungsbeitrag-zu-schriftenreihe-51_stierstorfer_web2.pdf.
  • Twele, Holger: Das Sams – Der Film. In: Lexikon des Kinder- und Jugendfilms in Film, Fernsehen und Video. Hg. v. Horst Schäfer. 16. Erg.-Lfg. Meitingen: Corian 2004. S. 1-5.
  • Weinkauff, Gina: Das Sams. Betrachtung eines prominenten kinderliterarischen Medienverbundes und seiner Rezeption in der Fachöffentlichkeit. In: Kinder- und Jugendliteratur in Medienkontexten. Adaption – Hybridisierung – Intermedialität – Konvergenz. Hg. v. Gina Weinkauff, Ute Dettmar, Thomas Möbius und Ingrid Tomkowiak. Frankfurt/Main: Peter Lang 2014. S. 127-146.
  • Weinmann, Andrea: Ein multimedialer Geschichtenerzähler. In: Paul Maar. Ein Porträt zum 65. Geburtstag. Hamburg: Oetinger 2002. S. 1-3.
  • Welty, Ute: „Das Sams ist mein Sprachrohr“. Gespräch mit Paul Maar (2020). URL:  https://www.deutschlandfunkkultur.de/kinderbuchautor-paul-maar-das-sams-ist-mein-sprachrohr-100.html.

 

So zitieren Sie diesen Text:

Andreas Wicke: Fünfzig Jahre voller Samstage. Paul Maars Sams-Romane (2023). URL: https://sams.kinderundjugendmedien.de/